Interview

"Zoos sind Auslaufmodelle"

Ein Zoobesuch ist schon lange kein unbeschwertes Freizeitvergnügen mehr, seit Jahren gibt es eine lauter werdende Kritik an den Haltungsbedingungen von Wildtieren in den Tierparks. Colin Goldner hat sich als Leiter des Great Ape Project in Deutschland vor allem mit der Situation von Menschenaffen beschäftigt. Nun hat er ein "Schwarzbuch Zoo" vorgelegt, das beispielhaft die Zustände in 50 Zoos im deutschsprachigen Raum kritisiert. Der hpd sprach mit dem Autor über seine Beobachtungen.

hpd: Warst du als Kind mal im Zoo?

Colin Goldner: Ich bin im Münchner Süden aufgewachsen, ganz in der Nähe des weithin bekannten Tierparks Hellabrunn, den ich oft und gerne besucht habe. Mein frühest erinnerlicher Berufswunsch war es, Elefantenwärter in Hellabrunn zu werden.

Heute besuchst du Zoos regelmäßig, um dir einen Überblick über die Lebensverhältnisse der sich dort befindenden Tiere zu verschaffen. Was siehst du, was dem staunenden Kinderblick, aber wohl auch dem durchschnittlichen Zoo-Publikum nicht auffällt?

Zootiere leben in Dauerstress. Zusammengepfercht auf ein paar Quadratmetern Käfig- oder Gehegefläche sind sie einem ständigen Hin und Her ausgesetzt zwischen tödlicher Langeweile einerseits, die den immergleichen Alltagsablauf bestimmt und ihnen keine Möglichkeit lässt, arteigenen Bedürfnissen nachzugehen, und der Anspannung andererseits, die die Menschenmassen bedeuten, die, unstet und lärmend, sich Tag für Tag an ihnen vorüberwälzen, ohne dass sie eine Chance hätten, sich zurückzuziehen oder zu entfliehen. Noch nicht einmal stabile Sozialverhältnisse können sie aufbauen: Immer wieder werden gewachsene Familien- und Gruppenstrukturen auseinandergerissen, wenn nach Gutdünken irgendwelcher Zuchtkoordinatoren Tiere quer durch Europa von einem Zoo in einen anderen verschubt oder untereinander ausgetauscht werden. Auch und gerade Jungtiere werden schon in frühem Kindesalter, spätestens aber mit Eintritt in die Pubertät, von ihren Familien getrennt und an andere Zoos abgegeben, ungeachtet der Frage, welche Traumatisierung das für sie bedeutet; viele zeigen ein Leben lang Symptome von Depression, Angst oder posttraumatischer Belastungsstörung. Nicht selten überleben Tiere den ungeheuren Stress, aus ihrem vertrauten Familienverband herausgerissen und mit fremden Tieren zwangsvergesellschaftet zu werden, nicht: trotz entsprechender Medikation erliegen sie Herzversagen, Kreislaufzusammenbrüchen etc.

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Auf Kritik reagieren Zooverantwortliche gern mit der Phrase, man könne letztlich nie wissen, was ein Tier wirklich empfinde: Jede Interpretation von Tierverhalten stelle einen unzulässigen Anthropomorphismus dar. In der Tat ist das apodiktische Beharren darauf, dass Tieren unter keinen Umständen menschliche Eigenschaften zugeschrieben werden dürften, stets die letzte Bastion von Zoobefürwortern: Tiere, so behaupten sie, betrauern nicht den Verlust ihrer Mütter, ihrer Freiheit, ihrer Welt; sie empfinden keinen Kummer, kein Heimweh, keine Demütigung: Es sind schließlich nur Tiere. Erkenntnisse aus Kognitionsforschung, Neurowissenschaften und klinischer Psychologie, die keinen Zweifel daran lassen, dass mit Blick auf psychische Bedürfnisse beziehungsweise psychopathologische Störungen bei menschlichen und nicht-menschlichen Säugetieren von weitgehend gleichem Erleben ausgegangen werden kann – vermutlich ist das auch bei allen anderen Wirbeltieren so –, werden in Zookreisen konsequent ignoriert. Tatsächlich ist längst erwiesen, dass die Gefangenhaltung und Zurschaustellung in Zoos die Tiere krank macht, körperlich wie psychisch. Zoobesucher, die für kurze Zeit, durchschnittlich weniger als eine halbe Minute, vor einem Käfig oder Gehege stehen, um das darin eingesperrte Tier zu begaffen, nehmen dessen Leid nicht wahr beziehungsweise verdrängen es vorsätzlich. Bei Kindern ist das vielfach noch anders: Immer wieder habe ich erlebt, dass Drei- oder Vierjährige sichtlich verstört, gar weinend, aus irgendwelchen Tierhäusern herausgelaufen sind. Sie müssen erst darauf getrimmt werden, dass Zoobesuch, sprich: das Begaffen eingesperrter und offenkundig leidender Tiere, Spaß macht.

Was sind für die Tiere die größten Probleme bei den Haltungsbedingungen?

Das zentrale Problem besteht darin, dass den Tieren im Zoo viel zu wenig Platz zur Verfügung steht, um ihren artspezifischen Bewegungsimpulsen nachkommen zu können. Eisbären etwa, die in freier Wildbahn Reviere von bis zu 30.000 Quadratkilometern durchstreifen – die Größe Brandenburgs –, werden in Zoos auf einer Fläche gehalten, die noch nicht einmal der des Strafraumes auf einem Fußballplatz entspricht. In Zookreisen wird gerne behauptet, Zootiere hätten kein Bedürfnis nach räumlicher Weite und Freiheit; vielmehr beruhe solche Vorstellung auf einer unzulässigen Projektion des menschlichen Freiheitsbegriffs: Wo immer Tiere weite Strecken zurücklegten, täten sie das nur, um Nahrung oder einen Partner zu finden. Bekämen sie all das zur Verfügung gestellt, bräuchten sie keine größeren Räume, die man ihnen insofern im Zoo auch nicht bieten müsse. Da sie aber auf dem beengten Raum ihren artspezifischen Bewegungsimpulsen nicht oder nicht in ausreichendem Maße nachkommen können, werden sie krank: Tatsächlich ist eine Vielzahl der in Zoos zu beobachtenden Verhaltensstörungen – von zootypischen Bewegungsstereotypien, wie Kopf- oder Oberkörperwackeln, über Selbstverletzungen jeder Art, hin zu völliger Apathie – allein der räumlichen Enge zuzuschreiben, der sie ausgesetzt sind.

Stimmt die einfache Formel: Je größer das Tier, desto schlechter seine Situation im Zoo?

Nicht unbedingt. Eine Wüstenspitzmaus leidet genauso, wenn sie unter unnatürlichen bzw. unnatürlich beengten Bedingungen gehalten wird, wie ein Delfin oder ein Elefant.

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Autor Colin Goldner (© privat)

Je weiter die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Intelligenz von Tieren voranschreiten, desto auffälliger werden die Verhaltensstörungen von in Zoos gefangengehaltenen Tieren, die sie aufgrund von Beengtheit, Reizarmut und Langeweile ausbilden. Längst hat sich mit "Zoochose" ein eigener Fachbegriff für derlei Störungen etabliert, zusammengesetzt aus den Wörtern "Zoo" und "Psychose", als Sammelbezeichnung für gestörtes Verhalten von Zootieren, das Tiere der gleichen Art in Freiheit nicht zeigen und das insofern auf die Gefangenhaltung im Zoo zurückzuführen ist. Zoochotische Verhaltensauffälligkeiten, so die Argumentationslinie heutiger Zoovertreter, wie es sie zu früheren Zeiten vielleicht gegeben haben mag, seien dank verbesserter pflegerischer und veterinärmedizinischer Betreuung und vor allem: aufgrund "kognitiver Anreicherung" der Gehege praktisch nicht mehr anzutreffen. Strukturierte Beobachtungen in "modernen" Zoos zeigen indes ein ganz anderes Bild: In buchstäblich jeder der von mir untersuchten Einrichtungen fanden sich Tiere bzw. Tiergruppen, die, in mehr oder minder ausgeprägter Form, die gesamte Bandbreite zootypischer Stresssymptome und Verhaltensstörungen aufwiesen: die bereits erwähnten Bewegungsstereotypien (z.B. das zootypische "Weben" von Elefanten), Agitiertheiten, Essstörungen (Regurgitation & Reingestion, Koprophagie), Hyperaggressivität, Selbstmutilation, Angststörungen, Apathie etc.etc. Fazit: Zootierhaltung macht Tiere krank.

Du stellst in deinem neuen Buch etwa 50 Zoos im deutschsprachigen Raum vor und konzentrierst dich dabei – wie es sich für ein Schwarzbuch gehört – auf die Missstände. Wie groß sind die Unterschiede zwischen den Einrichtungen?

Es gibt allein in Deutschland rund 850 Zoos und zooähnliche Einrichtungen, in denen Wildtiere gegen Entgelt zur Schau gestellt werden. Deutschland zählt insofern zu den am dichtesten mit Zoos besetzten Ländern der Welt. Ich habe in den letzten 12 Jahren, seit ich mich schwerpunktmäßig mit tierethischen Fragen befasse, rund 250 davon besucht, die meisten mehrfach; darunter sämtliche der rund 70 Großzoos, die (angeblich) unter "wissenschaftlicher Leitung" stehen, aber auch dutzende kleinerer "Liebhaberzoos", die von zoologischen bzw. veterinärmedizinischen Komplettlaien geführt werden.

Selbstredend gibt es große qualitative Unterschiede zwischen den einzelnen Einrichtungen, ich habe indes in jedem der besuchten Zoos teils schwerwiegende Verstöße gegen geltendes Tierschutzrecht bzw. gegen bundesministerielle Vorgaben vorgefunden. In "Schwarzbuch Zoo" werden konkrete Missstände aus rund 50 deutschen Zoos aufgeführt, die indes als bezeichnend gelten können für das Zoowesen ansich: Es handelt sich um Missstände, die grundsätzlich in jedem der anderen Zoo auch hätten angetroffen werden können. Detailliert beschreibe ich auch die Schwierigkeiten, gegen beobachtete Missstände vorzugehen und Zoos zu deren Behebung zu bewegen bzw. einzelne Tiere aus besonders eklatanter Qualhaltung herauszuklagen. Selbstredend ist auch von Erfolgen die Rede: mithin von der veterinäramtlichen Beschlagnahmung einzelner Tiere oder auch der Schließung ganzer Zoos.

In deinem Buch geht es allerdings nicht nur um die Lebensbedingungen der Tiere, du kritisierst auch autoritäre Zustände, die Verschwendung öffentlicher Mittel, fehlendes Umweltbewusstsein – warum gedeiht all das im "Biotop Zoo"?

Es gibt kein Richtiges im intrinsisch falschen "System Zoo".

Wieso kommt da kein Gegenwind aus der Politik? Viele Zoos befinden sich doch in kommunaler Trägerschaft oder werden aus öffentlichen Mitteln stark bezuschusst – und an den von dir beschriebenen Zuständen können die Kommunen doch kein Interesse haben...

Bezeichnenderweise setzen gerade Politiker der christlich-konservativen Ecke sich bevorzugt für Zoos ein. Alt-Kanzlerin Angela Merkel etwa engagiert sich seit Jahren besonders für den Zoo Stralsund (der in ihrem früheren Wahlkreis liegt): Vor ein paar Jahren übernahm sie höchstpersönlich die Patenschaft für zwei (flügelgestutzte) Steinadler. Nach ihrem Vorvorgänger Helmut Kohl soll gar ein Pinguin benannt gewesen sein. Christian Wulff setzte sich in seinen Zeiten als Ministerpräsident Niedersachsens für die Zoos in Osnabrück und Hannover ein, später dann als Bundespräsident für den "Hauptstadtzoo" in Berlin; für letzteren hatten sich in ihren jeweiligen Amtszeiten schon Richard von Weizsäcker und Horst Köhler stark gemacht. Auch Wolfgang Schäuble, Norbert Röttgen, Ursula von der Leyen und zahllose andere Unionspolitiker, die ansonsten herzlich wenig für Tiere übrig haben (außer auf dem Teller), gelten als bekennende Tiergartenfreunde.

Vor allem aber in der Kommunal- und Landespolitik gibt es kaum einen Mandatsträger, der sich nicht danach drängte, eine Tierpatenschaft zu übernehmen und so mit dem örtlichen Zoo assoziiert zu werden: Millionen Zoobesucher sind Millionen potentielle Wähler. Erwähnt sei insofern das besondere Engagement des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der sich für den Tiergarten Nürnberg stark macht oder das des früheren saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller für den Zoo Saarbrücken. Der niedersächsische CDU-Landtagsabgeordnete Klaus-Michael Machens wechselte nach seinem Ausscheiden aus der Politik direkt ins Zoogeschäft: er trat das Amt des Geschäftsführers der Zoo Hannover GmbH an.

Der tiefere Grund für das Faible gerade christlich angehauchter Politiker für Zoos dürfte mithin in ihrer christlich geprägten Sicht auf das Verhältnis Mensch-Tier zu suchen sein, die ihrerseits determiniert ist durch den biblischen Unterjochungsauftrag aus dem 1. Buch Moses, in dem Gott selbst den Menschen befiehlt, "zu herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht" [1.Mose 1,26]. Wo sonst würde dieser Auftrag gottgefälliger ausgeführt als in einem Zoo?

Ist die Erkenntnis, dass die Besuchszahlen in den Zoos zurückgehen und immer weniger Menschen dieses Freizeitvergnügen suchen, noch nicht in der Politik angekommen?

Gleichwohl seit Mitte der 1970er ein deutlicher Strukturwandel in den Zoos zu beobachten ist und mit enormem Aufwand neue, vermeintlich "artgerechtere" Käfig- und Gehegeanlagen erstellt werden – allein in den letzten zwanzig Jahren wurden in deutschen Zoos mehr als 1,5 Milliarden Euro (an Steuergeldern) verbaut –, nehmen die Besucherzahlen kontinuierlich ab. Noch nicht einmal die vielerorts eingerichteten Amusementpark- oder Disneyland-Elemente konnten und können den Schwund des Besucherinteresses aufhalten. Ganz offenbar finden immer weniger Menschen Gefallen daran, eingesperrte Wildtiere zu besichtigen. Eine Repräsentativumfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov von 2020 zeigte, dass knapp ein Drittel der Deutschen (31 Prozent) in den letzten fünf Jahren kein einziges Mal einen Zoo besucht hatte: 53 Prozent brachten es auf ein bis vier Zoobesuche (in fünf Jahren), neun Prozent auf fünf bis neun Zoobesuche, drei Prozent auf zehn bis 14. Nur ein Prozent der Deutschen hatte in den letzten fünf Jahren 15 oder mehr Zoobesuche absolviert, 31 Prozent waren nie da. Im Klartext: Nur 4 Prozent der Deutschen hatten in den zurückliegenden fünf Jahren mehr als 10 mal einen Zoo besucht, waren also zweimal oder öfter pro Jahr dort. Auch wenn vielleicht eine Mehrheit der Deutschen Zoos grundsätzlich befürwortet, geht doch nur eine verschwindend kleine Minderheit in nennenswertem Ausmaß dorthin: Zoos sind Minderheitenbespaßung auf Kosten lebenslang eingesperrter und gegen Entgelt zur Schau gestellter Wildtiere; von den Kosten für den Steuerzahler gar nicht zu sprechen.

Die von Zoos immer wieder vorgetragene Behauptung, sie seien wichtige Attraktionsfaktoren für eine Stadt oder Region, die über Umwegrentabilität – Stärkung von Einzelhandel, Hotel- und Gaststättengewerbe – die ihnen zuteil werdende Subventionierung rechtfertigten, ist nachweislich falsch: Aus tourismuspolitischer Sicht machen Zoos, selbst wenn die halluzinierten Besucherzahlen des Zoodachverbandes zugrunde gelegt werden, keinen Sinn. Gleichwohl werden sie von Kommunal- und Landespolitikern – nicht zuletzt über das Argument der Umwegrentabilität – mit Zigmillionenbeträgen aus Steuergeldern gefördert.

Was sollen Menschen, die Tiere nicht nur im Fernsehen beobachten wollen, nach deiner Meinung tun? Massentourismus in die Nationalparks der Welt ist doch keine Lösung, oder?

In Beantwortung dieser Frage zitiere ich den Tierrechtler Robert Marc Lehmann, vormals leitender Mitarbeiter eines deutschen Großzoos, der das Vorwort zu "Tiergefängnis Zoo" geschrieben hat: "Nach jahrelanger Beschäftigung mit dem Thema und nach fast sieben Jahren im Zoo- bzw. Aquarienbusiness (…) komme ich zu einem vernichtenden Ergebnis im Bezug auf Zoos, Delfinarien und Aquarien. Sie bringen fast gar nichts für den Artenschutz und für die eingesperrten wilden Individuen (…) sind sie fast immer fatale, grausame, langweilige Gefängnisse ohne Entkommen. (…) Neben mir entscheiden sich immer mehr Menschen, einen anderen Weg zu gehen. Raus aus einer Industrie voller Leid und Ausbeutung (…) hin zur Schmetterlingswiese, Waldführung und Beobachtung freier Wildtiere in ihrer natürlichen Umgebung und mit ihrem natürlichen Verhalten. Hier lernt man wirklich etwas über Tiere und die großen Zusammenhänge. Auf der Wiese, im Wald, in der Natur. Gehen Sie raus. Erleben sie Tiere in Freiheit. Dabei spielt es keine Rolle, ob Tagfalter, Blindschleiche oder Elefant…"

Im Übrigen vermittelt jeder Dokumentarfilm, wie es sie heute zu jeder in Zoos gehaltenen Tierart in herausragender HD-Qualität gibt, mehr Kenntnis und Wissen und weckt mehr Empathie, als ein Zoobesuch dies je vermag.

Zuletzt der Blick in die Glaskugel: Wie lange wird es Zoos in der heutigen Form noch geben?

Zoos können nicht "von heute auf morgen" geschlossen werden. Es wird vermutlich noch Jahre und Jahrzehnte dauern, bis ausreichend öffentliches Bewusstsein geschaffen ist für das moralische Unrecht, das es bedeutet, Tiere ein Leben lang hinter Eisengitter, stromführenden Zäunen oder Panzerglas einzusperren. Solange die "Vier-Säulen"-Propaganda der Zoos verfängt und die als Tiergärten bezeichneten Tiergefängnisse gemeinhin als Einrichtungen angewandten Artenschutzes gelten, in denen naturentfremdete Großstädter Bildung und Erholung erfahren und die zudem wissenschaftlicher Forschung im Interesse der Tiere dienen, wird sich an der gegenwärtigen Situation nicht viel ändern: Es werden weiterhin – gerade zur Kompensation des schwindenden Besucherinteresses, sprich: zur Rück- oder Neugewinnung von Besuchern – Unsummen in die Steigerung der Publikumsattraktivität der einzelnen Einrichtungen gesteckt, Gelder, mit denen in den Herkunftsländern der vorgehaltenen Tiere wirklicher Tier- und Artenschutz geleistet werden könnte.

Hoffnung macht mir aber das südamerikanische Costa Rica, wo das zuständige Umweltministerium vor Jahren schon verfügte, sämtliche Zoos des Landes zu schließen bzw. in botanische Gärten ohne Tierhaltung umzuwandeln; die in den Zoos gehaltenen Tiere sollten nach Möglichkeit ausgewildert, die nicht auswilderbaren in geschützten Reservaten ohne Publikumsverkehr untergebracht werden. Hoffnung macht mir insofern auch das griechische Kultusministerium, das vor geraumer Zeit die Lehrerinnen und Lehrer des Landes anwies, künftig keine Zoobesuche mit Schulklassen mehr durchzuführen: Es seien solche Besuche mit den Prinzipien einer Pädagogik, die sich um die "Schaffung von Bewusstsein hinsichtlich des Schutzes der natürlichen Umwelt und des Respekts für sie" bemüht, nicht zu vereinbaren.

Und selbst hierzulande tut sich etwas: Allein in den letzten zehn Jahren gingen in Deutschland mehr als vierzig Zoos und zooähnliche Einrichtungen pleite, in der Regel mangels Besucherzuspruch, vielfach aber auch aufgrund eklatanten Missmanagements. Nicht wenige dieser Zoos wurden aufgrund indiskutabler Verhältnisse in der Tierhaltung auch von Amts wegen geschlossen oder es wurde ihnen die Haltung bestimmter Tierarten untersagt. Im Übrigen wurde seit der Jahrtausendwende hierzulande kein einziger Zoo mehr neu eingerichtet. Zoos sind Auslaufmodelle, die sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts ebenso überlebt haben, wie die Völkerschauen des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts, bei denen sogenannte "wilde Menschen" ausgestellt wurden; sie haben keinen Platz mehr in der heutigen Welt.

Colin Goldner: Tiergefängnis Zoo. Ein Schwarzbuch. Vorwort von Robert Marc Lehmann, Alibri Verlag, Aschaffenburg 2023, 407 Seiten, über 200 Fotos, 28 Euro. ISBN 978-3-86569-382-2

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