(hpd) Das Buch wäre keine Erwähnung wert, wäre nicht sein Autor Leiter des Debattenressorts bei Focus. Aber unter diesen Umständen sollte man sich das Buch einmal genauer anschauen. Der Held von Michael Klonovsky ist eine zwar ordentlich strukturierte Arbeit, jedoch besteht sie vornehmlich aus reaktionärem, logikfreiem Unfug.
Vorweg sei bemerkt: Der Autor selbst erfüllt kein einziges der von ihm heraufbeschworenen Heldenkriterien. Er ist kein stolzer Krieger, sondern wie die „Schrumpfmänner“, über die er herzieht, sitzt er im Büro. Er verhält sich auch nicht heldenhaft ritterlich, besonders nicht jenen Frauen gegenüber, die Dinge konstatieren, die ihm nicht passen. Er ist nicht wagemutig, sondern verfasst fiesen Unsinn. Insgesamt fragte ich mich nach der Lektüre: Was wollte der Autor eigentlich? Was will er uns sagen?
Doch erst einmal der Reihe nach
Die Vorbemerkung kann als vielversprechender Auftakt bezeichnet werden, da sie kein bisschen politisch korrekt formuliert ist. Sätze wie „Ein Held würde sich keinen Anwalt nehmen, weil der Nachbar zu laut Musik hört“ (S. 7) oder „Es liegt zumindest der Verdacht nahe, dass irgendein globales Verzwergungsprogramm läuft“ (S. 9), lassen zunächst darauf hoffen, dass hier jemand ein lustiges Buch geschrieben hat, in dem gängige Rollenvorstellungen demaskiert und deren mitunter gruselige Folgen amüsant durch den Kakao gezogen werden. Zwischendurch taucht auch mal ein interessanter Gedanke auf, es kommen gelegentlich Aussagen, die man zustimmend abnicken kann. Doch leider geht es direkt im ersten von sieben Kapiteln auf 144 Seiten ganz seltsam zur Sache.
„Bloß nicht den Helden spielen!“, heißt es hier. „Der Held zerstört nicht, er vollbringt“ (S. 11), der Held ist frei und ändert den Status quo – ob in die „guten alten Zeiten“ oder in neue Dimensionen bleibt unerwähnt. Ersteres, so lässt sich nach Lektüre des zweiten Kapitels vermuten. Ein „Paradoxon“ bestehe zudem darin, „dass der Held der einen der Terrorist der anderen ist.“ Eine interessante Feststellung ist dann die, dass der Mensch der Gegenwart nicht so sehr an der Freiheit, sondern weit mehr am Leben hänge. Inwieweit das allein den Menschen der Gegenwart ausmacht? Außerdem sei eine Gesellschaft umso glücklicher, je feiger sie ist. Wer an seinem Leben hängt, ist, so Klonovsky, „feige“. Heroisches Handeln werde in unserer Gesellschaft unterbunden bzw. im Anschluss bestraft. Außerdem, das war mir neu, kann man „unser Land“ beleidigen. Aha.
Schrumpfmänner und Eva Hermann
„Der Schrumpfmann“ ist, wie man sich denken kann, das Gegenteil des Helden, der bislang nur andefiniert wurde. Der Klonovskysche Schrumpfmann ist jedenfalls feministisch zugerichtet, der „von seiner tradierten Rolle weitgehend emanzipierte westliche Mann der Gegenwart...“ (S. 19). Auch hier finden sich wieder abnickbare Aussagen, wie etwa die, dass „es genau dieser Typus (ist), der Männer für bösartige, dominante Kreaturen hält.“ (S. 21) Oder auch, dass sich „sämtliche feministischen Basalmärchen ... sich in den multimedial verdrehten Köpfen als vermeintliche Tatsachen durchgesetzt (haben).“ (S. 27) – Na, „sämtliche“ vielleicht nicht, aber in der Tendenz kann ich dem zustimmen. Doch was wird daraus? Allein erziehende Frauen zögen männliche Kriminelle heran, Männer wiederum, die ihre Kinder verlassen, seien „schäbig“ (S. 33). Dass der Krieg mit seinen gefallenen Kriegern unzählige Alleinerziehende zu Hause hinterlassen hat, bleibt seltsamerweise unerwähnt.
Weibliche Großtaten bestehen im Gebären von Kindern. Männliches Heldentum im Einsatz als Soldat im Krieg. Schließlich „befreite die Fähigkeit zu gebären die Frau von jenem Drang, sich einen Namen zu machen, berühmt, ja unsterblich zu werden, der den heroischen Mann antreibt, denn sie war es in ihren Kindern ohnehin schon.“ (S. 91). So einfach ist das. Die Kinder kamen nur von den Frauen, nicht von den Männern, und dienten allein dem Zwecke, die Mutter unsterblich zu machen. Aber nun gibt es die Pille.
Eva Hermann und ihre Wertvorstellungen preist Herr Klonovsky dementsprechend als vorbildlich und regt sich über ihren Rausschmiss bei Kerner wirklich auf (allerdings aus anderen Gründen als ich mich darüber aufregen würde). Es gebe, meint der Bürohengst, eine „Ordnung der Dinge“ – später mitunter auch als „natürliche Ordnung“ bezeichnet.
Männer sind Krieger, Frauen nicht
Diese sieht wohl so aus, dass der Mann – ich fasse jetzt mal den Rest des Buches zusammen – in den Krieg zieht. Einige Soldaten sind heldenhaft, wie zum Beispiel die Deutschen im 1. und im 2. Weltkrieg. Die Russen aber, die später die deutschen Frauen vergewaltigten, waren keine ehrenhaften Helden. Ach ja, häufig misst Herr Klonovsky mit zweierlei Maß.
Da Frauen keine Kriegerinnen sind, hat es nie Amazonen gegeben (S. 53). Basta. Jesus Christus, Moses und Hektor oder Gilgamesch, ja, die hat es aber gegeben! Weil nämlich: „Wie sollten sonst ihre Namen und Geschichten auf uns gekommen sein?“ (S. 66) – Ja, wie denn eigentlich? Fassungslos las ich vermehrt solche „Argumente“, schrieb immer häufiger Kommentare an den Rand des Buchs, die ich hier nicht wiedergeben möchte, und regte mich auf.
Der Mensch ist zudem „Beherrscher des Planeten“ (S. 56; dies im Rahmen der Ausführungen, warum Zweigeschlechtigkeit nötig ist) und die weibliche Brust, deren „Pracht und Wohlgeformtheit“ sei ein „Wunderwerk“, das „fast schon wieder ein Gottesbeweis ist“ (S. 57). Soviel zum Verständnis der Evolution. Vielleicht war die Aussage auch als Witz gemeint. Wie auch immer, ob Spaß oder Ernst ist selten klar.
Doch damit nicht genug. Der Eiertanz geht immer mehr in die bereits erwähnte Richtung, nämlich die Verherrlichung des Krieges, des Soldaten und vor allem der mutigen deutschen Soldaten im ersten und zweiten Weltkrieg. Seitdem sind wir alle nur noch Schlaffis. Ja, zugegeben, Hitler war „Satan persönlich“ (S. 78) (wie man heutzutage in der Beziehung zwischen Mann und Frau nur „so Satan will, gemeinsam eine Chemo durchsteh(t)“ – sonst nichts). Vielleicht ist Hitler Satan oder Satan Hitler? Ganz klar ist das nicht. Jedenfalls waren die Deutschen im zweiten Weltkrieg auch feige und handelten schändlich, „denn was gibt es Unheroischeres, als Kinder in Güterzügen durch halb Europa zu fahren, um sie in Lagern möglichst heimlich zu ermorden?“ (S. 76) Man beachte, dass es „unheroisch“ ist, KINDER zu ermorden. Erwachsene zu ermorden dann wohl nicht oder weniger.
„Helden“ wie Jünger und Rommel
Später geht es um Nietzsche bzw. Zarathustras Vorrede, um Liebe, Schöpfung, Sehnsucht und Stern und um den „letzten Menschen“ (das sind wir), der von all dem keine Ahnung hat.
Weil Intellektuelle Bücher über „den sexuell verklemmten faschistischen Typus schrieben“, stutzten sie damit „große Männer in ihren Biografien aufs politisch korrekte Normalmaß“, machten diese „zum Täter, zum Verrückten oder Perversen“ (s. 108). Vorbildlich sind für Herrn Klonovsky die mehrfach erwähnten „Helden“ wie Ernst Jünger, der wegen seines radikalen, nationalistischen, anti-demokratischen und elitären Frühwerks einigen Kritikern als ein intellektueller Wegbereiter des Nationalsozialismus gilt, während ihn andere höchstens dem Rand eines reaktionären Spektrums zurechnen.
Aber auch „Wüstenfuchs“ Johannes Erwin Eugen Rommel, der während der Herrschaft des Nationalsozialismus ein deutscher Generalfeldmarschall des „Afrikafeldzugs“ in Nordafrika war, ist für den Schreibtischhelden ein Vorzeigemann.
Schließlich dürfen die muslimischen Selbstmordattentäter nicht fehlen. Denn dort, wo „Feiglinge herrschen, wird der Böse immer als feige und unwürdig dargestellt“, wo doch die Selbstmordattentäter „zwar alles Mögliche sein (mögen), nur eben feige gerade nicht.“ Wobei der Fairness halber erwähnt werden soll, dass der Autor sich fragt, ob es einen grundlegenden Unterschied zwischen dem heutigen muslimischen und dem heutigen westlichen Kämpfer gebe, wenn letzterer einfach aus der Ferne Bomben anwirft und damit auch Zivilisten tötet. (S. 84)
Fazit
Die Argumentation ist in sich widersprüchlich. Einerseits gebe es eine „natürliche Ordnung“, andererseits sei die Geschlechterrolle soziokulturell überformt – auch wenn er dies gelegentlich negiert, etwa am Beispiel des „gemachten Geschlechts“ von Simone de Beauvoir. Schuld sind irgendwie die Frauen, die den heldenhaften Mann zum Schrumpfmann weichgeklopft haben. Darüber hinaus wird mit zweierlei Maß gemessen, beispielsweise sind die einen Krieger heldenhaft, die anderen Krieger hinterlassen eine verwundete Bevölkerung. Dann sind Männer mal per se Helden, an anderer Stelle waren ohnehin nie alle Männer Helden. Und so weiter.
Doch die Frage bleibt interessant: Was wäre denn ein Held der heutigen Zeit? Abgesehen von den Superhelden im Kino wie Spiderman, Thor und Captain America. Ist nicht der Held einer, der neue Wege geht? Ist es nicht der Mann, der sich traut, Vaterschaftsurlaub zu nehmen, selbst wenn ihn die Kollegen und der Chef schief anschauen? Ist es nicht der Mensch, der die Verständigung zwischen Menschen zu verbessern trachtet, damit es keine Kriege mehr gibt? Eben nicht derjenige, der sich rückwärts wendet und alte Zeiten beweint. Ist Heldentum überhaupt ein Kriterium, anhand dessen man eine Leistung beurteilen sollte?
Man kann sich letztlich des Eindrucks nicht erwehren, dass Herr Klonovsky gerne etwas vom Sarrazin-Skandal abhaben möchte, den er mehrfach erwähnt. Er schreibt dann eben nicht darüber, dass Deutschland sich abschafft, sondern dass der Mann sich abschafft. Oder abgeschafft wird. Damit kann er doch wohl keinen Skandal mehr produzieren. Außer vielleicht bei Alice Schwarzer.
Fiona Lorenz