Notizen aus Schweden

Zentrales Melderegister, gut oder böse?

Wie viel ein Staat von seinen Bürgern wissen darf ist eine wichtige und grundlegende Frage

des Staatsverständnisses. Deutschland ist gerade auf dem steinigen Weg, eine neue Volkszählung durchzuführen und plant ein zentrales Melderegister, wie es das im nicht-föderalen Schweden natürlich schon lange gibt.

Dieses Register liegt bei der Steuerbehörde, die auch die Personennummer vergibt. Da in Schweden zusätzlich die Einkommen aller Bürger öffentlich sind, ist die Steuerbehörde der nahe liegende Speicherort. Geburtsdatum, Wohnort, Einkommen - so viel wissen Schweden also mindestens übereinander und der Staat über sie.

In der Tat ist ein solches Zentralregister, in Verbindung mit der eindeutigen Personennummer, die Basis für weitere Überwachung und Kontrolle der Bürger. Andererseits werden solche grundlegenden Informationen weniger kritisch beurteilt als Maßnahmen, bei denen die Kommunikation und die Aktivitäten von Menschen überwacht und aufgezeichnet werden.

Nicht zuletzt wegen der zahlreichen praktischen Annehmlichkeiten, die sich aus der Personennummer und dem Register im Umgang mit Behörden, Banken und anderen Einrichtungen ergeben, gibt es in Schweden wenig Kritik am bestehenden System. <Deutsch>

Überwachung von Telefon und Internet

Die schwedische Regierung plant, der Radioanstalt der Streitkräfte weitreichende Abhörmöglichkeiten einzuräumen. Ohne Anfangsverdacht und richterliche Zustimmung im Einzelfall sollen Internet- und Telefonverbindungen über die schwedischen Grenzen abgehört werden und die Ergebnisse anderen Behörden zugänglich gemacht werden können. Die Kritik an den Plänen ist laut und es fanden erste Demonstrationen gegen den Überwachungsstaat in mehreren Städten statt. <Deutsch>

Schulabschlussfeiern in der Kirche

Weil einige schwedische Schulen ihre Abschlussfeiern in Kirchen abhielten, entbrannte die Diskussion, ob der religiöse Einschlag bei konfessionslosen Schulen zulässig ist. Der Diskriminierungsbeauftrage kam zu dem Schluss, dass das nicht vertretbar sei, merkte jedoch an, dass kein Schüler zur Teilnahme gezwungen worden sei. Dennoch sollten Abschlussfeiern wenn möglich in neutralen Räumlichkeiten stattfinden. Unerwartete Schützenhilfe kam von Ragnar Persenius, Bischof des Stift Uppsala, der kirchliche Schulabschlussfeiern als ein Relikt aus der Zeit als Staat, Ideologie, Gesellschaft und Kirche eine Einheit waren. <Schwedisch>

Schwedische Hausfrauen

Der Begriff "Hausfrau" wird in Schweden selten verwendet, denn dass Frauen in gleichem Maße am Arbeitsmarkt teilhaben wie Männer, ist eine Selbstverständlichkeit und gehört zum allgemeinen Verständnis von Gleichberechtigung.

Es gibt aber auch in Schweden Bestrebungen, das traditionelle Familienbild zu stärken, allen voran bei den Christdemokraten. Da die kleine Partei mittlerweile an der Regierung beteiligt ist, kommt jetzt der Vorschlag, vom kommenden Jahr an staatliche Unterstützung an Eltern zu zahlen, die ihre Kinder über die reguläre Elternzeit hinaus zu Hause betreuen.

Viele halten das für einen Schritt in die falsche Richtung und sprechen sich stattdessen für einen Gleichberechtigungsbonus aus, der die Verluste ausgleichen soll, die entstehen, wenn der Elternteil mit dem höheren Einkommen seinen Teil der Elternzeit nimmt. <Schwedisch>

Biologie und Gleichberechtigung

Im gleichberechtigten Schweden auf biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau hinzuweisen, gerade wenn es um Hirnforschung und daraus stammende Ergebnisse bezüglich Intelligenz und Verhalten geht, ist ein rotes Tuch für viele Schweden. Die Neurobiologin Annica Dahlström wird gerade heftig kritisiert, weil sie, ganz im Sinne des Auftrags zur Popularisierung von Forschung, Resultate in diesem Bereich darstellt.
Ihre Darstellung von eigener und der Forschung anderer zeigt unter anderem, dass männliche und weibliche Gehirne unterschiedlich funktionieren und dass sich das auch der Intelligenz niederschlägt, so weit sie messbar ist. Demnach ist die Intelligenzverteilung bei Männern breiter gestreut, was bedeutet, dass es mehr weniger intelligente Männer als die Durchschnittsfrau gibt, aber eben auch mehr überdurchschnittlich intelligente. Bei Frauen ist die Verteilung näher am Mittelwert konzentriert. Es gibt also weniger weibliche Genies.

Dahlström stellt in einem viel beachteten Leserbrief klar, dass man aus diesen Ergebnissen nicht ableiten kann, dass die gesellschaftlichen Voraussetzungen für Frauen andere sein sollten oder dass geschlechtsspezifische Rollenverteilungen von der Natur vorgegeben seien. Im Gegenteil können die Ergebnisse helfen, unterschiedlichen Neigungen, deren jeweilige Streuung unter Männern und Frauen größer sind als die zwischen den Geschlechtern, besser Rechnung zu tragen und eine wirklich individuell gleichgestellte Gesellschaft zu verwirklichen. <Schwedisch>

Linné-Jubiläum

Am 23. Mai 1707 wurde Carl von Linné in Südschweden geboren. Linné ist der Begründer der systematischen Botanik und hat die doppelten lateinischen Namen für Tiere und Pflanzen eingeführt. Letzten Monat hat der schwedische König die Feierlichkeiten des Linné-Jahres anlässlich des 300. Jubiläum eröffnet. In den nächsten Monaten wird es allerlei Ausstellungen, Wanderungen, Vorträge und Konzerte zu Linné geben.
Die Universitätsstadt Uppsala wird einer der Schwerpunkte sein, denn hier wirkte und forschte Linné einen beträchtlichen Teil seiner Lebenszeit und er liegt im dortigen Dom begraben. Höhepunkt wird dann auch die Feier am 23. Mai in Uppsala sein, zu der unter anderem der japanische Kaiser erwartet wird. <Schwedisch>

Debatte um Ostseepipeline

Die geplante Gaspipeline durch die Ostsee von Russland nach Deutschland wird in Schweden lebhaft diskutiert. Zuletzt kam die Frage auf, ob Schweden das Projekt überhaupt noch stoppen könnte. Außenminister Bildt bezweifelt das, weil die alte sozialdemokratische Regierung im Rahmen der Trans-European Networks schon zugestimmt hatte.

Eine eigene Untersuchung der schwedischen Regierung widerspricht dem jedoch und kommt zu dem Schluss, dass in der Sache kein bindender Beschluss gefällt wurde. Unterdessen werden lokale Proteste gegen die Pipeline laut, vor allem auf den Ostseeinseln Öland und Gotland, an denen die Gasleitung vorbeigeführt werden soll. Eine Untersuchung der Umweltfolgen steht noch aus. <Deutsch>

Bevölkerungswachstum durch Einwanderung

Die schwedische Bevölkerung wächst. 65.000 mehr Menschen innerhalb eines Jahres bringen die Zahl der in Schweden lebenden Menschen auf 9.113.257, ein Wachstum von 0.7%. 14.000 mehr Menschen wurden geboren als starben und der restliche Zuwachs kommt aus der Wanderungsbilanz, in der 45.000 Auswanderer 96.000 Einwanderern gegenüberstehen - so viele wie nie zuvor. Die größte Gruppe der Einwanderer sind heimkehrende Schweden, die zuvor ausgewandert waren. Aber Schweden nimmt auch anteilsmäßig sehr viele Flüchtlinge aus dem Irak auf und hat die europäischen Nachbarn aufgefordert, ihre diesbezüglichen Beschränkungen ebenfalls zu lockern. <Schwedisch>

König weg, Pippi her!

Die "Republikanska Föreningen" ist ein Verein, der sich dafür einsetzt, die schwedische Monarchie abzuschaffen und eine Republik als Staatsform einzuführen. In einer Pressemitteilung regt der Verein, inklusive der prominenten ehemaligen Chefin der Linkspartei, Gudrun Schyman, an, das Konterfei des Königs von den schwedischen Münzen zu verbannen und durch ein Symbol für ein modernes Schweden zu ersetzen. Pippi Langstrumpf beispielsweise würde Schweden viel besser repräsentieren, findet man. <Schwedisch>

 

<Thomas Marquart>