(hpd) Der US-Soziologe James Petras spricht in seinem Buch von der angeblichen Dominanz einer „Israel-Lobby“ gegenüber der US-Regierung. Der Autor steigert sich in ein inhaltlich verzerrtes Bild vom Einfluss bestimmter Interessengruppen hinein, das mit nachvollziehbarer Kritik kaum noch etwas zu tun hat und stattdessen stereotype Auffassungen von verschwörerischem Agieren bedient.
Wie erklärt sich die besondere Ausrichtung der US-Außenpolitik gegenüber Israel im Nahost-Konflikt? Über diese Frage wird in Öffentlichkeit und Wissenschaft kontrovers diskutiert. Dabei erfolgt nicht selten der Hinweis auf eine „Israel-Lobby“, die aus jüdischen Interessenorganisationen bestehe. Während die Einen in deren Agieren die zentrale Erklärung sehen, sehen die Anderen in diesen Auffassungen eine antisemitische Verschwörungsvorstellung. Kritik im letztgenannten Sinne zog auch der ehemalige Soziologie-Professor James Petras auf sich. Er lehrte an der Binghampton University, New York mit den Schwerpunkten Entwicklungstheorien und Lateinamerika, bezeichnet sich selbst als „Anti-Imperialisten“ und revolutionären Aktivisten und engagierte sich politisch etwa für die Allende-Regierung in Chile oder das Russel Tribunal zu Lateinamerika. Nun liegt auch in deutscher Sprache von ihm ein Buch unter dem Titel „Herr oder Knecht? Über das beispiellose Verhältnis zwischen Israel und den USA“ vor.
Über dessen inhaltliche Ausrichtung heißt es bereits zu Beginn: „Dieses Buch befasst sich mit der Fähigkeit der pro-israelischen Lobby, die Nahostpolitik der USA zu beeinflussen. Neben der bedingungslosen US-Rückenstärkung Israels beinhaltet diese Macht, einen Angriffskrieg gegen den Irak und einen militärischen Angriff auf den Iran anzuzetteln und der israelischen Kolonisation Palästinas und der massiven Vertreibung von Palästinensern die US-Unterstützung zu sichern“ (S. 18).
Zunächst geht es ausführlich um Petras Auffassung von der Macht des Zionismus in den USA, welche die hohe finanzielle und unkritische politische Unterstützung Israels erkläre. Der Autor spricht gar von „Israels Tyrannei über die USA“ (S. 91) und bezogen auf den Umgang mit den Palästinensern von „Israels Endlösung“ (S. 114). Danach geht es in Kapiteln, die nicht direkt inhaltlich an den ersten größeren Teil anschließen, noch um einen möglichen Krieg gegen den Iran, die Motive von Selbstmordattentäter und die Kontroversen zwischen Netanyahu und Obama.
Petras beklagt gelegentlich, Kritiker Israels würden in den USA dem Antisemitismus-Verdacht ausgesetzt. So erging es ihm selbst auch, äußerte sich doch etwa die dortige „Anti-Defamation League“ entsprechend. Doch wie angemessen ist diese Auffassung und was sagt sie über dieses Buch? Ob Petras ein Antisemit im Sinne einer Feindschaft gegen Juden als Juden ist, lässt sich daraus so nicht belegen. Gleichwohl bedient er Argumentationsmuster und formuliert Vorwürfe, die in diese Richtung gehen.
Bestärkt wird dieser Eindruck noch durch den politisch-polemischen Charakter des Buches, das kein wissenschaftliches Werk ist. Der Autor verzichtet darauf, so zentrale Arbeitsbegriffe wie „Lobby“ oder „Zionismus“ klar zu definieren. Seine Wortwahl ist durch falsche und schiefe Vergleiche geprägt: Bei aller legitimen Kritik an Israels Umgang mit den Palästinensern dürften Bezeichnungen wie „Endlösung“ (S. 114) oder „Völkermord“ (S. 52) doch keine angemessenen Kategorien zu deren Bewertung sein, versteht man darunter doch eigentlich etwas anderes.
Und so geht es in vielen Bereichen seiner Darstellung und Deutung weiter. Bei Petras Rede vom „zionistischen Netzwerk der Macht in den USA“ spricht er von „ZM“, worunter ein „zionistisches Machtgefüge“ (S. 58) verstanden wird. Ist ihm nicht bewusst, dass neonazistische Judenhasser von der „zionistisch besetzten Regierung“ sprechen? Verrät diese Gemeinsamkeit nicht viel von zumindest strukturellen Gemeinsamkeiten im Denken?
Das Buch endet mit den Worten: „Davon ausgehend, dass Israel das US-amerikanische politische System strategisch dominiert und mit Hilfe des enormen Reichtum der ZM und ihrer Kontrolle der Massenmedien war klar, dass eine zionistisch gesteuerte Regierung wie die Obamas, kapitulieren musste.“ (S. 275) Man kann mit guten Gründen den Einfluss bestimmter Interessengruppen in den USA auf Medien und Politik kritisieren. Petras steigert sich aber in ein inhaltlich verzerrtes Bild von heimlicher Macht hinein, das kaum von antisemitischen Behauptungen unterscheidbar ist, hoffentlich aber andere inhaltliche Motive hat.
Armin Pfahl-Traughber
James Petras, Herr oder Knecht? Über das beispiellose Verhältnis zwischen Israel und den USA. Aus dem englischen von Sebastian Bahlo und Ronald Koch, 2. überarbeitete, erweiterte und aktualisierte Auflage, Frankfurt/M. 2010 (Zambon-Verlag), 279 S., 13,80 €.