Am Samstag wurden weitere Aspekte zur Situation des Laizismus behandelt, die hier zumindest kurz zusammengefasst werden sollen.
Werner Schultz (Abteilungsleiter Bildung des Humanistischen Verband Berlin und Verbindungsmann zur Europäischen Humanistischen Föderation) und Ulrike Dausel (Humanistische Lebensberaterin im „Haus des Menschen” der Organisation DeMens.nu in Antwerpen) gaben einen detaillierten Überblick über die Situation in verschiedenen Ländern Europas.
Werner Schultz warnte gleich zu Beginn: Wenn man sich die Situation in Europa anschaue, werde es auch nicht einfacher. Jedes Land sei unterschiedlich und es sei eine ständige Nötigung über die Definition von Begriffen und Konzepten zu diskutieren. In der unterschiedlichen Ausprägung von Laizismus (weitestgehender Abbau der Verbindung zum Staat) oder Gleichbehandlung (gleichberechtigte Verbindungen mit dem Staat) sehe es zurzeit so aus:
- In Irland spricht zum ersten Mal auch eine Humanistin bei der Amtseinführung des Staatspräsidenten. Das ist gut so, aber ist das Abbau oder Aufbau?
- In der EU wird eine Gleichberechtigung von Religionen und Weltanschauungsgemeinschaften vorausgesetzt. Es bedurfte aber einer Beschwerde der Europäischen Humanistischen Föderation (EHF), um den stockenden Kommunikationsprozess voran zu bringen. Das wiederum hat einen Protest der französischen Libre Pensée verursacht: Die EHF verhalte sich wie ein Agent des Vatikans.
- Die EHF arbeitet im Europäischen Parlament mit der „European Parliamentary Platform for Secularism in Europe” (EPPSP) zusammen, bei der auch christliche Organisationen mitarbeiten. Es finden regelmäßige Diskussionsrunden statt, die vorwiegend dem Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Organisationen über die Situation in ihren Ländern dienen.
- Auch die Verteidigung der Resolution des Europäischen Parlaments zur Aids-Präventation gegen die Versuche christlicher Organisationen, die Forderungen zu verwässern, ist nur möglich gewesen, weil man sich organisiert habe. Es müssen Strukturen vorhanden sein, um zu agieren.
- In Polen ist die Palikot-Bewegung mit zehn Prozent der Wählerstimmen ins Parlament eingezogen. Palikot, der auch laizistische Forderungen vertritt (Kruzifixe hinaus aus dem Parlament) gilt den polnischen Humanisten als Provokateur und sie sind sehr verunsichert, was sie von dem Erfolg halten sollen.
- Soll es Religions-/Weltanschauungsunterricht in Schulen geben? In Polen, Großbritannien (NSS) heißt es: Nein! (Organisationen sind draußen, Kirchen sollen auch hinaus). In Deutschland (HVD), Niederlande und Belgien: Ja! (Organisierter Pluralismus)
- In Frankreich gibt es die Fedération Nationale de la Libre Pensée (die sich als rationalistisch und radikal atheistisch versteht), die größte Organisation ist jedoch La Lique de l’Enseigement, die weltoffener ist, rund 35.000 Gruppen organisiert und einen pluralistischen Dialog pflegt. Kleiner ist L’Union des Familles Laïques (UFAL) die rund 3.000 Vereinigungen organisiert, die sich für Familien einsetzen und sich als antiklerikal, aber nicht antireligiös verstehen. Schließlich gibt es noch die Organisation L’Egale, die sich, 2004 gegründet, als Plattform zum Erhalt öffentlicher Schulen versteht, gegen Verschleierung arbeitet und maßgeblich das Burka-Verbot in Frankreich beeinflusst hat.
- In Belgien ist die Situation historisch so entstanden, dass sich Liberale und Konservative verbündet hatten, um sich zu befreien und so gibt es einerseits eine Trennung von Staat und Kirche (Liberale), andererseits eine staatliche Finanzierung der anerkannten Religionen (Konservative). Entsprechend der sprachlich-politischen Unterteilung des Landes gibt es in der Wallonie (näher am französischen Laizismus) das Centre d’Action Laïque (CAL), das sich vorrangig als gesellschaftskritisch versteht. In Flandern besteht die Organisation DeMens.nu („Der Mensch.jetzt”), die frühere Unie Vrijzinnige Verenigingen (UVV), deren Konzentration auf mitmenschliche Dienstleistungen liegt. Die Gemeinsamkeit beider Organisationen liegt im aktiven Pluralismus und einem positiven Humanismus.
- Ein Streifzug durch die Niederlande, Großbritannien, die USA und die IHEU zeige, dass es überall Diskussionen über die Art der Religionskritik gebe und die Schriften von Richard Dawkins eine Art klärendes „Scheidewasser” seien. Insbesondere bestehe ein schwieriges Verhältnis zwischen Religionskritik und positivem Humanismus.
- Insofern sei es in Deutschland nicht anders als in Europa und weltweit.