Richtungen des Laizismus

Dr. Dr. Joachim Kahl (Freiberuflicher Philosoph), der kurzfristig eingesprungen war, referierte über „Staatliche Festakte und Gedenkfeiern – Prüfstein für pragmatischen Laizismus und kluge Gleichbehandlungsstrategie”.

Drei Punkte waren für ihn dabei wesentlich:

• In einem Leserbrief in der Frankfurter Rundschau (Druckausgabe, 30.11.2011) hatte sich Helge Nyncke über die „Würdige Form des Gedenkens” geäußert und den möglichen Gedenk­gottes­dienst für die muslimischen Nazi-Opfer kritisiert. Diesen Brief nahm Kahl als ersten Prüfstein für sein Thema und stimmte Nyncke zu, dass eine nicht-religiöse Trauer­feier nicht nur den Opfern angemessen, sondern auch ein Wendepunkt in Deutschland wäre, sowie dem, dass für Empathie und menschliche Nähe in pluralen Gesell­schaften nur nicht-religiöse Räumlich­keiten angemessen seien. Kritik­würdig fand Kahl dann aber den Ressentiment­geladenen Ton, mit dem der Bundes­präsident als „Wulff im Schafspelz” und „religions­anbiedernd” angegangen werde, dann aber als „Regisseur” bezeichnet werde. Wenn er denn der Regisseur sei, dann solle man ihn für sich gewinnen.

• Die Einladung eines humanistischen Rednerin zur Amts­einführung des Staatspräsidenten Irlands befand Dr. Dr. Joachim Kahl als „Eine Kultur­revolution!” – schließlich ging die Christianisierung Europas von Irland aus. Die Teilnahme der Humanistin stehe für ihn im Gegensatz zu einem dogmatischen radikalen Laizismus, es sei aus seiner Sicht eine „goldrichtige Entscheidung”.

• Schließlich hielt Kahl ein Plädoyer für eine „Ökumenizität”. Ökumene sei ein klassischer Begriff, der auf Epikur zurückgehe und die „Weite” meint „alle Gegenden, wo Menschen leben”. In Deutschland heiße Ökumene aber Enge und sei kirchlich vereinnahmt als „Schrumpf-Ökumene”. Ein „Ökumenischer Gottesdienst” sei insofern ein Wider­spruch in sich selbst, da er die Nicht-Gläubigen ausschließe. Man müsse den Begriff aus der kirchlichen Verein­nahmung zurück­gewinnen und ihn mit der Bedeutung „Gleich­berechtigung” aller verbinden.

Dafür wurde er in der anschließenden Diskussion aber grund­sätzlich kritisiert, da es unverständlich bleibe und man religiöse Begriffe nicht wieder zurückholen könne.

Dr. Horst Groschopp (Kulturwissenschaftler und Direktor der Humanistischen Akademie) sprach zum Thema „Organisierter Humanismus zwischen Konfession und Kulturorganisation”. Da wesentliche Teile des Textes bereits in gedruckter Form verfügbar sind (Humanismus als Kulturbewegung und Humanismus), hier nur ein paar Hinweise zu seinen Fragen zum Thema: Laienwelt/Freidenkerorganisationen/Humanismus.

Der Begriff Laie war (als Ungebildete, Ungelernte) der Gegen­begriff zum christlichen Klerus. In der Mitte des 19. Jahrhunderts entstehen jedoch frei­religiöse Gemeinden, d.h. nicht kirchliche Laien­organisationen, aus denen sich dann der Begriff des Laizismus her ableitet – im Gegen­satz zur Staats­religion und zum staat­lichen Kultus(!)ministerium. Diese ersten Freidenker waren bürgerlich, dem Liberalismus verpflichtet und als Kultur­organi­sationen begründet worden. (Die sozial­demo­kratischen Freidenker bilden sich dann erst Ende des 19. Jahrhunderts, in der Zeit der Sozialisten­gesetze). Die „Laienwelt” war somit der Lebensraum außerhalb der Religionen.

Mittlerweile haben wir das Ende der priesterlichen Herrschafts­form, und Priester sind heute nur noch Teil eines arbeits­teiligen Systems der Kultur­vermittlung: Die Modernität kann man aus ihrer Sicht auch als „Zersetzungs­vorgang” beschreiben. Humanismus und Priester­schaft widersprechen sich.

Wo ist jedoch, fragte Dr. Horst Groschopp, der Platz der säkularen Organisationen? Womit und wie wollen sie Alter­nativen sein? Wenn es nur Kultur­organisationen sind, braucht es keinen Humanismus. Dafür braucht es mehr.

In der „Kultur-Enquete” des Deutschen Bundes­tages werden säkulare Organisationen nur am Rande erwähnt, und zudem der Humanistische Verband mit der Humanistischen Union verwechselt. Dabei habe, so Groschopp, der Humanistische Verband als einzige Organisation in Deutschland eine Welt­anschauungs­strategie (Humanistische Konfession) als Humanismus. Daraus folge die Forderung nach Gleich­behandlung mit den Religionen bei gleichzeitiger Subsidiarität und Trennung von Staat und Kirche.