Helmut Fink (Physiker und Vorsitzender des Humanistischen Verband Bayerns) referierte zum Thema „Positive oder negative Gleichbehandlung. Was fordern die Säkularen?” und meinte gleich zu Beginn: „Es kommt darauf an.” Nach einer Abfolge sorgfältiger Definition zu „Die Säkularen”, „Weltanschauung”, „Weltanschauungsgemeinschaft”, „Gleichbehandlung” kam er auf den thematischen Kern der Konferenz: „positive und negative Gleichbehandlung”.
Eine Zwischenbemerkung: Hinsichtlich der Frage der Gleichbehandlung hätten diejenigen, die für eine positive(!) Gleichbehandlung plädieren, stets einen sprachlich-assoziativen Vorteil gegenüber denen, die für eine negative (!)Gleichbehandlung sind, da die „positive” dann auch noch mit „Aufbau”, „Anheben” und „alle rein” verbunden ist – wer sollte denn etwas dagegen haben? -, während diejenigen, die als Laizisten die komplette Trennung anstreben, mit den Begriffen „Abbau”, „Absenken” und „alle raus” verknüpft werden.
Helmut Fink sieht jedoch zwischen Laizismus (Trennung, Säkularisierung) und einer Rollentrennung (einer staatlichen Neutralität durch Äquidistanz gegenüber allen Weltanschauungsgemeinschaften) keinen Gegensatz, sondern Vereinbarkeiten.
Beide Richtungen sind begründbar. Auch wenn es Streitpunkte gebe (Seelsorge, Staatsverträge, Privatschulen, u.a.m.), seien sie keine Gegenrichtungen, die sich ausschließen. Anhand eines Diagramms veranschaulichte er seine Auffassung von mindestens zwei Dimensionen. Die eine lässt Positionierungen mit einer „Säkularisierung” zu (mehr oder weniger), die andere eine Positionierung auf einer Achse von organisierten Weltanschauungen (religiös bis humanistisch).
Themenspezifisch seien dann jeweils unterschiedliche Lösungen möglich. Themen gebe es hinreichend viele. In der Reihenfolge eines „Trennungsdrucks” formulierte er (mit absteigender Priorität, also das Wichtigste zuerst): 1. Staatlicher Einzug der Mitgliedsbeiträge, 2. Religiös-weltanschauliche Symbole in Schulen und Gerichtssälen, 3. § 166 StGB („Gotteslästerung”), 4. Konkordatslehrstühle, 5. Kirchenaustritt bei staatlichen Stellen, 6. Eintrag auf der Lohnsteuerkarte, 7. Körperschaftsstatus, 8. Lehrerausbildung, 9. Bekenntnisfächer an Schulen, 10. Privatschulen, 11. Sozialdienstleistungen, 12. Seelsorge/Humanistische Betreuung, 13. Beratungsstellen, 14. Präsenz in den Medien.
Die Forderungen müssen seiner Ansicht nach auch logisch konsistent ein. Was gehe, seien beispielsweise Formulierung des „So lange”, also: „So lange die anderen das bekommen, wollen wir das auch. Aber eigentlich sind wir dagegen.”
Abschließend sprach Michael Bauer (Hauptamtlicher Vorstand des Humanistischen Verbands Bayern und Mitglied im Sprecherkreis der SPD-Laizisten) über „Laizismus – Streitergebnisse in Deutschland 2010/11 aus parteipolitischer Sicht.” Hinsichtlich des Politikfeldes „Religionspolitik” sprach er erst über die Akteure, dann über Strukturen und gab abschließend einen Überblick über die Parteien.
Bei den Akteuren der Religionspolitik hätten die Christen in allen Parteien teilweise prominent besetzte Arbeitskreise, zudem gebe es hauptamtliche Kontaktstellen zu den Kirchen in den Parteien, wie auch alle Fraktionen Religions-/Kirchenpolitische Sprecher hätten. Der Islam sei zwar nicht so prominent vertreten, aber es gebe eine ganze Anzahl von Innen- und Integrationspolitikern, die sich für den Islam einsetzen. In der „Fläche” (Parteien, Kommunen, etc.) redete dagegen jeder über Religion, gleichgültig, ob dafür qualifiziert oder nicht, nach dem Prinzip: „Jeder kann, jeder darf”.
Bei den Strukturen der Religionspolitik gebe es massive ökonomische Interessen, vor allem bei Caritas und Diakonie. Im Unterschied zu den Lobbyisten anderer Organisationen betrieben die Christen eine offene und unverdeckte Lobbyarbeit. Ein Beispiel sei Kerstin Griese, MdB und Vorsitzende der Christinnen und Christen in der SPD, die hauptamtlich im Hauptvorstand des Diakonischen Werkes tätig sei.
Es bestünden vielfache Querbeziehungen zwischen Politikern und Zentralkomitee der deutschen Katholiken, zur Synode der EKD, zum Kirchen- und Katholikentag, etc. Dieses Geflecht sei aber einerseits strukturell konservativ und defensiv ausgerichtet, eine Innovation erfolge allenfalls durch Ausweitung auf andere Politikfelder, andererseits sei es aber auch diffus, weil kirchliche Interessen sich in vielen Querschnitten mit diversen Politikfeldern befinde. Politiker würden diese Strukturen auch zur Gewinnung von Wählerstimmen verwenden, indem sie die appellative Funktion von Religion für sich nutzten.
Hinsichtlich der Parteien gebe es bei der CDU/CSU gegen den Laizismus teilweise heftige Abwehrreaktionen. Traditionell gebe es in der CDU/CSU eine Bindung an die (katholische) Kirche, die sich auch in der Sichtbarkeit von Kruzifixen ausdrückt. Allerdings habe die CSU in Bayern unter Ministerpräsident Stoiber eine Reduzierung der katholisch-theologischen Lehrstühle durchgesetzt. Auch bei ethischen Entscheidungen gebe es differenzierte Positionen, wobei eine „populistische Wendigkeit” manchmal nicht auszuschließen sei.
Die FDP stehe programmatisch traditionell in einer kirchenkritischen Position (Kirchenpapier, 1974; Wiesbadener Grundsätze, 1997). In Betonung der „offenen Bürgergesellschaft” sei Toleranz und Respekt auch vor nicht-religiösen Überzeugungen programmatisch. Aber, so Michael Bauer, die papierne Wahrheit unterscheide sich durchaus von der Realität.
Die Linke sei traditionell atheistisch, vor allem in der Verankerung im ostdeutschen Volksatheismus. Es gebe zwar prominente Christen in der Führung der Partei, programmatisch würden aber eindeutig kirchenferne Positionen formuliert (Erfurter Programm 2011).
Bei den Grünen bestünden vorrangig freiheitliche und integrationspolitische Perspektiven sowie der Schutz der negativen Religionsfreiheit. In der Programmatik werde eine staatliche Äquidistanz zu allen Weltanschauungen als Hüter des Pluralismus betont.
Die SPD habe eine lange laizistische Tradition. Mit dem Godesberger Programm sei dann der Versuch unternommen worden, auch den Kirchen verbundene Wähler anzusprechen. Es gebe zudem einige Bündnisse mit den Kirchen bei Fragen des Friedens, der Atompolitik sowie der Ökologie. Zudem fand in der DDR die Gründung des Ost-SPD in einem Pfarrhaushalt statt.
Insgesamt gebe es eine Auflösung sozialdemokratischer Milieus, wofür ein Beispiel die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sei, die sich selber in der Tradition von Christus sieht. Es gibt aber auch in der SPD positive Einstellungen zum Laizismus, wie das Kirche-Staat-Papier (29.6.2011) der bayerischen SPD-Landtagsfraktion.
Zu den SPD-Laizisten gab Michael Bauer einen Überblick seit der Gründung im Oktober 2010. Einerseits gab es (Mai 2011) die einstimmige Ablehnung eines Arbeitskreises durch den Parteivorstand, andererseits die einstimmige Anerkennung (Juli 2011) des „Gesprächskreises Humanisten und Konfessionsfreie” durch den Landesvorstand der SPD in Bayern.
Das Fazit von Michael Bauer: Laizisten will keiner, Humanisten/Konfessionsfreie gehen, aber nur eventuell, denn auch von den SPD-Laizisten wurde bei den Diskussionen des „Roßdorfer Signal” der Vorschlag einer Namensänderung in "Humanisten und Konfessionsfreie" nicht angenommen. Seiner Einschätzung nach wird mit der Forderung nach Gleichbehandlung und Äquidistanz mehr für die Laizität erreicht, als durch die Forderung nach Laizismus. Parteipolitisch seien Initiativen, die positiv argumentieren, erfolgversprechender.
C.F.