Hessen: Wirrer Reformstreit um Feiertagsgesetz

Zwischenbilanz: Genau 75 Prozent der vom hessischen Gesetz festgelegten Gedenk- und Feiertage nehmen derzeit einen ausdrücklichen Bezug auf religiöse Inhalte des Christentums. Die Verhältnisse stehen da im Kontrast zur sozialen Realität, wo aber doch immer noch mit 63,5 Prozent die christliche Konfessionsgruppe die zahlenmäßig größte ist. Zudem sollen rund 10 Prozent der Menschen in Hessen Muslime sein, die restliche Bevölkerung besteht aus konfessionellen Minderheiten oder Konfessionsfreien. Klar ist den meisten aber auch, dass gesetzliche Feiertage nicht nach proportionalen Verhältnissen der Konfessionsgruppen ausgerechnet werden können.

Doch wie dann? Der Plan bei den Grünen dazu sieht wie folgt aus: Die Feiertage von „anerkannten und großen Religionsgemeinschaften“ sollen unter dem besonderen Schutz des Staates stehen. Wo die Gläubigen also ihre Festzelte und Altäre aufstellen wollen, müssen nichtreligiöse Gruppen generell abrücken: Es gibt definitiv keinen stillen Tanz-Flashmob an Karfreitag auf dem Römerberg, solange dort Katholiken prozessieren möchten.

Und zahlenmäßig „groß“ muss eine Konfessionsgemeinschaft nicht mal sein. „Anerkannt sind jedenfalls diejenigen, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert sind, unabhängig von der Zahl ihrer Mitglieder“, erklärte der rechtspolitische Sprecher der hessischen Grünen, Andreas Jürgens auf Nachfrage. Dazu gehörten auch die jüdischen Gemeinden, „ansonsten soll der Schutz auch nicht öffentlich-rechtlich organisierten Gemeinschaften wie z.B. den Muslimen zukommen, wenn sie durch die Anzahl ihrer Mitglieder eine gesellschaftlich relevante Größe darstellen und im öffentlichen Leben eine wahrnehmbare Rolle spielen.“ Im öffentlichen Leben eine wahrnehmbare Rolle spielen? Davon können die christlichen Gläubigen in Frankfurt am Main ein Lied singen, nach den Auftritten von Pierre Vogel & Co. im vergangenen Jahr.

Zwar kündigten die Grünen an, „mit vielen gesellschaftlichen Gruppen, selbstverständlich auch mit den Kirchen, diskutieren“ und dabei auch nichtreligiöse Gruppen anhören zu wollen. Doch deutlich wird, dass man in Hessen von einer säkularen und nüchternen Betrachtung des Themas noch weit entfernt ist.

Gewiss wird wohl auch in Zukunft niemand ernsthaft Weihnachten – das tatsächlich einen naturgeschichtlichen Hintergrund hat – abschaffen wollen, aber eine Novellierung, welche den Schutz sowie den Namen der Feiertage nach einem tatsächlichen kulturellen Gehalt und Sinnverständnis bei der Bevölkerung bemisst, ohne dabei ständig explizit auf religiöse Themen abzustellen, ist noch lange nicht in Sicht. Oder glauben die Hessen wirklich noch alle an die Auferstehung und Himmelfahrt des sagenhaften Jesus – warum sollen also 100 Prozent der Menschen in Hessen sich ihre Feiertagskultur vom überholten Glauben einer unaufgeklärten Minderheit bestimmen lassen?

Das Anliegen der Linkspartei hingegen, den Internationalen Frauentag zum gesetzlichen Feiertag zu machen, steht auf jeden Fall ganz hinten an. „Generell sollte man allerdings mit gesetzlichen Feiertagen ‚sparsam umgehen‘, damit der einzelne nicht zu sehr entwertet wird“, erklärte Grünen-Sprecher Andreas Jürgens dazu.

Und zur Frage nach der Ursache dafür, dass bei der Debatte um die hessische Feiertagskultur denn ausgerechnet die Religionen den Ton angeben müssten, verwies Jürgens auf das Grundgesetz. Denn dort steht: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ Das Fliegende Spaghettimonster komme.

Und damit nicht noch mehr Menschen in den kommenden Wochen gefährliche Denkanstöße erhalten, traf man sich in Frankfurt am Main mit den Diskotheken-Betreibern auf halber Strecke. Ordnungsdezernent Markus Frank sagte, dass es in diesem Jahr keine großangelegten Kontrollen geben soll. Vorerst soll nur bei Beschwerden eingegriffen werden.

Arik Platzek

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