Rassismus oder Tradition?

Ein Firmenlogo scheidet die Geister

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Auf Facebook wird mit einer Fotokampagne gegen das problematische Logo protestiert
#wegmitdemlogo – Screenshoot

MAINZ. (hpd) Ist die stereotype Darstellung eines dunkelhäutigen Menschen im Logo einer Mainzer Bedachungsfirma rassistisch oder eine humorvolle Tradition? Seit Monaten sorgt diese Frage in der Landeshauptstadt für Diskussionen und erregt mittlerweile auch überregional Aufmerksamkeit. Eine Übersicht der Ereignisse.

„Humba Täterä!“ - so schallt es alljährlich während des Karnevals durch die Lande. Tatsächlich schaffte es die Originalversion des Klassikers 1964 sogar bis in die Top 20 der deutschen Charts. Interpretiert wurde sie von dem Mainzer Sänger und Dachdecker Ernst Neger. Inspiriert von seinem Nachnamen nutzte er für seine Bedachungsfirma bereits ab den 1950ern ein Logo, das einen stilisierten dunkelhäutigen Menschen mit übergroßen Ohrringen und Lippen zeigt. Dem Vorwurf des Rassismus musste sich Ernst Neger wohl selten stellen. Ganz im Gegensatz zu seinem Enkel, Unternehmer Thomas Neger, der zudem für die CDU im Mainzer Stadtrat sitzt. Er erbte nicht nur den ungewöhnlichen Nachnamen seines Großvaters, sondern auch dessen Liebe zum Fasching und den Familienbetrieb. Letzterer wird nach wie vor durch das mittlerweile berüchtigte Logo repräsentiert. Thomas Neger sah es, wie er in Interviews stets betont, nie als Problem an. Im Gegenteil, es habe Tradition. Außerdem hätten sich in all den Jahren schwarze Mitarbeiter wie auch Freunde nie daran gestört.

Doch gerade in den letzten Jahren zeigte sich vermehrt Protest an der stereotypen Abbildung, der sich nun zuspitzt. In der Mainzer Innenstadt tauchten Anfang Februar Aufkleber mit einem Porträt Thomas Negers samt den Parolen „Rassismus ein Gesicht geben“ und „Weg mit dem scheiß Logo. Rassismus fängt im Alltag an“ auf. Neger stellte daraufhin Strafanzeige, die Ermittlungen laufen bereits. Er könne dies nicht als „konstruktive Kritik“ des Firmenlogos sehen. Doch auch Letztere formiert sich bereits seit geraumer Zeit. Der Fachschaftsrat der Ethnologie und Afrikastudien an der Universität Mainz äußerte sich im Februar 2014 in einer Pressemitteilung kritisch zu der Darstellung und rief die Firma Neger zum Überdenken selbiger auf. Seit diesem Jahr organisiert sich der Widerstand vor allem über die sozialen Netzwerke. Die Facebook-Seite „Das Logo muss weg - Für eine Welt ohne Rassismus“ initiierte gemeinsam mit der Hochschulgruppe People of Color unter dem Hashtag #wegmitdemlogo eine Fotokampagne, bei der sich dunkel- wie auch hellhäutige Menschen gegen das Logo positionieren. Neben starkem Zuspruch schlug der Aktion wie auch dem Fachschaftsrat allerdings ebenso heftige Kritik entgegen, bis hin zu Gewaltandrohungen. Auch die CDU in Mainz steht hinter ihrem Stadtrat und hält die Diskussion für überflüssig.

Sauer aufstoßen dürfte dem Kommunalpolitiker eine Äußerung, die er in einem Interview mit der Allgemeinen Zeitung im Dezember 2013 fallen ließ. Demnach würde er seine Haltung sofort überdenken, „sollte ein schwarzer Mensch zu mir kommen, der sich wegen des Logos beleidigt fühlt.“ Dies bekräftigte er im März diesen Jahres nochmals in einem polemischen Statement auf seiner Facebook-Seite, das er allerdings kurze Zeit später wieder löschte. Seine Aussage gelte demnach zwar noch, allerdings interpretierten die schwarzen Menschen, die das Logo kritisieren, es nur nicht richtig. Für ihn gelte nur die Meinung der angeblichen Mehrheit von Schwarzen, die es nicht rassistisch und somit richtig interpretiere. Darüber hinaus organisiert sich die Pro-Seite, die sich solidarisch mit ihm zeigt, seit wenigen Wochen unter dem Titel „Ein Herz für Neger“ nun auch auf Facebook.

Mittlerweile sorgt die Debatte auch überregional für Aufsehen, sogar die Washington Post berichtete. Wie deren Artikel richtig feststellt, kann Thomas Neger nichts für seinen Nachnamen und Namensänderungen sind in Deutschland tatsächlich schwierig und kostspielig. Als sein Großvater die Abbildung einführte, war der Begriff auch noch nicht negativ besetzt. „Neger“ fand gerade im 18. und 19. Jahrhundert, vor allem im Zuge des Kolonialismus, Eingang in die deutsche Sprache und wurde bis in die 60er-Jahre noch ohne Bedenken gebraucht. Beeinflusst durch die amerikanische Bürgerrechtsbewegung gelangte dann seine rassistische Konnotation ins allgemeine Sprachbewusstsein, da der Ausdruck wesentlich durch Rassentheorien und kolonial-rassistische Stereotype geprägt wurde.

Sprache und Gesellschaft unterliegen einem ständigen Wandel. Sprachliche Diskriminierung, etwa in Form von Rassismen und Sexismen, schaffte es erst in den vergangenen Jahrzehnten zu einem breiten öffentlichen Diskurs, ihre Überwindung in der täglichen Kommunikation dauert an. Das zeigt sich beispielsweise auch in der aktuellen Gender-Debatte. In Mainz stehen sich die Lager erbittert gegenüber. Gerade in den Kommentaren unter Beiträgen der beiden Facebook-Seiten kommt es zu verbalen Attacken zwischen den Befürwortern und Kritikern Thomas Negers. Wie soll die Diskussion friedlich enden?

Matthias Krings, Professor für Ethnologie an der Universität Mainz, fasste die Situation treffend zusammen: Thomas Neger sei kein Rassist. Das müsse auch all seinen Kritikern klar werden. Sein Firmenlogo sei indes eindeutig rassistisch. Inzwischen könne er es wohl nicht mehr einfach ändern, da es ihm sonst schwerfallen dürfte, öffentlich sein Gesicht zu wahren. Ziel müsse es daher sein, beide Parteien zum Dialog zu bewegen, um zu einer Einigung zu gelangen.

Freilich bedeutet das auf lange Sicht eine Änderung des Logos. Vielleicht könnte es ja im Rahmen einer Publicity-Aktion samt einer „Aussöhnung“ zwischen Thomas Neger und seinen Kritikern, etwa in Form des Fachschaftsrats Ethnologie, gelingen und sich letztlich sogar geschäftsfördernd für ihn auswirken. Das ist jedoch recht unwahrscheinlich, habe er doch, wie er mehrfach deutlich machte, kein Interesse an einem neuen Logodesign oder weiteren Diskussionen. Einmal mehr stehen, wie in der Debatte um Genderismen, konservative und progressive Meinungen einander entgegen und die Streitkultur hält an.