MAINZ. (hpd) Ist die stereotype Darstellung eines dunkelhäutigen Menschen im Logo einer Mainzer Bedachungsfirma rassistisch oder eine humorvolle Tradition? Seit Monaten sorgt diese Frage in der Landeshauptstadt für Diskussionen und erregt mittlerweile auch überregional Aufmerksamkeit. Eine Übersicht der Ereignisse.
„Humba Täterä!“ - so schallt es alljährlich während des Karnevals durch die Lande. Tatsächlich schaffte es die Originalversion des Klassikers 1964 sogar bis in die Top 20 der deutschen Charts. Interpretiert wurde sie von dem Mainzer Sänger und Dachdecker Ernst Neger. Inspiriert von seinem Nachnamen nutzte er für seine Bedachungsfirma bereits ab den 1950ern ein Logo, das einen stilisierten dunkelhäutigen Menschen mit übergroßen Ohrringen und Lippen zeigt. Dem Vorwurf des Rassismus musste sich Ernst Neger wohl selten stellen. Ganz im Gegensatz zu seinem Enkel, Unternehmer Thomas Neger, der zudem für die CDU im Mainzer Stadtrat sitzt. Er erbte nicht nur den ungewöhnlichen Nachnamen seines Großvaters, sondern auch dessen Liebe zum Fasching und den Familienbetrieb. Letzterer wird nach wie vor durch das mittlerweile berüchtigte Logo repräsentiert. Thomas Neger sah es, wie er in Interviews stets betont, nie als Problem an. Im Gegenteil, es habe Tradition. Außerdem hätten sich in all den Jahren schwarze Mitarbeiter wie auch Freunde nie daran gestört.
Doch gerade in den letzten Jahren zeigte sich vermehrt Protest an der stereotypen Abbildung, der sich nun zuspitzt. In der Mainzer Innenstadt tauchten Anfang Februar Aufkleber mit einem Porträt Thomas Negers samt den Parolen „Rassismus ein Gesicht geben“ und „Weg mit dem scheiß Logo. Rassismus fängt im Alltag an“ auf. Neger stellte daraufhin Strafanzeige, die Ermittlungen laufen bereits. Er könne dies nicht als „konstruktive Kritik“ des Firmenlogos sehen. Doch auch Letztere formiert sich bereits seit geraumer Zeit. Der Fachschaftsrat der Ethnologie und Afrikastudien an der Universität Mainz äußerte sich im Februar 2014 in einer Pressemitteilung kritisch zu der Darstellung und rief die Firma Neger zum Überdenken selbiger auf. Seit diesem Jahr organisiert sich der Widerstand vor allem über die sozialen Netzwerke. Die Facebook-Seite „Das Logo muss weg - Für eine Welt ohne Rassismus“ initiierte gemeinsam mit der Hochschulgruppe People of Color unter dem Hashtag #wegmitdemlogo eine Fotokampagne, bei der sich dunkel- wie auch hellhäutige Menschen gegen das Logo positionieren. Neben starkem Zuspruch schlug der Aktion wie auch dem Fachschaftsrat allerdings ebenso heftige Kritik entgegen, bis hin zu Gewaltandrohungen. Auch die CDU in Mainz steht hinter ihrem Stadtrat und hält die Diskussion für überflüssig.
Sauer aufstoßen dürfte dem Kommunalpolitiker eine Äußerung, die er in einem Interview mit der Allgemeinen Zeitung im Dezember 2013 fallen ließ. Demnach würde er seine Haltung sofort überdenken, „sollte ein schwarzer Mensch zu mir kommen, der sich wegen des Logos beleidigt fühlt.“ Dies bekräftigte er im März diesen Jahres nochmals in einem polemischen Statement auf seiner Facebook-Seite, das er allerdings kurze Zeit später wieder löschte. Seine Aussage gelte demnach zwar noch, allerdings interpretierten die schwarzen Menschen, die das Logo kritisieren, es nur nicht richtig. Für ihn gelte nur die Meinung der angeblichen Mehrheit von Schwarzen, die es nicht rassistisch und somit richtig interpretiere. Darüber hinaus organisiert sich die Pro-Seite, die sich solidarisch mit ihm zeigt, seit wenigen Wochen unter dem Titel „Ein Herz für Neger“ nun auch auf Facebook.
Mittlerweile sorgt die Debatte auch überregional für Aufsehen, sogar die Washington Post berichtete. Wie deren Artikel richtig feststellt, kann Thomas Neger nichts für seinen Nachnamen und Namensänderungen sind in Deutschland tatsächlich schwierig und kostspielig. Als sein Großvater die Abbildung einführte, war der Begriff auch noch nicht negativ besetzt. „Neger“ fand gerade im 18. und 19. Jahrhundert, vor allem im Zuge des Kolonialismus, Eingang in die deutsche Sprache und wurde bis in die 60er-Jahre noch ohne Bedenken gebraucht. Beeinflusst durch die amerikanische Bürgerrechtsbewegung gelangte dann seine rassistische Konnotation ins allgemeine Sprachbewusstsein, da der Ausdruck wesentlich durch Rassentheorien und kolonial-rassistische Stereotype geprägt wurde.
Sprache und Gesellschaft unterliegen einem ständigen Wandel. Sprachliche Diskriminierung, etwa in Form von Rassismen und Sexismen, schaffte es erst in den vergangenen Jahrzehnten zu einem breiten öffentlichen Diskurs, ihre Überwindung in der täglichen Kommunikation dauert an. Das zeigt sich beispielsweise auch in der aktuellen Gender-Debatte. In Mainz stehen sich die Lager erbittert gegenüber. Gerade in den Kommentaren unter Beiträgen der beiden Facebook-Seiten kommt es zu verbalen Attacken zwischen den Befürwortern und Kritikern Thomas Negers. Wie soll die Diskussion friedlich enden?
Matthias Krings, Professor für Ethnologie an der Universität Mainz, fasste die Situation treffend zusammen: Thomas Neger sei kein Rassist. Das müsse auch all seinen Kritikern klar werden. Sein Firmenlogo sei indes eindeutig rassistisch. Inzwischen könne er es wohl nicht mehr einfach ändern, da es ihm sonst schwerfallen dürfte, öffentlich sein Gesicht zu wahren. Ziel müsse es daher sein, beide Parteien zum Dialog zu bewegen, um zu einer Einigung zu gelangen.
Freilich bedeutet das auf lange Sicht eine Änderung des Logos. Vielleicht könnte es ja im Rahmen einer Publicity-Aktion samt einer „Aussöhnung“ zwischen Thomas Neger und seinen Kritikern, etwa in Form des Fachschaftsrats Ethnologie, gelingen und sich letztlich sogar geschäftsfördernd für ihn auswirken. Das ist jedoch recht unwahrscheinlich, habe er doch, wie er mehrfach deutlich machte, kein Interesse an einem neuen Logodesign oder weiteren Diskussionen. Einmal mehr stehen, wie in der Debatte um Genderismen, konservative und progressive Meinungen einander entgegen und die Streitkultur hält an.
1 Kommentar
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ein klassisches Fettnäpfchenthema. Also stürzt ich mich mal mutig mittenrein. Ich glaube ja noch immer an die Meinungsfreiheit in Deutschland - auch nach Charlie Hebdo...
Ich gehe bei dieser sehr berechtigten Debatte gerne systematisch vor:
1. Was heißt "Neger"?
Dies leitet sich ab von negroid, bzw. niger was deskriptiv "schwarz" oder "Schwarzer" bedeutet. Im Wort Neger an sich ist also ein differenzierendes Merkmal, aber kein originär abwertendes.
2. Warum ist "Neger" zu einem Unwort geworden?
Es ist der rassistische Gebrauch dieses Wortes, so wie auch z.B. "Jude", "Zigeuner", "Schwuler", "Lesbe" negativ konnotiert wurden und werden. Ursprünglich waren auch vorgenannte Begriffe ohne negative Bedeutung. Diese erlangten sie durch deren Gebrauch durch Rassisten oder wenig empathische Menschen. Der ursprünglich harmlose Begriff "Zigeuner" (der eben nicht von "Zieh-Gauner" abstammt) wurde inzwischen durch das Kunstwort "Sinti und Roma" ersetzt (Kunstwort deswegen, weil es entweder Sinti oder Roma gibt, aber keine Sinti und Roma), doch Jude, Schwule und Lesben darf man (wieder) sagen, ohne Anstoß zu erregen.
3. Wer ist verantwortlich für die Bedeutung eines Wortes?
Ich habe Schimpfworte ausgeklammert und werde es weiter tun, weil zwar auch z.B. "Sau" ein Tier beschreibt (so gesehen harmlos ist), aber auf einen Menschen angewandt eine Identifikation dieses Menschen mit säuischem Verhalten bedeuten würde. "Neger" ist jedoch stets die Beschreibung eines dunkelhäutigen (schwarzen) Menschen. In diesen Fällen wird ein Wort rassistisch oder beleidigend, wenn es in rassistischer oder beleidigender Absicht ausgesprochen oder verwendet wird, was beim Wort "Neger" zweifelsfrei geschehen ist. "Jude" wurde und wird von Randgruppen der Gesellschaft (einst leider auch der Mehrheitsgesellschaft) in rassistischer oder beleidigender Absicht verwendet. Das führte aber nicht dazu, dass die Bezeichnung eines Menschen jüdischen Glaubens geändert wurde. Wer als Argument einführt, dass "Neger" ein von außen dunkelhäutigen Menschen aufgeprägter Begriff sei, hat Recht. Doch dies betrifft fast alle anderen Bezeichnungen für Ethnien. Die "Hebräer" entstammen den Begriffen "hpr" oder "Apiru", was ursprünglich sogar ein Schimpfwort war. Die gleiche Fremdentstehung gilt für "Jehudi" (= Jude). Auch "Deutsch" entstammt einem lateinischen Begriff, der von römischen Besatzern Germaniens wenig achtungsvoll geprägt wurde.
4. Darf man dunkelhäutige Menschen abbilden?
Ich hoffe doch sehr, dass der Rassismus nicht so weit geht, dass die Abbildung dunkelhäutiger Menschen verboten wird. Ich kriege schon Hitzepickel, wenn man religiöses Personal nicht abbilden soll. Die Frage ist hierbei die der Persönlichkeitsrechte. Ein konkreter Schwarzer dürfte nicht ohne dessen Einverständnis gezeigt werden. Anders ist es mit Personen des öffentlichen Lebens, z.B. Martin Luther King. Ein stilisierter Schwarzer, der keine individuellen Züge trägt ist als Symbol selbstverständlich abbildbar, solange damit keine abwertende Meinung kundgetan wird.
5. Was ist nun mit Ernst Negers Betrieb, bzw. seines Enkels?
Wie auch immer die Familie zu dem Namen kam, es ist nun mal der Name. Wenn ich die Sprachbereinigung konsequent durchführen würde, dann müsste man Thomas Neger dazu zwingen, seinen Namen zu ändern. Vielleicht ist dies ja bereits bei Alice Schwarzer geschehen... :-)
Jetzt stelle man sich einmal vor, der Opa von Thomas hätte Ernst Cracker geheißen und er wäre ein Schwarzen gewesen. Und dann hätte er dieses Schimpfwort für Weiße in Form eines stilisierten Weißen in sein Logo einbauen lassen. Was wäre dann?
6. Wie könnte man diesen Streit beilegen?
Zuvörderst müsste anerkannt werden, dass weder Thomas Neger noch sein Opa Rassisten waren, sondern Humoristen, primär sogar Dachdecker. D.h. das Logo ist nicht in beleidigender Absicht entstanden, sondern als humoristische Verhohnepipelung des eigenen Namens. Mit diesem Logo ist nur ein einziger Neger gemeint, nämlich Ernst Neger.
Dass heute selbst Negerküsse (etwas extrem positiv Besetztes) nicht mehr erlaubt sind (die Zigeunersauce gibt es aber noch), mag man akzeptieren, weil sie nicht von einem Herrn Neger erfunden wurden. Aber was, wenn z.B. Ernst Neger den Negerkuss erfunden hätte? So, wie viele Produkte nach ihrem Erfinder benannt sind? Müsste man dann auch den Namen ändern?
Fazit: Wenn niemand mehr, der das Wort "Neger" oder Logos von "Negern" verwendet, rassistisch oder fremdenfeindlich denkt, sondern stattdessen keinen Unterschied bei Ethnie oder Geschlecht macht, dann wäre dies ein größerer Sieg der Vernunft, als wenn alle Rechtradikalen grölen würden: "Schwarze raus!"