Aber wie steht es eigentlich um die Sexualgeschichte des Christentums? Dass der Sexus seit jeher verpönt und auch verhasst war – und ist – stellt kein Geheimnis dar. Für sexuelle „Vergehen“ gab es horrende Strafen, zählt Unzucht doch auch zu den großen Todsünden. Fakt ist jedoch, dass vielmehr die Sexualmoral des Christentums eine Armada von Perversionen nach sich zog. Perversionen, die die DVCK und Andere heuer als „unchristlich“ darstellen, dabei sind sie lediglich auch ein Resultat jener leibesfeindlichen christlichen Moral. Die Klöster waren durch die Jahrhunderte hindurch die reinsten Bordelle, in denen sich Geistliche, Adlige und wohlhabendere Bürger vergnügten. Die Nonnen trieben es untereinander, mit den Priestern, mit den Laien. Die Mönche standen ihnen in keiner Weise nach. Sie bestiegen nicht nur ihre Mitbrüder, sondern eben auch alles weibliche, was sie so finden konnten, andere Spezies nicht ausgeschlossen. Die Geistlichkeit hielt sich oft scharenweise Prostituierte, ja verdiente sich die Kirche mit ihren eigenen Bordellen und den anstehenden Nuttensteuern Mengen an Geld, mit dem nicht zuletzt auch Kirchen und Dome finanziert wurden.
Die Päpste waren oftmals alles andere als keusch. Stellvertretend für viele sollen hier Sixtus IV. und Alexander VI. genannt werden. Ersterer glänzte mit der Erbauung der Sixtinischen Kapelle und eines Bordells, besprang zeitlebens neben seiner Schwester auch seine Kinder. Letzterer vergnügte sich äußerst gerne mit seiner Tochter Lucrezia, welche sich wiederum auch mit ihrem Bruder Cesare vergnügte. Alexander ließ aber auch zur eigenen Unterhaltung fünfzig Nutten zuerst bekleidet, dann nackt vor sich tanzen und ließ das Ganze mit einem Sexspiel ausklingen: Seine Bediensteten sollten sich mit verbundenen Augen an die nackten Damen machen und wer bei dieser Massenrammelei die meisten anhand der Körperrundungen wieder erkannte, wurde zum Sieger gekürt.
Oder nehmen wir die Ritter des Deutschen Ordens, deren Leben „allein im Dienste ihrer himmlischen Dame Maria“ geführt wurde. Diese vögelten – nein, vielmehr vergewaltigten – alles, was eine Vagina hatte. Der Laie freilich wurde heftig bestraft, der Kleriker nur, wenn es sich um „entbehrliche“ Einzelpersonen handelte oder es zu offensichtlich wurde (ein Bischof ließ einst seine Lieblingskonkubine in einem Glaskasten in einer Prozession wie eine Reliquie durch die Stadt tragen – Reliquienverehrung auf katholisch).
Doch der Körperhass des Christentums öffnete nicht nur das Ventil der absoluten sexuellen Freizügigkeit, was sowieso meist der Geistlichkeit vorbehalten war, sondern ebnete auch den Weg für allerlei Perversionen. So waren viele Klöster im Grunde nichts weiter als Sammelanstalten für Sadomasochisten, die sich, ohne es freilich zuzugeben, damit aufgeilten, sich selbst und andere zu schlagen, zu geißeln, zu quälen – offiziell tat man es freilich nur aus Buße.
Doch auch Wahnvorstellungen und Depressionen sind gang und gäbe. So halluzinierten etwa Nonnen verdächtig oft von langen, teils goldenen, Degen und Pfeilen, die sie mit ihren „feuerroten“ Spitzen treffen wollten, ja sie fühlten sich nach gewisser Zeit geradezu umzingelt von diesen langen Gebilden, erschienen sie ihnen doch bald überall – von der Vorhautmystik ganz zu schweigen!
Äußerst empfehlenswert an dieser Stelle ist das Buch Das Kreuz mit der Kirche – Eine Sexualgeschichte des Christentums von Karlheinz Deschner, ein Standardwerk für jeden, der über die christliche Sexualmoral mitreden oder einfach nur mehr erfahren will.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Sexualneurosen und andere „Perversionen“ gerade durch eine falsche Sicht von Sexualität hervorgerufen werden. Der Sexualtrieb ist schlicht und ergreifend natürlich, er muss in einem Atemzug mit dem Trieb nach Nahrungssuche und -aufnahme und nach Schlaf genannt werden. Ohne zweigeschlechtliche Fortpflanzung wären die meisten Arten nie entstanden, Homo Sapiens inbegriffen. Sex ist der Chauffeur der Gene und damit der Evolution.
Manche Forscher sind sogar der Meinung, dass gerade das freizügige Sexualverhalten von Homo Sapiens sein Erfolgsgeheimnis darstellt – womit jeglicher Aufruf zu Askese obsolet erscheint. Selbstverständlich geht mit der Sexualität auch eine große Verantwortung einher, doch sie rigoros zu verneinen, sie als schädlich, unnatürlich, verwerflich darzustellen, sie anderen Menschen vorenthalten und dies auch noch gesetzlich verankert sehen zu wollen, das ist Idiotismus aller ersten Ranges.
Denn sie sind der Stein des Anstoßes...
Um sich selbst eine „christliche“ Vereinigung nennen zu können, muss man neben allem Blasphemischen und Sexuellen natürlich auch all das verabscheuen, was Abtreibung befürwortet. So versteht es sich von selbst, dass die DVCK zu den radikalen Abtreibungsgegnern zählt. Sie selbst würde sich natürlich nicht als „radikal“ bezeichnen. Vielmehr zeigt sie sich empört und bestürzt, wenn ihre Gegner sie „fundamentalistisch“ oder anderswie nennen. Die wahren Fundamentalisten sieht sie im anderen Lager, bei denen, die die Abtreibung befürworten, sei ja die „Abtreibungslobby“, bereit „über Leichen zu gehen“. Man wolle „das Lebensrecht der Ungeborenen relativieren“, der „Angriff“ werde „immer schärfer“. So bezeichnet man auch die Bestrebungen, europaweit Abtreibungen legal möglich zu machen, in einem Appell an die Fraktion der Europäischen Volkspartei als „ungeheuerlich“. Es sei „eine Verletzung des Lebensrechts der Ungeborenen“ und, was deutlich von den fundamentalen Beweggründen der DVCK zeugt, „ein Angriff auf die christlichen Wurzeln Deutschlands und Europas“.
Dass hinter den Bestrebungen der DVCK auch ein ausschließlich religiöses Bestreben liegt, lässt sich auch leicht aus einer Äußerung des Appells herauslesen, wenn sie schreibt „[...] das menschliche Leben von der Befruchtung an schützen“. Ergo haben wir hier die unhaltbare religiöse Vorstellung von einer Seele, die bei der Befruchtung in die Eizelle eingehaucht wird. Dass es im Laufe der Kirchengeschichte ganz unterschiedliche Auffassungen seitens der Kirchenmänner gab, ab welchem Zeitpunkt ein Embryo eine Seele besäße, sei hier dahingestellt. Es gab und gibt eine ganze Reihe von Abtreibungsbefürwortern, die im Prinzip bereits alles gesagt haben, was es zu dieser Debatte zu sagen gibt. Festgehalten werden soll hier schlicht noch einmal, dass es ein tiefer Eingriff in die menschliche Freiheit und die Selbstbestimmung der Frau ist, ihr vorzuschreiben, wie sie mit ihrem Leben umzugehen hat. Denn was die DVCK propagiert, ist nicht etwa ein Abtreibungsverbot mit Ausnahmen, nein, sie will neben vielen anderen Gruppierungen ein generelles Abtreibungsverbot. Doch niemand – niemand – hat das Recht oder die Befugnis, eine Frau zu zwingen, ein schwer behindertes oder aus einer Vergewaltigung resultierendes Kind in sich zu tragen. Entschließt sie sich, es zu behalten, ist es unsere unumstößliche Pflicht und die des Staates, sie nach bestem Willen zu unterstützen. Doch die Frau unter allen Umständen zu zwingen, zu gebären, ist eine grausame Degradierung ihrer persönlichen Freiheit.
Wer könnte es besser formulieren, als Kurt Tucholsky, wenn er sagt: „Für mich sorgen sie alle: Kirchen, Staat, Ärzte und Richter. Neun Monate lang. Danach aber muß ich sehen, wie ich weiterkomme. 50 Lebensjahre wird sich niemand um mich kümmern, niemand. Neun Monate lang dagegen bringen sie sich um, wenn mich einer umbringen will. Ist das nicht eine merkwürdige Fürsorge?“
Doch in den Augen der DVCK sind die „Lebensrechtler“, (d.h. die, die ein ungeborenes Leben, das sich seiner Existenz nicht einmal in höherem Maße bewusst ist, rechtlich über ein bestehendes Leben stellen, das sich seiner sehr wohl bewusst ist und sämtliche Gefühle von Hass bis Liebe kennt), „der Stein des Anstoßes unserer Gesellschaft“.
Wahrlich, würde dieser Stein aus Geschichtsverfälschung, Körperphobie und Frauenunterdrückung ins Rollen kommen, er würde die Gesellschaft stoßen – fragt sich nur, in welchen Abgrund.
Dennis Häufglöckner