METTMANN. (hpd) Am 31. März 2012 eröffnete im Neanderthal Museum in Mettmann bei Düsseldorf die Sonderausstellung „Wie Menschen Affen sehen“. Es geht genauer gesagt um den Blick des Menschen auf seine nächste Verwandtschaft im sogenannten Tierreich: die Großen Menschenaffen - Schimpansen, Bonobos, Gorillas und Orang Utans.
Seit ihrem ersten Auftauchen in Europa Mitte des 17. Jahrhunderts haben sie die Menschen zugleich verschreckt wie auch in ihren Bann gezogen. Vieles wurde ihnen angedichtet und viel Leid wurde ihnen zugefügt, bis heute werden sie, ihrer Freiheit und Würde beraubt, in Laboratorien gequält, in Zirkussen „zum Affen“ gemacht und in Zoos zur Schau gestellt. In ihren natürlichen Heimaten stehen sie kurz vor dem Aussterben, ausgerottet durch ihre nächsten Verwandten: den Menschen.
Zentrales Anliegen der Ausstellung ist die Kulturgeschichte des Verhältnisses Mensch – Menschenaffe. Es geht um den Blick auf die Menschenaffen im Wandel der Zeit, von ihrer Abwehr als Dämonen und Teufel im 17./18.Jahrhundert, über ihre Verzerrung zu Kintoppfiguren und Zirkusclowns im letzten Jahrhundert, hin zu aktuellen Forderungen, ihnen bestimmte Grundrechte zuzusprechen, die bislang ausschließlich dem Menschen vorbehalten sind. „Die wechselvolle Betrachtung der Affen in ihrem Verhältnis zum Menschen“, wie die Ausstellungsmacher um "Neanderthal"-Codirektorin Bärbel Auffermann, "sind immer auch Ausdruck des eigenen Selbstverständnisses des Menschen.“
Interessant sind insofern die Ähnlichkeiten in der Rezeptionsgeschichte des Neandertalers und der der Menschenaffen, die durchzogen war (und teils bis heute ist) von "Unwissenheit, Borniertheit und Dummheit".
Die Ausstellung zeigt die hochentwickelten Sozialstrukturen von Menschenaffen, ihre kognitiven, emotionalen und kommunikativen Fähigkeiten, die sich von denen des Menschen allenfalls graduell unterscheiden. Und sie zeigt die akute Bedrohung von Gorilla, Orang Utan & Co durch die fortschreitende Vernichtung ihrer natürlichen Lebensräume.
Missstände werden benannt
Besonders erfreulich ist, dass die Ausstellung sich nicht scheut, Missstände konkret beim Namen zu nennen: der "Schwabenpark" bei Stuttgart etwa, ein Amusementpark mit Achterbahnen und Riesenräder, hält unter indiskutablen Bedingungen die größte Schimpansengruppe Europas vor; der Nachwuchs der insgesamt 47-köpfigen Gruppe wird in hauseigenen Zirkusvorführungen zu artwidrigsten und entwürdigendsten Darbietungen genötigt. Auch mit Blick auf die Produktion von Palmöl, die die Lebensräume von Orang Utans in rasendem Tempo vernichtet, wird Klartext gesprochen: Industriell gefertigte Nahrungsmittel und Gebrauchsgüter, die versteckt Palmöl enthalten - auch der ökologisch widersinnige E10-Sprit -, werden an den Pranger gestellt.
Bedauerlich ist insofern, dass die Kritik an Zoos, in denen Menschenaffen bis heute gefangen gehalten und zur Schau gestellt werden, vergleichsweise blass bleibt. Geschuldet vermutlich der Zusammenarbeit mit dem Zoo Köln wird darauf verwiesen, dass "in den Zoos die engen Käfige heute großen, naturnahen Anlagen gewichen" seien. Nichts allerdings liegt der Realität ferner: in den meisten Zoos weltweit werden Menschenaffen (und andere Tiere) bis heute in winzigen Käfigen auf nacktem Betonboden gehalten, hinter Eisengittern, Elektrozäunen und Isolierglasscheiben, nicht als "Botschafter ihrer Art", wie von Zoo-Seite immer behauptet wird, sondern als deprimierte und deprimierende Karikaturen ihrer selbst. Von "großen, naturnahen Anlagen" kann allenfalls in ein paar wenigen der 41 deutschen Zoos und Freizeitparks die Rede sein, in denen Menschenaffen zur Schau gestellt werden. Und selbst die größte "Naturanlage" in einem Zoo ist nicht mehr als ein schlechter Witz im Vergleich zu den Revieren, die die Tiere in ihren natürlichen Heimaten bewohnen. Es gilt, diese Heimaten zu erhalten statt immer mehr Menschenaffen in Zoos zu stecken.
Plädoyer zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume
Über die kulturgeschichtliche Darstellung des Blickes auf die Menschenaffen und Einblicke in das aktuelle Wissen der Primatologie hinaus ist die Ausstellung ein eindringliches Plädoyer, endlich wirksame Maßnahmen zu ergreifen zum Schutz unserer haarigen Verwandtschaft und ihrer natürlichen Lebensräume.
Zur Ausstellung erschien eine sehr lesenswerte Begleitbroschüre. Wenn es allerdings so ist, dass der Blick auf die Menschenaffen durch die Art repräsentiert wird, wie über sie gesprochen wird, und die Sprache rückwirkend die Art bestimmt, wie sie gesehen werden, sollte tunlichst darauf verzichtet werden, Menschenaffen-Männer weiterhin als "Männchen" und Menschenaffen-Frauen als "Weibchen" zu bezeichnen, wie Ausstellung und Broschüre das in üblichem Sprachduktus tun. Wie grotesk derlei Verniedlichung, Verlächerlichung und Vergegenständlichung ist, wird mehr als deutlich, wenn von einem 320kg-Silberrücken als "Gorilla-Männchen" die Rede ist.
Colin Goldner
Ausstellung bis 21.Oktober 2012. Di-So 10.00 bis 18.00 Uhr (Osterfeiertage geöffnet). Stiftung Neanderthal Museum, Talstr. 300, 40822 Mettmann
www.neanderthal.de
Passend zur Ausstellung erschien im Alibri-Verlag die Broschüre der Giordano-Bruno-Stiftung „Grundrechte für Menschenaffen“ (mit Beiträgen von Paola Cavalieri, Colin Goldner, Peter Singer, Michael Schmidt-Salomon und Volker Sommer).