Konglomerate des Antikommunismus

(hpd) Der Historiker Wolfgang Wippermann schildert die historische und aktuelle Verbreitung des Antikommunismus in Deutschland, Europa, den USA und der „Dritten Welt“. Bei aller angemessenen Aufmerksamkeit für die historischen Details unterscheidet der Autor aber nicht genug zwischen ideologischem und rationalem Antikommunismus und geht auch sehr salopp mit Bewertungen um.

Antikommunismus kann für eine hysterische Angst vor der angeblichen Unterwanderung von Gesellschaft und Staat wie während der McCarthy-Ära in den USA stehen. Antikommunismus kann aber auch für eine rationale Einstellung angesichts von Diktatur und Menschenrechtsverletzungen in politischen Systemen wie der DDR oder der Sowjetunion stehen. Da heute einschlägige Bewegungen, Parteien oder Staaten kaum noch von größerer Bedeutung sind, kommt dem Antikommunismus auch nur noch ein marginaler Stellenwert zu. Gleichwohl hat ihm der Berliner Historiker Wolfgang Wippermann eine Darstellung unter dem Titel „Heilige Hetzjagd. Eine Ideologiegeschichte des Antikommunismus“ gewidmet. Der Titel spielt auf ein Zitat von Karl Marx und Friedrich Engels aus dem „Kommunistischen Manifest“ an, wonach sich „alle Mächte des alten Europa“ auf eine „heilige Hetzjagd“ gegen das „Gespenst des Kommunismus“ gemacht hätten. Die damit einhergehende Ideologiegeschichte will der Autor nachzeichnen.

Ziel sei dabei, so Wippermann, weder „eine Apologie des Kommunismus noch eine Rechtfertigung des Antikommunismus“ (S. 8). Vielmehr solle in essayistischer Weise die ideengeschichtliche Entwicklung der gemeinten Auffassungen von ihrer Entstehung bis zur Gegenwart im globalen Rahmen erzählt werden. Die Darstellung setzt in den 1850er Jahre beim Kölner Kommunistenprozess ein, geht über die NS-Propaganda gegen die Kommunisten und das KPD-Verbot von 1956 bis zur gegenwärtigen Kommentierung der Partei „Die Linke“. Für die USA spricht Wippermann den „Red Scare“ seit Beginn der 1920er Jahre ebenso wie die McCarthy-Ära nach dem Zweiten Weltkrieg an. Bezogen auf Europa beschreibt er die Entwicklungen in Frankreich, Italien, Polen und Spanien. Und für die „Dritte Welt“ bringt der Autor Fallbeschreibungen zu Chile, Indonesien, Iran und Südafrika. Immer wieder weist er auf die politische Instrumentalisierung einer propagandistischen Beschwörung der Gefahr durch Kommunisten in manipulativer Absicht hin.

Bilanzierend heißt es: „Beim Antikommunismus handelte es sich um ein ideologisches Konglomerat, das in verschiedenen Ländern und Zeiten in unterschiedlicher Form anzutreffen war, heute aber Geschichte geworden zu sein scheint. An seine Stelle scheint der Antiislamismus getreten zu sein.“ (S. 120). Und weiter formuliert Wippermann: Es zeige sich in der historischen Gesamtschau zum „... einen, dass die Ideologien des Antikommunismus niemals und nirgendwo gut und berechtigt waren – schon deshalb nicht, weil sie in der Regel mit anderen noch schlechteren und gefährlicheren Ideologien, insbesondere mit dem Antisemitismus, verbunden waren. Die kritische Darstellung der Ideologien des Antikommunismus lehrt aber auch, dass diese von der ebenso berechtigten wie notwendigen Kritik zu trennen sind, die am Stalinismus, Maoismus und anderen autoritären und antidemokratischen Parteien und Regimen geübt werden muss, die als kommunistisch betrachtet wurden oder sich selbst so betrachtet haben“ (S. 128).

Gerade diesen letztgenannten Gesichtspunkt berücksichtigt der Autor aber in der Anlage seines Buches nicht genügend. Bei den von ihm genannten Beispielen handelt es sich überwiegend um hysterische und unrealistische Behauptungen über das angebliche oder tatsächliche Wirken von Kommunisten. In welchem Verhältnis diese ideologischen Auffassungen aber zu realen Bedrohungen standen, thematisiert er nicht genügend. Dafür geht Wippermann bei manchen Beschreibungen doch sehr polemisch vor. Als aktuelle Form des Antikommunismus nennt er etwa „Hitler-gleich-Honecker- und Auschwitz-gleich-Bautzen-Vergleiche“ (S. 37). Nur, wer stellt denn ernsthaft solche Behauptungen auf? Ansonsten findet man auch viele nicht begründete und belegte Bewertungen: So heißt es etwa einfach mal schnell, da gebe es eine „sehr spitzfindige, aber logisch kaum haltbare Begründung“. Die liefert Wippermann eben auch selbst nicht für seine Einschätzung. Kurzum, statt einer eher essayistischen hätte man sich doch eine mehr wissenschaftliche Annäherung gewünscht.

Armin Pfahl-Traughber

 

Wolfgang Wippermann, Heilige Hetzjagd. Eine Ideologiegeschichte des Antikommunismus, Berlin 2012 (Rotbuch-Verlag), 160 S., 9,95 €