BERLIN. (hpd) Das Urteil des Kölner Landgerichts über die Beschneidung des Penis von Kindern aus religiösen Motiven ist von säkularen Organisationen begrüßt worden. Die Kinderrechte gestärkt sieht der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten, die Laizisten in der SPD begrüßten die juristische Neuvermessung der Reichweite der Religionsfreiheit.
Die Entscheidung des Landgerichts Köln, dass eine Beschneidung der Penisse von nichteinwilligungsfähigen Kindern als Körperverletzung strafbar ist, hat mittlerweile einhellige Kritik bei den religiösen Organisationen in Deutschland und auch ein internationales Echo hervorgerufen.
Nachdem bereits vorgestern der Zentralrat der Juden in Deutschland das Urteil als „einen beispiellosen und dramatischen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften“ sowie als „einen unsensiblen Akt“ verurteilte, haben mittlerweile auch die Deutsche Bischofskonferenz, der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) sowie die Evangelische Kirche in Deutschland mit teils entschiedener Ablehnung reagiert.
Bei säkularen Organisationen ist das Beschneidungsurteil hingegen bisher auf einstimmige Zustimmung und Unterstützung gestoßen. Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) hat das Urteil des Landgerichtes Köln zur Beschneidung aus religiösen Gründen heute begrüßt.
„Es wurde Zeit, dass die Beschneidung als das gesehen wird, was sie ist: ein strafbarer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von wehrlosen und ihren Eltern ausgelieferten Jungen. Es ist dabei irrelevant, ob diese irreversiblen Verstümmelungen aus religiösen oder anderen ideologischen Gründen durchgeführt werden“, sagte Rainer Ponitka, Pressesprecher des IBKA. „Das Urteil stärkt die Rechte der Kinder vor religiösen Übergriffen. Eine Beschneidung ohne eine medizinische Notwendigkeit ist Körperverletzung.“
Ponitka beurteilte das Urteil als einen Schritt in die richtige Richtung. Ablehnend äußerte er sich über Vorschläge aus der Politik, welche die religiös motivierte Beschneidung von Kinderpenissen in besonderer Weise schützen wollen: „Wer nun, wie Volker Beck von den Grünen, eine Stärkung der Religionsfreiheit der muslimischen und jüdischen Glaubensgemeinschaft anregt, versteht das Grundrecht der Religionsfreiheit falsch: Ein Grundrecht dient immer dem Schutz des Individuums vor einer Gruppe.“
Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes stellte sich gestern ebenfalls hinter die Kölner Richterinnen und Richter. „Wir begrüßen dieses Urteil“, erklärte Irmingard Schewe-Gerigk, Vorstandsvorsitzende von Terre des Femmes, in Berlin. „Es zeigt deutlich, dass die körperliche Unversehrtheit von Kindern nicht mit religiösen Argumenten verletzt werden darf.“
Und auch bei den Laizisten in der SPD stieß das Kölner Beschneidungsurteil auf Zustimmung. „Endlich machen sich deutsche Gerichte daran, die Reichweite der Glaubensfreiheit neu zu vermessen“, sagte Horst Isola aus dem Bundessprecherkreis der SPD-Laizisten am Mittwochabend in Bremen.
Die Argumentation der Religionsgemeinschaften gegen das Urteil greife nicht, darin sind sich die säkularen Organisationen einig. Nicht nur Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden, auch der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek hatte die Gerichtsentscheidung als einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften bezeichnet.
„In unserer Verfassung gibt es kein Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften“, sagte dazu IBKA-Sprecher Rainer Ponitka. Die Auffassung bestätigte auch Horst Isola. Die Empörung auf Seiten der Religionsgemeinschaften verkenne, dass „das Grundgesetz kein Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften anerkennt, sondern nur ein Selbstverwaltungsrecht innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.“
Daher hätten auch die Religionsgemeinschaften die für jedermann geltenden Strafvorschriften zu beachten. Isola: „Unsere Rechtsordnung gibt ihnen nicht das Recht, sich unter Berufung auf religiöse Vorschriften oder Rituale ein eigenes – göttliches – Recht zu schaffen und zugleich gegen fundamentale Grundrechtsvorschriften wie die körperliche Unversehrtheit zu verstoßen. Dies ist umso verwerflicher, als im vorliegenden Fall Opfer Kleinkinder sind, die sich nicht wehren können und womöglich für ihr ganzes Leben durch einen solchen Eingriff, wie ihn die Penisbeschneidung darstellt, traumatisiert werden.“
IBKA-Sprecher Rainer Ponitka betonte außerdem, dass der grundsätzliche Schutz von Kindern vor einseitiger religiöser Beeinflussung bis zum Erreichen der Religionsmündigkeit mit der Vollendung des 14. Lebensjahres stärker verwirklicht werden müsse. „Bis dahin könnten sich Kinder ein unbeeinflusstes Bild der verschiedenen Religionen und Weltanschauungen machen, um sich selbstbestimmt für oder gegen eine Mitgliedschaft sowie für oder gegen die Teilnahme an archaischen Ritualen zu entscheiden.“
Arik Platzek