Das ‚Feuer‘ muss man selbst mitbringen …

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Daniel Menzel / Foto: Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) „Rock Your Life!“ (Auf Deutsch etwa „Pack dein Leben!“ oder „Räum die Steine aus dem Lebensweg!“) ist das Motto einer Initiative von Studenten, die Hauptschüler unterstützen und mittlerweile an 26 Hochschulorten regionale Vereine gegründet haben. In Berlin wurde jetzt die erste Zwei-Jahres-Kohorte der Schüler verabschiedet.

Anlass für die Gründung von „Rock Your Life!“ (RYL!) war 2008 ein Vortrag von Peer Steinbrück in Friedrichshafen zum zivilgesellschaftlichen Engagement und seine Klage, dass Hauptschüler, die keinen Abschluss erreichen, keine Chance mehr haben, einen erfolgreichen Berufsweg zu gehen, überhaupt eine Lehrstelle zu finden, nur mit geringsten Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben. Das löste eine Initialzündung bei einigen engagierten Studenten aus, die das Problem angehen wollten.

Das Prinzip ist eigentlich überschaubar: Studenten unterstützen Hauptschüler in ihren beiden letzten Schuljahren, um ihnen zur Seite zu stehen, ihre Chancen zu verbessern.

Aus der ‚Provinz‘ am Bodensee breitete sich diese Idee über ganz Deutschland aus und seit zwei Jahren gibt es auch in der Hauptstadt eine Gruppe, die jetzt ihre erste Zwei-Jahres-‚Kohorte‘ erfolgreich verabschiedete. Der hpd sprach darüber mit Daniel Menzel, dem Vorsitzenden des Berliner „Rocker“-Vereins.

hpd: Wie sind Sie selbst dazu gekommen, bei „Rock Your Life!“ mitzumachen?

Daniel Menzel: Das war der ganz klassische Weg, dass ich damals in der Uni ein Plakat gesehen habe, eine Info-Veranstaltung stattgefunden hat, die ich besucht habe - und da war „Rock Your Life“ erst zwei Monate alt in Berlin - das war frisch, noch nichts eingesessen und ich hatte das Gefühl, dass ich meinen Teil dazu beitragen kann.

Wenn Sie Ihre Arbeit betrachten - Woher kommen die Erfolgserlebnisse?

Die Erfolgserlebnisse kommen einerseits im Organisatorischen, dass man immer wieder auf Firmen trifft, die das klasse finden und uns unterstützen wollen, aber anderseits in der Begegnung und der Arbeit mit den Schülern. Vor ein paar Tagen haben wir unsere erste Kohorte verabschiedet, d.h. den ersten Jahrgang, und das macht Sinn, wenn ein Schüler dann sagt: „Ja, das hat mir genützt, das hat mir geholfen.“ Oder ein anderer: „Ich habe mein Potential schärfen können und weiß jetzt besser, was ich in Zukunft machen will.“ Oder ein anderer, der einfach auf einen zukommt und schlicht: „Danke!“ sagt. Das sind die kleinen, aber prägenden Erfolgserlebnisse. Sie bewegen einen auch dazu, weiterzumachen.

Das Konzept von „Rock Your Life!“ heißt: Studenten helfen Schülern…

Nein, nicht ganz, wir unterstützen Schüler. Helfen ist in diesem Zusammenhang eher eine falsche Richtung. Wir sehen es so, dass es wie ein Schiff ist, in dem der Student vielleicht den Wind in die Segel pustet, aber der Schüler derjenige ist, der das Ruder in der Hand hält. Es geht nicht darum, dem Schüler Arbeit abzunehmen, sondern darum, ihn zu unterstützen, seinen Lebensweg selber zu finden. Das ist die Findung eines Berufswunsches, oder die generelle Frage: Was will ich eigentlich nach der Schule machen? Es ist noch größer angelegt, in der Hinsicht, dass der Schüler sich selber findet und - der Student zum Teil auch. Weil man sich zum Bespiel als Student anfangs gar nicht richtig vorstellt, was es heißt, jemanden über zwei Jahre zu begleiten. Auch der Student kann eine deutliche Pespektiverweiterung erleben, wenn er mit einem Schüler zwei Jahre lang zusammenarbeitet.

Wie kommen die Schüler zu „Rock Your Life!“? Melden sich auch die Schüler, die eine Unterstützung brauchen oder werden die nicht erreicht?

Das ist eine große Frage, die uns auch immer wieder beschäftigt. Grundsätzlich ist es so: Wir haben bisher zwei Partnerschulen und wenn wir es organisatorisch schaffen, sollen es auch in Berlin noch weitere Schulen sein. Dort gehen wir in die Klassen und versuchen die Schüler zu überzeugen, dass  es etwas Tolles ist. Wichtig ist dabei für uns, dass die Coach-Beziehung nicht nur 1:1, sondern auch - für beide Seiten - immer freiwillig ist. Natürlich hat das auch manchmal zur Folge, dass man denjenigen nicht erreicht, zu dem Eltern oder Lehrer sagen, der könnte das ganz gut gebrauchen.

Das Konzept ist aber so auf Freiwilligkeit aufgebaut, auf die Potentiale, die sich daraus ergeben, dass es gar nicht machbar wäre, einen Schüler in irgendeiner Weise hineinzuziehen, der es selber eigentlich nicht will. In den Klassen gibt es aber manchmal sehr hierarchische Strukturen und wenn man das „Alpha-Tier“ überzeugt hat, dann ziehen erst einmal weitere aus der Klasse mit, auch wenn dann einige nach zwei, drei Wochen wieder aufhören.

Gleichen Sie damit nicht auch Defizite der Schule aus?

Wir sehen uns auch da als Unterstützung, für die Schule und für den einzelnen Lehrer, zum Beispiel bei der Praktikumssuche, dass nicht der Lehrer für dreißig Schüler unterwegs sein muss. Wir sehen uns als Unterstützung, die die Schule als 1:n-Beziehung gar nicht erreichen kann. Von daher bin ich auch immer vorsichtig, wenn ich die Leistung der Lehrer sehe, zu sagen, dass die Lehrer oder die Schule da Defizite hätten.

Gibt es auch ein Coaching, das nicht erfolgreich ist? Das abgebrochen wird, weil Schüler und Student nicht zusammenfinden?

Ja, das gibt es durchaus. Es geschieht dann aus den unterschiedlichsten Gründen. Sei es, dass die Schüler merken, es ist eigentlich doch nicht das, was ich mir davon erhofft habe. Aber gerade, wenn man leistungsstärkere Schüler hat, sagen die eher, ich brauche diese Unterstützung doch nicht, ich weiß, was ich will.