Fromme Propaganda

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Ulli Schauen / Foto: DA!

DÜSSELDORF. (hpd) Der Kölner Journalist und Autor des „Kirchenhasserbreviers“ Ulli Schauen war zu Gast beim siebten "Düsseldorfer Aufklärungsdienst", der Veranstaltungsreihe der Düsseldorfer Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung. Diesmal ging es um die Medienmacht der Kirchen.

Das Interesse am Thema ist groß, wieder müssen wir neue Stühle heranschaffen, der Raum ist randvoll, knapp neunzig Gäste sind gekommen. Nur von den über vierzig im Vorfeld persönlich angeschriebenen und eingeladenen Journalisten ist wieder einmal kein einziger gekommen.

Ulli Schauen ist an diesem Abend der einzige anwesende Journalist. Der Boykott atheistischer Positionen seitens der Redaktionen ist dem religionskritischen Autor bestens bekannt: auch ihm ist es passiert, dass er in letzter Sekunde aus einer Talkshow wieder ausgeladen wurde. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte sich geweigert, einen Teilnehmer zu schicken, falls Schauen im Studio sein würde. Da verzichtete die Redaktion lieber auf ihn statt auf einen Kleriker.

Wie weit die Machtausübung seitens der Kirchen in den Medien tatsächlich geht, und warum für die Kirchen andere Maßstäbe gelten als für jeden anderen Verein, darüber gab uns der WDR-Insider in seiner charmanten Art einen Überblick.

Keiner anderen Lobby-Gruppe liegt die „vierte Macht im Staate“ derart zu Füßen. So sichern der Rundfunkstaatsvertrag und sämtliche Landesrundfunkgesetze „den Evangelischen Kirchen, der Katholischen Kirche und den Jüdischen Gemeinden [...] auf Wunsch angemessene Sendezeiten zur Übertragung religiöser Sendungen [...] “ zu, für deren Inhalt allein die Religionsgemeinschaften zuständig sind. Aber weil das nicht reicht, wurde den Kirchen zusätzlich noch das Recht auf "angemessene Berücksichtigung" im allgemeinen Programm der Sender in das Gesetzbuch geschrieben.

Wir stellen uns mal kurz vor, der Staat würde dem Verband der Banken oder Greenpeace jeden Tag, auf jedem Sender Sendezeit und ein Recht auf "angemessene Berücksichtigung" für Eigenwerbung zur Verfügung stellen. Absurd. Im Falle der Kirchen aber Normalität. Eben die normale Absurdität des auf diese Art christlich geprägten Abendlandes.

Und diese gesetzlich verbrieften Privilegien werden von den Kirchen auch hinlänglich strapaziert: Die täglichen „Verkündigungsformate“ auf allen Kanälen bilden da nur die Spitze des Privilegien-Eisbergs. Das sind unter anderem die fünfminütigen Morgenandachten vor den 7-Uhr-Nachrichten im Radio, die Gottesdienste in Radio und Fernsehen, „Das Wort zum Sonntag“, der Bibelclip auf RTL, usw.

Überrascht hat uns Ulli Schauen mit der Tatsache, dass in den staatlichen Regelungen auch vorgesehen ist, dass sich die Sender die Kosten für die "Verkündigungssendungen" von den Kirchen erstatten lassen können. Dies geschieht aber nie. Während die Sender also pro Fernsehgottesdienst oft geschätzte 100 000 Euro investieren, wird gleichzeitig am Honorar freier Mitarbeiter bis zur Schmerzgrenze gespart. Ein Umstand, der auch die Gebühren- und Steuerzahler interessieren müsste. Schließlich würde es um sechs Millionen Euro gehen bei ca. 60 Fernseh-Gottesdiensten pro Jahr allein in ARD und ZDF.

Zeichnung: Jacques Tilly

Auch bei den Privatsendern verfügen die Kirchen über vertraglich abgesicherte Sendezeiten. In den Verträgen mit RTL und Sat1 sind 45 Minuten Sendezeit vereinbart. Dabei wird die Gestaltung der religiösen Sendungen sensibel der Zielgruppe des Senders angepasst: So werden auf Sat1 Stars nach ihrem Gottesbild und ihrem christlichen Weltbild gescannt. Der Bibelclip auf RTL kommt theatralisch, reißerisch daher, für Kinderkanäle gibt's aufwändig produzierte Zeichentrickformate. Nicht immer steht Kirche drauf, wo Kirche drin ist: dass der "Filmtipp" auf Pro 7 von den Kirchen verantwortet ist, kann man dem Format nicht ansehen.

Und auch "37 Grad", einer der wenigen übrig gebliebenen Sendeplätze für Dokumentarfilme im ZDF wird anteilig (zu zwei Dritteln) von der katholischen und evangelischen Redaktion bedient.

Die Lobbyisten der Kirchen sind die Rundfunkbeauftragten, die Hand in Hand mit Medienprofis und den Redaktionen der Sender arbeiten.

Dabei sollte doch die erste Regel für jeden Journalisten lauten, dass man sich mit dem Objekt der Berichterstattung niemals gemeinmachen darf. An dieser Stelle sei deshalb die Frage erlaubt, wie es sein kann, dass jeder öffentlich-rechtliche Sender eine Kirchen-Redaktion beschäftigt, in der üblicherweise Journalisten mit abgeschlossenem Theologiestudium eingestellt werden.

Kirchlich-Medialer-Komplex

Zusätzlich gibt es zahlreiche den Kirchen oder zu ihrem Einflussbereich gehörende Filmproduktionen, wie die evangelische "Eikon" Produktion, die mit Filmen über Klöster, Luther und Calvin beauftragt werden und dabei unverbrämt Geschichtsklitterung präsentieren können.

Das ist staatlich geförderte manipulative Kirchenwerbung. Ulli Schauen nennt das den allgegenwärtigen "Kirchlich-Medialen-Komplex". Deshalb wurde im Jahr 2000 auch in der ARD eine Serie mit dem Namen "2000 Jahre Christentum" rauf und runter gesendet, die von einer eigens dafür gegründeten ökumenischen TV-Produktionsfirma angefertigt wurde und in Onlineshops der Kirchen immer noch vertrieben wird.

Auch die Tatsache, dass die beiden konfessionellen Nachrichtenagenturen der Kirchen, nämlich die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) und der Evangelische Pressedienst (EPD) in der deutschen Medienlandschaft wie völlig neutrale Presseagenturen behandelt werden, deren Nachrichten man ungeprüft eins zu eins übernimmt, spiegelt die Bewusstsein-Schieflage in der Branche.

Überhaupt, wenn man journalistisch tätig werden will, ist man offensichtlich besser beraten, Theologie zu studieren anstelle von Journalismus. Der Anteil der Theologie-Studierten  und AbsolventInnen kirchlicher Journalistenschulen in den Redaktionen und auf den Chefsesseln ist erheblich. Kirchennähe scheint fast schon eine Karrierebedingung zu sein. Eine Tatsache, mit der die dt. Bischofskonferenz dann auch ganz unverblümt auf ihrer Internetseite für das Theologiestudium wirbt. Gläubige sind eben besonders sendungsbewusst.

Dagegen argumentiert Ulli Schauen kurz: "Medien sollen Bericht erstatten und nicht verkünden." Wir bitten darum.

Ricarda Hinz

 

Gottes Langer Arm (in Österreich), 17.01.2011.