Kirche bekennt ihre Verantwortung

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KZ Auschwitz, Einfahrt, Bundesarchiv, 175-04413

MÜNSTER. (hpd) Jahrzehntelang leugneten katholische Bischöfe eine Nähe der katholischen Kirche zum Nationalsozialismus und nahmen für sich einen Widerstand gegen das NS-Regime in Anspruch. Seit wenigen Jahren mehren sich jedoch die Stimmen, die Mitschuld am Holocaust durch das Schweigen der katholischen Kirche anzuerkennen.

Bei einem Gedenkgottesdienst im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz hat Joachim Kardinal Meisner des 70. Todestags von Edith Stein gedacht. Die Philosophin und Nonne war Jüdin, bis sie sich zum katholischen Glauben bekannte und dem Karmeliten-Orden beitrat. Die Taufe rettete sie allerdings nicht vor dem Rassismus der Nazis, der nach Volk und nicht nach Religion unterschied. Im August 1942 wurde sie nach ihrer Flucht aus Deutschland in den Niederlanden festgenommen, von dort nach Auschwitz deportiert und vergast.

Der Kölner Erzbischof Meisner zeigte sich ungewohnt selbstkritisch:

„Keiner von uns Christen in Deutschland stand mit Edith Stein und ihrem Volk unter dem Kreuz. Wir ließen sie allein. Das darf nie wieder geschehen.“

Lange Zeit stand die katholische Kirche in Deutschland nicht zu ihrer Verantwortung und wies weit von sich, die Herrschaft Hitlers begrüßt zu haben. Ihrem Selbstverständnis nach habe sie die Verbrechen des NS-Regimes immer angeprangert und tausenden Verfolgten das Leben gerettet.

Stellungnahmen der Deutschen Bischofskonferenz waren meist gewunden und gestanden nur zögerlich eine Mitschuld am Holocaust ein. Erst seit wenigen Jahren sind Bischöfe bereit, die Rolle ihrer Amtsvorgänger kritisch zu beleuchten. Dass sich Meisner ihnen nun angeschlossen hat, zeigt, dass sie keine Einzelposition mehr darstellen.

Anlässlich des 70. Jahrestages der Reichspogromnacht beklagte der Hamburger Weihbischof Jaschke 2008, dass es keinen ernstzunehmenden Widerstand von Seiten der Kirchenhierarchie gab:

„Wie konnte es in Friedenszeiten geschehen, dass vor den Augen der deutschen Christenheit die Synagogen niedergebrannt und die Juden verhaftet wurden, ohne dass es einen öffentlichen Protest oder ein Zeichen der Solidarität gab. Warum haben die Kirchen geschwiegen? Das geht nicht in mein Herz und nicht in meinen Verstand.“

Ein Jahr später gestand der Bischof von Rottenburg-Stuttgart Gebhard Fürst ein, dass das Christentum eine erhebliche Mitschuld am Antisemitismus trage. Anlässlich des 70. Jahrestages des Polenfeldzugs bekannte der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff, dass die Kirche stets treu zu Hitler stand. Mit der Ausnahme des Berliner Oberhirten Konrad Graf von Preysing hatten alle Bischöfe die Soldaten zu „Pflichterfüllung, Opfersinn und Treue“ aufgerufen:

„Beim Sieg über Polen und den folgenden Triumphen der deutschen Wehrmacht läuteten auch an katholischen Kirchen die Glocken. Diese eigene Schuld müssen wir als Kirche heute bekennen.“

Bis vor kurzem galt unter den Bischöfen noch die Linie, der Katholizismus sei ein entscheidendes Gegengewicht zum Nationalsozialismus gewesen. Kirchliche Gutachten hätten schon vor der Machtergreifung antichristliche Elemente der NSDAP aufgedeckt. Was aber auf den ersten Blick nach Mut und Weitsicht aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als theologische Haarspalterei. Die Bischöfe stießen sich vor allem daran, dass im Zentrum eines „deutschen“ Christentums ein arischer Jesus stand. Danach sei der Vater des Erlösers ein germanischer Legionär in Diensten der Römer und nicht etwa der Heilige Geist gewesen. Das Dogma von der Jungfräulichkeit Marias war damit gefährdet.

Im Jahr 2002 hatte Karl Kardinal Lehmann, der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, zum Verhalten der katholischen Kirche während des Holocaust Stellung bezogen. Obwohl der Mainzer Bischof als Vertreter des liberalen Flügels gilt, wollte er eine Nähe der katholischen Kirche zum Nationalsozialismus nicht eingestehen. Beispielsweise lobte Lehmann (zutreffend) den Protest des Münsteraner Bischofs Clemens August Graf von Galen gegen die Euthanasieaktion T4. Er verschwieg dabei aber die andere Seite des „Löwen von Münster“. Von Galen hatte die Angriffskriege der Wehrmacht stets begrüßt und nach der Kapitulation die Schuld der Deutschen an der Katastrophe kleingeredet. Angeblich hätte niemand die Verbrechen Hitlers vor 1933 erahnen können, zudem seien Wirtschaftskrise und Demokratie verantwortlich für den Aufstieg der NSDAP. Außerdem sei es wegen des Gestapo-Terrors unmöglich gewesen, die Machthaber zu kritisieren.

Lehmann hatte auch den Freiburger Erzbischof Conrad Gröber verteidigt. Angeblich sei er „blauäugig“ gewesen, als er im Episkopat als einer der Ersten die Zusammenarbeit mit der NSDAP suchte. Schon bald nach der Machtergreifung trat der „Braune Conrad“ als förderndes Mitglied der SS bei. Für Lehmann nur ein Irrtum, der sich nach einem „Lernprozess“ in nichts auflöste. Schließlich hatte der Freiburger Oberhirte früher als seine Amtsbrüder gegenüber den Machthabern den Behindertenmord angeprangert. Gröber konnte ihn jedoch nur als Verbrechen erkennen, weil seine Opfer Deutsche und Christen waren. Für andere Nationen und Religionen zeigte er weniger Empathie.

In seinem ersten Hirtenbrief nach Kriegsende verurteilte Gröber den „extremen Antisemitismus“. Es sei falsch gewesen, das jüdische Volk  auszurotten, da es „in seiner ihm aufgezwungen Abwehr uns noch gefährlicher wurde als die größte feindliche Armee.“

Lukas Mihr