Nicht Jesus machte das Christentum zur Weltreligion

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Statue von Konstantin vor dem Münster in York, Großbritannien
Statue von Konstantin vor dem Münster in York, Großbritannien

Die Geschichte des Christentums ist voller Geheimnisse. Dazu gehört auch der Ursprung der Weltreligion. Nimmt man das Alte Testament zum Nennwert, scheint die Sache klar: Die Genesis suggeriert, dass Gott nicht nur den Menschen erschaffen hat, sondern auch die Erde. Und wohl das ganze Universum.

Das wirft die spannende Frage auf: Welcher Gott war da am Werk?

Manche Christen mögen die Frage als Provokation empfinden. Für sie ist klar: Es war natürlich unser Gott, der christliche. Doch da taucht das nächste Problem auf: die Zeitrechnung. Wann hat Gott die Welt erschaffen?

Fragt man Archäologen und Geologen, so lautet die Antwort: Vor mehreren Milliarden Jahren. Doch so weit geht die christliche Zeitrechnung wohl nicht zurück, wie das Alte Testament erahnen lässt. Denn Gott hat schließlich schon bald Adam und Eva auftreten lassen, um ein Gegenüber zu haben.

Dogmatische Christen errechnen anhand der Bibel, dass die Modellierung von Adam und Eva etwa 4.000 bis 8.000 Jahre vor Christus zurückliegen muss. Das führt uns zur nächsten Frage: Wenn dieser Gott der christliche ist, warum beteten unsere Urahnen Sonne, Mond und Sterne an? Oder: Warum glaubten sie nicht an ihren Schöpfer?

Weil sie ihn nicht kannten, würden Christen sagen. Deshalb schickte Gott schließlich seinen Sohn auf die Erde, um die Menschen auf den richtigen religiösen Pfad zu führen. Dass er aber schon als junger Mann ermordet wurde, ist eine weitere Besonderheit der Geschichte des Christentums.

Der Missionserfolg, die Menschheit auf den Schöpfer aufmerksam zu machen, blieb sehr bescheiden. Jesus war mit ein paar Gefolgsmännern durchs Land gezogen, ohne tiefe Spuren zu hinterlassen.

Den Erfolg verdankten die Urchristen einem Ungläubigen

Dass sein Glaube schließlich zur größten Weltreligion werden sollte, hat weder mit Jesus noch seinen Aposteln oder den Evangelisten zu tun. Verantwortlich dafür war ein ungläubiger Politiker, der mit der christlichen Heilslehre nichts am Hut hatte. Aus Sicht der Urchristen war er ein Heide. Sein Name: Konstantin.

Wie kam es zu diesem weiteren Paradoxon? Wir wissen es nicht. Sicher ist aber, dass der römische Kaiser zum Geburtshelfer des Christentums wurde. Als er im Jahr 306 den Thron bestieg und sein Reich mit kriegerischen Mitteln ausbaute, war es ein Flickenteppich an Religionen und Heilslehren. Die Auswahl reichte vom Isikult über den Mitraskult zum Zoroastrismus und Judentum. Manche Völker beteten die römischen und hellenistischen Götter an.

Ohne den Kaiser wäre das Christentum wohl untergegangen

Doch Konstantin wählte keine der großen Glaubensgemeinschaften, sondern überraschend die kleine Gruppe um den essenischen Wanderpredigers Jesus. Der Kaiser erhob seine Heilslehre zur Staatsreligion. Das war die Geburtsstunde des Christentums als Weltreligion.

Was Konstantin dazu bewogen hatte, ist nicht überliefert. Vielleicht war ihm die Idee des Monotheismus sympathisch. Vielleicht kannte er eine besonders hübsche Frau, die Christin war. Vielleicht wählte er bewusst eine wenig bekannte Gemeinschaft, um keine Glaubenskonflikte in seinem Reich zu provozieren.

Ohne Konstantin wäre die kleine esoterische Sekte der Urchristen in der Versenkung gelandet. Wie unzählige andere in der Geschichte der Menschheit.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.

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