„Der lange Arm der Kaiserin“

BERLIN. (hpd) Die österreichische Journalistin und Filmemacherin Susanne Riegler hat einen Dokumentarfilm über die Geschichte des Schwangerschaftsabbruchs in Österreich erstellt, der in Interviews eindringlich die demütigende Situation für Frauen mit ungewollter Schwangerschaft vor Einführung der Fristenlösung darstellt und auf die heutigen Gegner des Selbstbestimmungsrechts der Frauen verweist.

Die Ähnlichkeiten zwischen Deutschland und Österreich sind auch in der Thematik eines Schwangerschaftsabbruchs vorhanden. Kaiserin Maria Theresia hatte 1768 den Schwangerschaftsabbruch in das Strafgesetzbuch aufnehmen und mit der Todesstrafe - Hinrichtung durch das Schwert - sanktionieren lassen. Auch während des „Großdeutschen Reiches“ wurden Frauen und sogenannte Engelmacherinnen zum Tode verurteilt und mit dem Fallbeil der Guillotine getötet. Erst 1975 wurde in Österreich die sogenannte Fristenlösung in den Paragraphen 144 des Strafgesetzbuches eingefügt.

Es ist die gleiche Situation wie in Deutschland, wo der Paragraph 218 des Strafgesetzbuches („Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“) 1976 um die Regelung ergänzt wurde: „Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt innerhalb der ersten zwölf Wochen seit der Empfängnis vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht nach § 218 des Strafgesetzbuches strafbar, wenn an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 179 [Missbrauch, Vergewaltigung] des Strafgesetzbuches vorgenommen worden ist und dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht. Ist der Abbruch der Schwangerschaft in den ersten zwölf Wochen seit der Empfängnis von einem Arzt mit Einwilligung der Schwangeren vorgenommen worden, um von der Schwangeren die auf andere ihr zumutbare Weise nicht abzuwendende Gefahr einer schwerwiegenden Notlage abzuwenden, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach § 218 des Strafgesetzbuches absehen.“ In der heutigen Fassung: „Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Handlungen, deren Wirkung vor Abschluss der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne dieses Gesetzes.“

Die Tatsache, dass diese Regelung immer noch im Strafgesetzbuch steht, zeigt den Eingriff des Staates in eine der privatesten Angelegenheiten von betroffenen Frauen.

In Berlin hatte der Landesverband von pro familia am vergangenen Donnerstag zu einer einmaligen öffentlichen Sondervorführung des Filmes eingeladen, der bisher noch keinen Kino-Verleih gefunden hat. (Allerdings ist der Dokumentarfilm als DVD ab Mitte des Monates über die Internetseite zum Film privat für 25 Euro - inkl. Versandkosten - zu bestellen.)

Die Zuschauerinnen im Kino waren größtenteils noch selber in den 1970er-Jahren in der Frauenbewegung aktiv gewesen und reagierten sehr zustimmend auf den Film: „Protagonistinnen, Zeitzeuginnen, wie Freda Meissner-Blau, Alfred Rockenschaub, die Rechtshistorikerin Ilse Reiter sowie Elisabeth Haidler, die 1959 einen illegalen Abbruch daheim am Küchentisch hatte, und der Gynäkologe Christian Fiala kommen zu Wort, Zitate, Dokumente beleuchten das Thema.“

Auffallend war, dass sich nur wenige jüngere Frauen unter den Zuschauerinnen befanden. Der Auffassung, dass der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland heute keine Thema mehr sei, widersprachen aber die Anwesenden. Ganz im Gegenteil, es sei ein Tabuthema, trotz der vermeintlichen Problemlosigkeit. Betroffene Frauen würden noch nicht einmal mit ihren besten Freundin darüber sprechen.

Für die Älteren sind die Auseinandersetzungen und der Kampf, zumindest für die Fristenregelung, ein Teil ihrer Biographie, für die Jüngeren etwas Historisches, das - obwohl es erst 35 Jahre her ist - bereits der Vergangenheit angehört.

Diese ‚Freiheit unter Auflagen‘ sei zudem beständig gefährdet, da die konservativen und klerikalen Abtreibungsgegner durchaus aktiv seien und auch prominente politische Unterstützung bekämen.

Der Film ist der ehemaligen Frauenministerin in Österreich, Johanna Dohnal, gewidmet, die zusammen mit Dr. Christian Fiala diesen Film angeregt hatte. Im Gespräch mit dem hpd schildert der Gynäkologe Dr. Christian Fiala (Gynmed Ambulatorium, Wien), der in Wien auch das erste und weltweit einzige Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch initiiert hat (und es finanziert), die Hintergründe und das Thema des Films.

C.F.