Rezension: "Selbstbestimmt sterben – Warum Menschen Sterbehilfe suchen"

Ein Blick auf das Recht, den eigenen Tod selbst zu bestimmen

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Screenshot aus dem Film
Screenshot aus dem Film

Eine 3sat-Dokumentation beleuchtet ein bedeutendes aktuelles Thema und gibt Betroffenen eine Stimme. Doch der rechtliche Kontext bleibt unvollständig und ein wichtiger Aspekt fehlt.

Am 29. Juni 2025 strahlte 3sat im Rahmen der Sendereihe "NZZ-Format" die Schweizer Dokumentation "Selbstbestimmt sterben – Warum Menschen Sterbehilfe suchen" aus. Die Schweizer Erstausstrahlung bei SRF 1 erfolgte bereits im März. In rund 30 Minuten widmet sich die Sendung dem hochaktuellen Thema der Sterbehilfe – mit einem Fokus auf zwei persönliche Schicksale.

Einfühlsame Porträts und ruhige Inszenierung

Die Dokumentation begleitet zwei Menschen, die darüber nachdenken, ihr Leben selbst zu beenden: Robert S., ein Familienvater mit unheilbarer Krebserkrankung, und Frank Z., der nach einem Unfall unter schweren Folgeschäden leidet. Beide erwägen den Weg des begleiteten Freitodes in der Schweiz. Dabei gelingt es dem Film, die Betroffenen respektvoll darzustellen, ohne indiskret zu werden. Ihre Gedanken und die Auseinandersetzung mit ihrer Lebenssituation werden spürbar.

Positiv hervorzuheben ist die ruhige, beobachtende Erzählweise. Die Kamera bleibt zurückhaltend, gibt Raum für nachdenkliche Momente, lässt auch die Angehörigen zu Wort kommen. Der familiäre Umgang mit dem Thema Sterbehilfe wird sensibel eingefangen und einbezogen. Ohne Dramatisierung ermöglicht die Dokumentation ruhige, intime Einblicke in die Erfahrungswelt von Menschen, die sich mit der Entscheidung über ein selbstbestimmtes Lebensende auseinandersetzen. Da die filmische Inszenierung zurückhaltend bleibt, wird die Komplexität der Fragen deutlich.

Sterbehilfe im gesellschaftlichen Kontext

Die Dokumentation ordnet die Geschichten in den gesellschaftlichen Kontext ein: Die Schweiz ist eines der Länder, in denen organisierte Sterbehilfe unter der Bedingung legal ist, dass sie nicht aus selbstsüchtigen Motiven geleistet wird. Organisationen wie Exit, lifecircle, Pegasos werden vorgestellt, ihre Abläufe erklärt. Ludwig Minelli, der Generalsekretär von DIGNITAS Schweiz kommt ebenfalls zu Wort. Dabei wird betont, dass Sterbehilfe keineswegs leichtfertig ermöglicht wird, sondern einem umfangreichen Vorbereitungsprozess unterliegt. Ebenso bietet der Film authentische Einblicke in die Arbeit der Sterbehilfeorganisationen.

Entscheidungsfreiheit in beide Richtungen – und eine Leerstelle

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass beide Protagonisten nicht den begleiteten Freitod wählen. Robert S. stirbt schließlich palliativmedizinisch versorgt in einem Hospiz, was laut der Darstellung den Vorstellungen seiner Familie näherkommt als die Freitodbegleitung. Frank verschiebt seine Entscheidung mehrmals. Diese Darstellung zeigt, dass der Weg zur Sterbehilfe ein individueller Prozess ist, der von gründlichem Nachdenken und einem längeren Entwicklungsprozess geprägt ist.

Zugleich hinterlässt die Auswahl der Fälle eine Leerstelle: Menschen, die sich tatsächlich für die Durchführung der Sterbehilfe entscheiden und diesen Schritt vollziehen, kommen nicht zu Wort. Dadurch bleibt der konkrete Ablauf des begleiteten Suizids unsichtbar, ebenso wie die Erfahrungen derjenigen, die diesen Weg bewusst gehen. So wirkt die Dokumentation an manchen Stellen unvollständig und vermeidet leider die realistische Darstellung des ganzen Spektrums der Suizidhilfe.

Unvollständige rechtliche Einordnung

Ferner bleibt die Dokumentation in einigen wichtigen Bereichen oberflächlich. Politische und juristische Hintergründe werden kaum thematisiert. Hinzu kommt, dass die Dokumentation eine Schweizer Produktion ist, die sich an ein Schweizer Publikum richtet. Folglich wird die Rechtslage in Deutschland seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2020 nicht deutlich (siehe unten). Stattdessen entsteht durch den gezeigten Fall des Saarbrückers Frank Z., der seit mehreren Jahren Hilfe in der Schweiz sucht, beim deutschen Publikum der irreführende Eindruck, Sterbehilfe sei in Deutschland nicht möglich. Das führt zu einer Desinformation der Zuschauer:innen.

Fazit: Sehenswert für alle, die sich mit den persönlichen Aspekten von Suizidhilfe auseinandersetzen möchten – weniger geeignet für Zuschauer, die Informationen über die Möglichkeit einer Freitodhilfe in Deutschland erwarten. Hier wären vorab einige redaktionelle Hinweise für das Publikum in Deutschland hilfreich gewesen. Diese seien hier nachgeholt: 2020 hat das Bundesverfassungsgericht ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben festgestellt, das heißt man darf sein Leben selbst beenden und dazu Hilfe annehmen, wenn sie angeboten wird. Dieses Recht hat das BVerfG an die Freiverantwortlichkeit der Freitod-Entscheidung gebunden und dazu einen Rechtsrahmen vorgegeben. Seitdem bieten entsprechende Organisationen in Deutschland einen Zugang innerhalb dieses vorgegebenen Rechtsrahmens an.

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