BERLIN. Der „Humanistische Verband Deutschlands“ (HVD) unterstützt den „Solidaritätsaufruf Sterbehilfe“ vom 20. März 2007.
Er hofft, dass weitere Initiativen dieser Art folgen, z.B. von Juristinnen und Juristen, die sich hinter die Beschlüsse ihres 66.Deutschen Juristentages 2006 stellen.
Initiiert wurde der „Solidaritätsaufruf Sterbehilfe“ im Wesentlichen von namhaften deutschen Ärzten und Ärztinnen. Anlass war die aktuelle Sterbehilfe-Diskussion in Frankreich. Die zwanzig Erstunterzeichnenden des Aufrufs, darunter auch der Schauspieler Michael Lesch, fordern, dass „Sterbehilfe aus ärztlichen Gewissensgründen nicht länger verteufelt werden darf und soll.“ Sie wenden sich damit gegen die Kriminalisierung von Ärztinnen und Ärzten, die den Patientenwillen am Lebensende umsetzen. Im Gegensatz zu den etwa 2.000 französischen Ärztinnen und Ärzten, die vergangene Woche eine Unterschriftenaktion initiiert hatten, geht es den hiesigen Unterzeichnern nicht um die Freigabe der Tötung auf Verlangen. Die Erstunterzeichner rufen Kolleginnen und Kollegen und in der Sterbehilfe-Debatte engagierte Personen und Initiativen dazu auf, dieses Anliegen zu unterstützen. Der Solidaritätsaufruf kann auf der Internetseite von „Pro Sterbehilfe“ unterzeichnet werden.
Zur Gründung der Initiative erklärte ich heute im Namen des HVD: „Der Humanistische Verband solidarisiert sich mit dem Anliegen des Aufrufs. Es ist davon auszugehen, dass auch hierzulande nicht wenige Ärzte nach der derzeitigen Rechtslage meinen, möglicherweise strafbar zu handeln, wenn sie den Patientenwillen eines schwerstkranken Menschen umsetzen. Wir fordern die Politik, die Kirchen und auch die organisierte Ärzteschaft auf, den Begriff der Sterbehilfe endlich zu enttabuisieren: Hilfe beim Sterben ist zutiefst humanitär, wenn es darum geht, den Willen des Patienten umzusetzen.
Unser Verband unterstützt den Aufruf der Zwanzig. Auch wir schließen aus unserer langjährigen Patientenverfügungs- und Hospiz-Praxis, dass es eine empirisch nachweisbare Tatsache ist, dass Leidlinderung, Schmerztherapie, Sterbehilfe- und Sterbebegleitung nicht schematisch voneinander abzugrenzen, sondern ineinander verwoben sind. Wie namhafte Juristen, Ethiker und sogar einige Theologen sind auch wir der Meinung, dass Sterbehilfe mit dem ärztlichen Ethos vereinbar ist und moralisch-ethisch darüber hinaus geboten sein kann.
Weder der Humanistische Verband noch die meisten anderen Organisationen, die für einen selbstbestimmten Patientenwillen eintreten, sind für die Freigabe der Tötung auf Verlangen bzw. der aktiven direkten Sterbehilfe. Der Humanistische Verband unterstützt mit Nachdruck alle politischen Bestrebungen, die das Selbstbestimmungsrecht der Menschen am Lebensende stärken und dabei den behandelnden Ärzten eine größtmögliche Rechtssicherheit mit auf den Weg geben wollen. Wir wissen uns im Einklang mit der überwiegenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung und fordern deshalb den Deutschen Bundestag auf, bei den Beratungen zu dem geplanten Patientenverfügungsgesetz den Willen der Bürgerinnen und Bürger zu achten.
Der Humanistische Verband beobachtet mit Sorge, dass einige Bundestagsabgeordnete die Reichweite von Patientenverfügungen einschränken wollen. Dies wäre ein Rückschritt hinter die bisherige Praxis und eine Ohrfeige für das Selbstbestimmungsrecht der Patienten. Wir unterstützen deshalb den Gesetzentwurf des sozialdemokratischen Rechtspolitikers Joachim Stünker, obwohl der HVD darüber hinausreichende Forderungen hat.“
Unsere Haltung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Der Humanistische Verband Deutschlands tritt für umfassenden Patientenschutz ein, der sich ausschließlich am Wunsch, Wille und Wohl des einzelnen zu orientieren hat. Aus dieser Maxime leiten sich alle weiteren Vorschläge ab bis hin zur Bejahung des ärztlich begleiteten Suizids. Dabei wollen wir einen speziellen „deutschen Weg“ gehen (also nicht den Holländischen) und richten unser Bestreben auf zwei Ziele:
- Erstens möchten wir den Wunsch und das Verlangen nach Euthanasie im Sinne einer Tötung durch fremde Hand überflüssig machen. Deshalb wollen wir eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe nicht auf der Zulässigkeit der Tötung auf Verlangen aufbauen. Was wir hier wollen ist eine Ergänzung des § 216 StGB dahingehend, dass eine Straffreistellung bei Erfüllung des Sterbewunsches hinzugefügt wird für den Fall des Unterlassens oder Abbruchs lebensverlängernder Maßnahmen, wie sie eigentlich schon Praxis sind; und eine Ergänzung des § 34 StGB (rechtfertigender Notstand), wenn gemäß Behandlungsverzicht oder assistiertem Suizid gemäß einer Patientenverfügung gehandelt wird.
- Zweitens wollen wir keine Fremdbewertung individueller Lebensqualität zulassen, weshalb wir auf Patientenverfügungen setzen. Gerade deshalb hat der HVD „Zehn Qualitätskriterien“ vorgeschlagen.
Wir hoffen, dass sich die Vernunft durchsetzt. Diese gebietet eine rationale Betrachtung auch der Sterbehilfe in Deutschland. So emotional aufgeladen und persönlich die Debatte logischerweise ist – schließlich geht es um unser aller letzte Lebensphase – es gilt, die Menschenwürde zu achten und den Patientenwillen zu stärken.
Dr. Horst Groschopp
Bundesvorsitzender des HVD