EU will Wasserversorgung privatisieren

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Kampagnenlogo "Right2Water"

BRÜSSEL. (hpd) Nach Informationen des TV-Magazins Monitor will die EU-Kommission in einer Geheimoperation die Wasserversorgung privatisieren. Der Zugang zu sauberem Trinkwasser, obwohl seit Juli 2010 ein von der UN verbrieftes Menschenrecht (Resolution 64/292), soll zum Spekulationsobjekt von Unternehmen wie der deutschen RWE und Gelsenwasser oder europäischer Großkonzerne wie Thames Water oder Veolia werden.

Die europaweite Bürgerinitiative Right2Water ruft dagegen auf zum Protest. Humanisten sollten die Kampagne „Wasser ist ein Menschenrecht“ mit ihrer Unterzeichnung unterstützen. Eine Millionen Unterschriften aus mindestens sieben der 27 EU-Mitgliedstaaten werden gebraucht, damit sich die Europäische Kommission mit dem Anliegen der Bürgerinitiative befassen muss.

Monitor hatte seinen Bericht „Geheimoperation Wasser“ schon im Dezember ausgestrahlt. „Klammheimlich“, hieß es darin, „versteckt in einer Richtlinie, versucht die Europäische Kommission gerade ein Jahrhundertprojekt durchzusetzen. Es geht um nicht weniger als um die europaweite Privatisierung der Wasserversorgung“. Vor der Kamera kommen verzweifelte Bürger aus Portugal zu Wort. Nach dem Verkauf der Wasserwerke ihrer Gemeinde können sie kaum noch die bis zu 400 Prozent gestiegenen Trinkwasserpreise bezahlen.

Zugang zu Trinkwasser - ein Menschenrecht!

Weil Krisenländer wie Portugal oder Griechenland dringend Geld brauchen, zwingt die EU-Kommission sie in Geheimverträgen (Monitor zitiert daraus auf seiner Internetseite) zum Verkauf. So sollen etwa die großen Wasserwerke von Athen und Thessaloniki unter Druck privatisiert werden. Und die Krisenstaaten machen erst den Anfang, fürchten Kritiker wie Heide Rühle, EU-Parlamentarierin der Grünen: „Die Konzessionsrichtlinie macht es nicht direkt, öffnet nicht direkt der Wasserprivatisierung die Tür, sie macht es durch die Hintertür.“

Die EU-Richtlinie, nach der die Wasserlizenzen europaweit ausgeschrieben werden sollen, rechtfertigt der für den EU-Binnenmarkt zuständige Kommissar Michel Barnier mit der Behauptung, man brauche eben Regeln und (nach der Übersetzung von Monitor) wörtlich: „Jede deutsche Kommune wird weiterhin über ihr Wasser entscheiden können, jetzt aber geben wir ihr die Möglichkeit, das Wasser auch einem privaten Partner anzuvertrauen. Jetzt wird auch das geregelt – zum Wohle des Verbrauchers.“

Zum Wohle des Verbrauchers? In Berlin, wo die Wasserbetriebe schon 1999, jedoch nur zum Teil privatisiert worden waren, hatten die Bürger gegenteilige Erfahrungen gemacht und zwangen die Stadt mit Massenprotesten die Wasserwerke teuer zurückzukaufen. Gerlinde Schermer von der Bürgerinitiative Berliner Wassertisch drückte es gegenüber Monitor so aus: „Die Berliner Erfahrung zeigt, dass auch eine Teilprivatisierung ein so genanntes öffentlich-privates Partnerschaftsgeschäft in Wirklichkeit nur den Privaten nützt. Die haben die Rendite und wir bezahlen.“ Eine Studie der Universität Barcelona von 2010 bestätigt diese Erfahrungen: Nach der Privatisierung besserte sich die Qualität des Wassers nicht wie versprochen, sondern wurde nur erheblich teurer.

Warum sich die EU-Kommission denn derart gegen den Willen der europäischen Bevölkerung entscheide, fragten sich die Monitor-Rechercheure und fanden einen Teil der Antwort in der Zusammensetzung der „Steering Group“, der Expertengruppe, von der sich die EU-Kommission in Fragen der Wasserpolitik beraten lässt. „Die Teilnehmerliste ist erstaunlich“, mussten die Journalisten konstatieren, „darin sitzen hauptsächlich Vertreter der Wasserindustrie und verwandter Industriebereiche.“ Als das heraus kam, war das selbst dem maßgeblichen EU-Kommissar Barnier peinlich, Monitor zitiert ihn mit dem Statement: „Wenn Sie von mir hören wollen, dass unsere Expertengruppen ausgeglichener besetzt sein sollten, gebe ich Ihnen gerne Recht.“ Doch davon, dass die Steering Group in ihrer Zusammensetzung verändert wurde, wurde bislang nichts bekannt.

Mit anderen Worten: Die Wasserlobby kann ihren Einfluss auf die EU-Politiker weiterhin ungehindert gelten machen. Und zumeist wohl eher selten zum Wohl des Verbrauchers, bemängelt auch der Präsident des Deutschen Städtetages Christian Ude: „Es ist wirklich bedauerlich, dass mancher Wettbewerbskommissar nur noch die Bedürfnisse seiner Gesprächspartner aus den Konzernchefetagen kennt und nicht die Bedürfnisse der Bevölkerung.“

Um die Anerkennung und Umsetzung des universellen Rechts auf Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung in Europa und der Welt voranzutreiben und dem Einfluss der international wirkenden H2O-Lobby zu entziehen, hat sich mit „Wasser ist ein Menschenrecht“ eine der ersten Europäischen Bürgerinitiativen zusammengeschlossen. Mit dabei der Europäische Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD), in Deutschland vertreten durch Verdi, und Organisationen wie Attac und andere. Die EU-Institutionen sollen dafür sorgen, fordert die Initiative mit Nachdruck,

  • dass allen Bürgern und Bürgerinnen das Recht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung zusteht,
  • die Versorgung mit Trinkwasser und die Bewirtschaftung der Wasserressourcen nicht den Binnenmarktregeln unterworfen wird,
  • die EU ihren Einfluss stärker geltend macht einen universellen Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung zu erreichen.

Frisches, klares Wasser ist eines der kostbarsten Güter der Welt. Weltweit haben 884 Millionen Menschen keinen genügenden Zugang zu sauberem Wasser. Jedes Jahr sterben Millionen, weil ihnen diese Ressource verwehrt ist, kommen durch verunreinigtes Wasser vor allem Kinder um. 2,6 Milliarden Weltbürger verfügen nicht einmal über einfache sanitäre Anlagen. Die Kampagne „Wasser ist ein Menschenrecht“ braucht Unterstützung.

Tom Brandenburg