Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl 2025

Wie stehen Parteien zu säkularen Themen?

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Das Podium der Veranstaltung am 13. Februar 2025
Das Podium
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Am vergangenen Donnerstag luden der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) und die Evolutionären Humanisten Berlin-Brandenburg (ehbb) Berliner Politiker ein, um über Themen zu reden, die für religionsfreie Menschen bei einer Wahlentscheidung von Belang sein könnten. Es wurde ein spannender Abend.

Der hpd hat in den letzten zwei Wochen Analysen der Wahlprogramme der Parteien, die im Bundestag vertreten sind, veröffentlicht. Die gemeinsame Veranstaltung von IBKA und ehbb im Berliner "Haus der Demokratie und Menschenrechte" ermöglichte es, Politiker*innen direkt mit Fragen zu konfrontieren.

Mit Katina Schubert (LINKE), Dr. Marius Strubenhoff (FDP), Pauline Raabe (VOLT), Henry Schmidt (PdH) und Sabine Smentek (SPD) war das Podium gut besetzt. Leider waren trotz Einladungen keine Vertreter der CDU und von Bündnis 90/Die Grünen gekommen. Die Diskussion leitete Silvia Kortmann (IBKA), die kurzfristig für den erkrankten Philipp Möller (Zentralrat der Konfessionsfreien) eingesprungen war.

"Welche Chancen und Risiken bieten die Neuwahlen für den weltanschaulich neutralen Staat?"

Mit dieser Frage wurde die Podiumsdiskussion eröffnet. Pauline Raabe antwortete als erste und verwies auf die Neutralitätspflicht des Staates: "Das bedeutet unter anderem auch, dass es keine religiösen Eide bei einer Vereidigung geben sollte." Sie wies darauf hin, dass mit großer Wahrscheinlichkeit die CDU die nächste Regierung stellen wird. "Wir werden die Hoffnung aufgeben müssen, dass sich mit dieser Regierung für unsere Themen etwas bewegt."

"Gibt es eine Chance für eine Abschaffung des Paragrafen 218 in den kommenden Jahren?"

"Unsere Partei war schon immer für eine ersatzlose Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch", antwortete Katina Schubert. Sie stellte klar, dass keine Frau leichtfertig abtreibe und das "als alternative Verhütungsmethode ansieht." Letzte Woche hätte es die Möglichkeit gegeben, diesen Paragrafen abzuschaffen. Leider kam es nicht zur Abstimmung im Bundestag, weil Union und FDP das verhindert haben. "Ich fürchte, wenn CDU, CSU und die AfD tendenziell eine Mehrheit bekämen – und bei der AfD wissen wir, dass es da viele Verbindungen in evangelikale Kreise gibt – wird es noch schwerer" säkulare Themen im Bundestag zur Sprache oder gar zur Abstimmung zu bringen.

"Beim Paragrafen 218 bin ich auch ganz persönlich der Meinung, dass er nicht im Strafgesetzbuch stehen soll", bestätigte Strubenhoff. Auch wenn in anderen politischen Feldern die Haltungen der LINKEN und der FDP auseinander gehen: Hier treffen sie sich. Das wurde jedoch angezweifelt, weil die Partei sich bei der Bundestagsdebatte gegen die Abschaffung ausgesprochen hat. "Ich verteidige jetzt mal Christian Lindner", antwortete Strubenhoff. Lindner habe das jetzt nicht entscheiden wollen, weil die Debatte auch anders als in seinem Sinne hätte ausgehen können.

"Das ist mehr als enttäuschend", konterte Smentek. Es sei enttäuschend, dass die Entscheidung nicht zustande kam, "obwohl es eine Mehrheit im Bundestag dafür gab". "Wir werden wahrscheinlich nie wieder die Chance haben – jedenfalls nicht in den nächsten vier Jahren" den Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. "Wir haben einen breiten Konsens in der Gesellschaft dazu" und es lasse viel Bitterkeit zurück, es jetzt nicht geschafft zu haben.

218 ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Gesetz "irgendwann mal aus Kirchenrecht entstanden ist und das bis heute Bestand hat", erklärte Schmidt. "Wir haben uns 1919 in die Verfassung geschrieben (…), dass Staat und Kirche getrennt zu sein haben." Darum gehörten solche Dinge wie der Paragraf 218 in kein Gesetz.

"Gibt es Perspektiven, den sogenannten 'Gotteslästerungsparagrafen' abzuschaffen?"

Auch hier waren sich alle auf dem Podium versammelten Parteien beziehungsweise Politiker*innen einig, den Paragrafen 166 abschaffen zu wollen. Dem Argument, dass es unter anderem jüdische Gemeinden seien, die sich durch Paragraf 166 geschützt fühlen würden, wurde vehement widersprochen. Denn es gäbe andere Gesetze – auch im Strafgesetz – die bei Antisemitismus oder Volksverhetzung greifen würden. Es bleibe also die Frage, so Kortmann, "wen schützt dieser Paragraf tatsächlich?" Schubert antwortete, dass sie verstehe, "dass man nach dem 7. Oktober solche Debatten [im Bundestag] nicht führen wollte." Trotzdem müsse das Thema angepackt werden, "denn der Gotteslästerungsparagraf ist ein Gummiparagraf" der nicht immer schütze, was er vorgibt zu schützen. "Wenn Karikaturen von Imamen auftauchen, dann hat das nichts mit Gotteslästerung zu tun."

Foto: © Evelin Frerk
Das Podium der Veranstaltung am 13. Februar 2025, Foto: © Evelin Frerk

"Ist Religionsunterricht noch zeitgemäß?"

Katina Schubert begann mit dem Hinweis, dass es in Berlin eine besondere Situation gäbe. Hier ist "Religionsunterricht Sache der Religionsgemeinschaften und es gibt ein entsprechendes säkulares Angebot: Humanistische Lebenskunde vom HVD". Es ärgere sie, dass die neue Berliner schwarz-rote Koalition Religionsunterricht als Pflichtunterricht in den Koalitionsvertrag geschrieben habe. Das sei anachronistisch, weil es doch eine allgemeine "Lebenskunde, Religionskunde, Weltanschauungskunde geben müsste – unabhängig vom Bekenntnis."

Henry Schmidt wies darauf hin, dass der Religionsunterricht vom Staat bezahlt wird, obwohl er allein den Interessen der Religionsgemeinschaften diene. "An anderer Stelle werden Gelder gekürzt, aber hier wird weiterhin bezahlt."

"Weshalb gibt es noch immer ein kirchliches Arbeitsrecht?"

"Ich bin aus allen Wolken gefallen, als ich hörte, dass es ein Sonderrecht für kirchliche Angestellte gibt", gestand Pauline Raabe. Es sei ihr zuvor – wie vielen anderen Menschen – überhaupt nicht bekannt gewesen, dass diese kein Streikrecht haben und dass es innerhalb dieses Rahmens normal sei, das Privatleben der Mitarbeiter zu bewerten.

"Was ich noch verstehen könnte", ergänzte Sabine Smentek, "dass für alle, die im sogenannten 'Verkündigungsbereich' tätig sind, andere Regeln gelten." Aber doch nicht für "normale" Angestellte und Arbeiter. "Warum gibt es das noch?", fragte sie weiter, "wo sich doch alle einig sind, dass es abgeschafft gehört."

Damit war die Diskussion eröffnet, weshalb politische Entscheidungen häufig nicht den Mehrheitswillen der Bevölkerung widerspiegeln. Als Beispiele wurden das eben erwähnte kirchliche Arbeitsrecht genannt, aber auch die Debatte um die Sterbehilfe und um Schwangerschaftsabbrüche. Bei allen Themen gibt es deutliche Mehrheiten innerhalb der Bevölkerung, im Politikbetrieb findet das aber keinen Widerhall.

Smentek wies darauf hin, dass es auch innerhalb ihrer Partei (noch) Menschen an den Hebeln der Macht gebe, "die entweder der evangelischen oder der katholischen Kirche sehr verbunden sind." Hubertus Heil zum Beispiel als zuständiger Minister habe sich geweigert, die Beschlüsse der Partei zur Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts umzusetzen, "weil er anderer Meinung war". Das Problem haben auch andere Parteien; auch die ohne ein "C" im Namen.

"Es gibt keinen Grund für dieses kirchliche Arbeitsrecht", ergänzte Katina Schubert. Das sei in ihrer Partei Konsens. Obwohl es auch bei den LINKEN deutlich christlich geprägte Spitzenpolitiker gebe wie Bodo Ramelow. "Der ist aber gleichzeitig Gewerkschafter (…) und tritt für die Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts ein." Im Übrigen sei sie überzeugt, dass im Zuge des Fachkräftemangels das kirchliche Arbeitsrecht von ganz allein obsolet würde.

Eine Art Fazit

"Die Zeit arbeitet für uns", antwortete Sabine Smentek auf die Frage aus dem Publikum, weshalb es so langsam vorangehe und säkulare Themen in der Politik so wenig Beachtung finden. "Die nächste Generation, die in dieser eher freien und nicht mehr so christlich geprägten Gesellschaft groß geworden sind und andere Weltanschauungen kennengelernt haben und anders leben wollen" werde irgendwann im Bundestag sitzen. Und sicher umsetzen, was heute gefordert wird.

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