MIZ 4/12 erschienen

ASCHAFFENBURG. (hpd) Viren und Bakterien ist es geschuldet, dass MIZ 4/12 einigermaßen verspätet herausgekommen ist. Inhaltlich geht es im Schwerpunkt um Spaghettimonster und rosa Einhörner – oder, ernsthaft, um Religionsparodien und ihre Funktion.

Im Editorial kündigt Frank Welker an, dass die Redaktion mit diesem Heft die Abkehr vom Atheismus vollzieht und sich dem Glauben zuwendet: dem Glauben ans rosa Einhorn, an einen grünen Kobold mit Lichtschwert, an Biervulkan und Stripperfabrik. Und wer’s nicht glaubt...

Atheismus mit anderen Mitteln

Doch bevor Verwirrung aufkommt, erläutert Redaktionsmitglied Daniela Wakonigg, dass der Glaube an eine der sogenannten Spaßreligionen letztlich eine Fortführung des Atheismus mit anderen Mitteln ist. Ausgehend von Bertrand Russells berühmter Teekanne zeigt sie, dass 1990 die erste moderne Religionsparodie in einem atheistischen Diskussionsforum entstand. Der „Fun-Faktor“ spielt dabei eine große Rolle, aber es geht nicht nur ums Quatschmachen: Im April 2012 sorgten Pastafari in Melbourne für ordentlich Verwirrung, als sie sich unter muslimische Demonstranten mischten und mit diesen gemeinsam gegen den Atheismus protestierten...

Diese Möglichkeit, in bestimmte Diskussionen zu intervenieren und veränderte Wahrnehmungen zu provozieren, wird auch in Niko Alms Bericht über die Geschichte seines Führerscheins deutlich. Er hatte ein Bild abgegeben, das ihn mit einem Nudelsieb auf dem Kopf zeigt, weil ihm dies als Anhänger der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters (FSM) aus religiösen Gründen so vorgeschrieben sei – europaweit berichteten die Medien über den Vorfall. Wobei sich hier möglicherweise ein Schisma in der noch jungen Religionsgemeinschaft abzeichnet. Denn Bruder Spaghettus erklärt im Interview nur eine Seite zuvor, dass die eigentlich korrekte Kopfbedeckung für FSM-Jünger das Piratentuch sei...

Nudelige Anhängsel und fernöstliche Leere

Ums Fliegende Spaghettimonster drehen sich auch die Beiträge von Katja Angenent und Elli Spirelli, wobei letzterer bereits vor Erscheinen ein Gegendarstellungsbegehren nach sich zog (eine komplizierte Sache, in der es um Mäuse und die Folgen des kirchlichen Arbeitsrechts geht – die Redaktion hat zugesichert, hpd auf dem Laufenden zu halten).

Lorenz Meyer kritisiert in seinem Aufsatz die „krude Irrlehre des Feng Shui“. Als wahre asiatische Leere propagiert er Shen Fui, erläutert dessen Entstehung und Bedeutung für gesundes Leben und Glückseligkeit.

Säkularisierung, Laizismus und der Verfall der Moral

Die Behauptung, dass mit einer Säkularisierung ein Verfall der Moral einhergehe, wird gern in Anschlag gebracht, wenn es darum geht, Zuschüsse für kirchliche Einrichtungen einzufordern. Allerdings, so macht Roland Ebert deutlich, hat diese These einige Schwächen und selbst kirchenfreundliche Wissenschaftler sehen sie eher skeptisch. Gleiches gilt für die Gläubigen, die eher von ihren Kirchen Anpassungen an die Realität erwarten. (Der Artikel wurde ein paar Wochen vor den Kölner Vorfällen um eine mutmaßlich vergewaltigte Frau in zwei katholischen Kliniken verfasst.)

In einem ähnlichen Sinne fordert Adrian Gillmann den Laizismus politisch besser zu positionieren, eben weil der Staat heute kein übergeordnetes Sinnsystem mehr bieten kann und die Religionen den Staat „in ihrer symbolischen und repräsentativen Sinnstiftung“ nicht begründen können. Laizität erscheint ihm als beste Grundlage für die Kooperation und Konkurrenz der unterschiedlichen Sinnsysteme.

Um eine Frage der praktischen Ethik geht es im Beitrag von Erwin Kress: um Suizidhilfe. Anlässlich des Erscheinens des Buches „Suizidhilfe als Herausforderung“ kritisiert er Kirchen und Bundesärztekammer, denen die nun auf den Gesetzesweg gebrachte Verschärfung der „gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ nicht weit genug geht.

Die säkulare Szene und die falschen Freunde

„Rechte in der säkularen Szene sind selten, aber ein deutliches Zeichen für eine falsche Außenwirkung“, meint Malte Jessl. In seinem Artikel führt er einige Beispiele dafür an, dass sich Personen mit mehr oder weniger rechtem Gedankengut im Dunstkreis vor allem der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) bewegen. Da es sich um wenige Figuren ohne nennenswerten Einfluss handele, könne von einer „Unterwanderung“ keine Rede sein. Und doch müsse die säkulare Szene sich fragen lassen, welche Anziehungskraft sie auf diese Leute ausübe. Jessl führt ind Bezug auf die gbs zwei Aspekte an, die hier wirksam werden könnten: die „Provokationshaltung“ und die „biologistische „Schlagseite“.

In weiteren Beiträgen kommentiert Gunnar Schedel das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Streikrecht in Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft und Ulrich Klemm stellt mit Leo Tolstoi einen religiösen Anarchisten vor, dessen Verständnis von Christentum ihn zu einem entschiedenen Kritiker kirchlicher Religiosität sowie der Kooperation von Staat und Kirche machte.

Daneben gibt es Berichte über säkulare Veranstaltungen und Webseiten, Buchbesprechungen sowie die Internationale Rundschau mit einschlägigen Kurzmeldungen aus aller Welt.

Martin Bauer

Hier geht’s zur aktuellen MIZ.