MIZ 2/24 erschienen

Tempel Wissenschaft – Erfolgsmodell oder: Denken zum Nutzen der Menschheit

Zum zweiten Mal widmet die MIZ dem Thema "Wissenschaft" einen Schwerpunkt. Ging es im letzten Jahr um Wissenschaftsfeindlichkeit, wird im aktuellen Heft Wissenschaft als Erfolgsmodell beschrieben.

Wissenschaft wird als Denkmethode gesehen, die darauf ausgerichtet ist, das Wissen über die Welt zu erweitern, wodurch die Menschen befähigt werden, diese zum Nutzen aller zu verändern. Diese Perspektive bestimmt die Auswahl der Artikel, und trotzdem spricht Nicole Thies im Editorial die Dialektik der Aufklärung an: War die Spaltung des Atomkerns eine Sternstunde der Wissenschaft?

Der Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer verweist im Interview auf eine paradoxe Entwicklung: Wissenschaft vermehrt unser Wissen und "gibt den Menschen Macht über die Welt" – gleichzeitig wirft jeder Erkenntnisfortschritt aber neue Fragen auf, weil alles offenbar viel komplexer ist als je gedacht. Macht Wissenschaft die Welt insofern wirklich durchsichtiger?

Bernd Harder erinnert an einen spektakulären Erfolg von Wissenschaftskommunikation: die Entlarvung des Löffelbiegers Uri Geller durch James Randi. In der Medizin ist der wissenschaftliche Fortschritt zum Nutzen aller vielleicht am offensichtlichsten, wie alleine schon die gestiegene Lebenserwartung zeigt. Michael Scholz beschreibt den langen Weg hin zu einer evidenzbasierten Medizin, und Udo Endruscheit legt anhand des "Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes" dar, dass der Weg noch nicht zuende gegangen ist.

Sozialarbeit und Mission

Dass kirchliche Sozialträger ihre sozialen Dienstleistungen als "Verkündigungsarbeit" definieren, wird heute von niemandem mehr ernst genommen, da sich deren Arbeit in Krankenhäusern, Altenheimen oder Sozialstationen nicht von der weltlichen Konkurrenz unterscheidet. Ob das bei Mission Freedom auch so ist, stellt Matthias Pöhl in seinem Beitrag infrage. Denn die Vorsitzende des Vereins ist eine evangelikale Predigerin und die Zweite Vorsitzende leitet ein Gebetshaus. Und es gibt weitere Anzeichen, die darauf hindeuten, dass "Mission" hier im religiösen Sinn verstanden werden kann. Nachdem der Verein bislang im Bereich Menschenhandel und Prostitution tätig war, wurde nun eine Einrichtung zur stationären Betreuung für minderjährige Betroffene von sexuellem Missbrauch eröffnet.

Im zweiten Beitrag in der Rubrik "Staat und Kirche" erörtert DGHS-Präsident Robert Roßbruch die Frage der Freiverantwortlichkeit im Kontext der Suizidhilfe anhand von zwei aktuellen Urteilen.

Islamische Parteien, islamistische Narrative

Als Anfang des Jahres die im Entstehen begriffene Partei DAVA ankündigte, an den Europawahlen teilzunehmen, war die Aufregung groß. Denn die "Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch" wurde von vielen als verlängerter Arm des türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan gesehen. Lale Akgün wirft einen Blick auf Anspruch und Wirklicheit bei DAVA und vergleicht die Partei mit vergangenen Versuchen, das konservativ-islamische türkischstämmige Wählerspektrum anzusprechen.

Ein Video der Satiregruppe "Datteltäter", das über das öffentlich-rechtliche Online-Angebot "Funk" abgerufen werden kann, kritisiert Zeinab Herz. (Siehe auch den Artikel im hpd dazu.) In der Behandlung des Themas "Kopftuchtragen" sieht sie islamistische Narrative und die Abwertung von Ex-Musliminnen. Ergänzt wird der Artikel durch Informationen zu einer Umfrage der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes zum "Kinderkopftuch".

Mitgliedschaft oder Zugehörigkeit?

Derzeit findet, angestoßen durch die Ergebnisse eines Forschungsprojektes der Universität Leipzig, eine Debatte statt, ob die Mitgliedschaft und damit die Zahl der Mitglieder, die Grundlage für die Zumessung von Bedeutung an Weltanschauungsvereinigungen abgeben sollte. Oder ob nicht andere "Messgrößen" wie "Zugehörigkeit" dies angesichts sich verändernder gesellschaftlicher Realitäten besser können. Ralf Schöppner von der Humanistischen Akademie plädiert dafür, während IBKA-Mitglied Gunnar Schedel eher skeptisch ist.

Über einen Offenen Brief an den Gemeinderat von Bad Boll berichtet Bernd Cunow. Denn in dem Dorf findet sich eine fragwürdige Offenheit der kommunalen Webseite für fragwürdige "Gesundheitsdienstleister".

Daneben bietet das Heft die Rubrik "Zündfunke" und eine Rezension – aber keine Internationale Rundschau. Wie angekündigt hat die Redaktion darauf verzichtet und stattdessen an Gerhard Rampp erinnert, der diese Rubrik 40 Jahre lang betreut hat und Anfang Mai plötzlich verstorben ist.

Weitere Informationen zur aktuellen MIZ auf der Webseite der Zeitschrift.

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