Humanismus – Laizismus – Geschichtskultur

hpd: Ein Thema ist die Feier- und Gedenkkultur. Wie wichtig ist ein solcher Bereich eher symbolischer Politik?

Horst Groschopp: Das darf nicht unterschätzt werden. Hier findet Menschenbildung statt. Wir erleben doch gerade den Weiterbau an einer bestimmten Geschichtskultur, die in den kommenden Jahren, bis zum Luther-Jahr 2017, die öffentliche Wahrnehmung zu bestimmen versucht. Die zweitgrößte Bundestagsfraktion stellt sich darauf gerade wohlwollend ein. Ohne Humanismus – keine Reformation: Aber wo kommt in den Schulen diese kulturmächtige Kraft vor, wo in öffentlichen Räumen oder gar im Fernsehen. Tapfer, tapfer, wenigstens die Medici kommen vor, aber als moralisch schlimme Finger, nicht als Förderer der studia humanitatis.

hpd: Sind hier Veränderungen notwendig?

Horst Groschopp: Gewiss, ich sehe drei Felder. Da sind zum einen die öffentlichen Trauerfeiern. Hier sollte als Mindeststandard das gelten, was die Bundeswehr macht: Die Betroffenen entscheiden, welche Religion oder Nichtreligion zelebriert werden soll. Nicht immer nach dem Hase-Igel-Spiel: Der Pfarrer steht schon in der Furche.

Das zweite Feld ist die öffentliche Erinnerungs- und Gedenkkultur. An wen oder was wird warum und wie gedacht? Es geht hier um öffentliche Nachrufe, Schweigeminuten, Kranzniederlegungen usw. usf. und um die Frage: Was wird zur Staatsfeier erhoben, wer hält die Rede – bis hin zu der bevorstehenden 500-Jahr-Feier der Reformation. Da liefert der Sammelband einige Vorschläge, wie den von Joachim Kahl, aber auch Fragen, ob etwa der Staat überhaupt solche Feiern ausrichten sollte (Rüpke). Hier bedarf es des ernsthaften Nachdenkens.

Ein drittes Feld ist die eigene Geschichtskultur derer, die sich humanistisch nennen. Ganz elementar: Wer nichts aufbewahrt, nichts ausstellt, hat keine Geschichte. Und wer keine Geschichte hat, ist kulturlos.

hpd: Wie könnte diese Geschichtspflege aussehen? Und wie lässt sie sich erreichen?

Horst Groschopp: Wie wäre es denn mit örtlichen Ausstellungen und Zusammenarbeit mit regionalen Museen? Hier wie sonst wird man aber nichts gewinnen mit antiklerikalen Parolen. Das kann man im eigenen Vereinsheim durchziehen, wenn man eines hat, und dort eine kämpferische Wandzeitung machen.

Wie sieht es aus mit kenntnisreichen Leserbriefen? Ein anderer Weg wären Internet-Präsentationen. Aber auch dazu braucht man Material und Antworten auf die Frage, was denn unsere Symbole sind. Die Freidenkerfackel? Die Feuerschale? Gar die Urne, wegen der Feuerbestattung? Da brennt immer irgendetwas, aber es ist auch mehr als Kerzenlicht...

hpd: Wie können wir uns eine eigenständige humanistische Geschichtskultur vorstellen?

Horst Groschopp: Das ist zum einen schon deshalb schwierig, weil solches Erinnern Bilder vom Humanismus voraussetzt, nach denen man in der Vergangenheit und oder Gegenwart sucht, um Antworten auf die Frage zu finden, welches Erbe denn angeeignet oder ausgeschlagen werden soll. Um es an einem Beispiel zu sagen: Der HVD erinnert sich nach wie vor in erster Linie an seine Freidenkergeschichte, obwohl inzwischen seine Praxis – von „Lebenskunde“ bis „weltlicher Seelsorge“ – historisch den ethischen Kulturgesellschaften folgt, den „Humanistengemeinden“ ab 1892.

Hinzu kommt, Erinnerung ist weites Feld, betrifft Ausstellungen, Filme, Dokumentarfilme, Reportagen und Kommentare in Rundfunk und Fernsehen, Presse, Politische Magazine, Unterhaltungsblätter, Gedenkstätten, Friedhöfe, Denkmale, Ehrenhaine, Hinweisschilder, Straßennamen, Museen... Das ist nur langfristig, bündnispolitisch, seriös und intellektuell zu erreichen – womit wir wieder bei der Grundfrage wären, die das Buch behandelt: Welchen Weg sollen wir gehen?

Die Fragen stellte Martin Bauer.

Horst Groschopp (Hrsg.): Humanismus – Laizismus – Geschichtskultur. Schriftenreihe der Humanistischen Akademie Berlin, Bd. 6. Aschaffenburg: Alibri 2013. 225 Seiten, Abbildungen, Euro 18.-, ISBN 978-3-86569-114-9

Das Buch ist im denkladenerhältlich.