Pfadfinder Österreichs bleiben religiös

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Internationales Pfadfindertreffen in Schweden / Foto: ppoe.at

WIEN. (hpd) Mehrere Pfadfinder-Organisationen weltweit diskutieren, ob sie die religiösen Formeln bei den Eintrittseiden abschaffen. In Australien ist das geschehen, in Großbritannien dürfte das bald bevorstehen. In Österreich ist die Diskussion nicht angekommen, wie hpd-Korrespondent Christoph Baumgarten herausgefunden hat.

Philipp Pertl, Pressesprecher der Pfadfinderinnen und Pfadfinder Österreichs muss nicht lange überlegen, um die hpd-Frage zu beantworten. „Bei uns stellt sich die Frage nicht, ob wir die religiösen Formeln kippen. Es hat noch niemand zur Diskussion gestellt.“ Wofür er einen Erklärungsansatz hat: „Wir leisten gute Arbeit im spirituellen Bereich.“

„Jeden Tag eine gute Tat“ – so lautet für Außenstehende das – wahrscheinlich etwas abgedroschene - Pfadfinder-Klischee. Verbunden mit Zeltlagern im Freien und bemerkenswerten Fertigkeiten in Orientierung und Knotenknüpfen. Dass es bei den Pfadfindern nicht nur um Hilfsbereitschaft und Abenteuer geht sondern sehr viel um Religion, passt nicht ganz in das Klischee. Das mag daran liegen, dass die meisten Pfadfinder-Organisationen das nicht betonen müssen. Sie setzen sie als gegeben voraus. Auch die PPÖ, die von der internationalen Pfadfinderinnen- bzw. Pfadfinderorganisation als Österreich-Vertretung anerkannt sind, tragen die religiöse Ausrichtung weder vor sich her noch verstecken sie sie. Sie ist einfach da.

Gottesbezug und religiöse Erziehung unabdingbar

So lautet das PfadfinderInnen-Gesetz in der Verbandsordnung der PPÖ:
1. Der Pfadfinder/Die Pfadfinderin sucht den Weg zu Gott.
2. Der Pfadfinder/Die Pfadfinderin ist treu und hilft, wo er/sie kann.
3. Der Pfadfinder/Die Pfadfinderin achtet alle Menschen und sucht sie zu verstehen.
4. Der Pfadfinder/Die Pfadfinderin überlegt, entscheidet sich und handelt danach.
5. Der Pfadfinder/Die Pfadfinderin lebt einfach und schützt die Natur.
6. Der Pfadfinder/Die Pfadfinderin ist fröhlich und unverzagt.
7. Der Pfadfinder/Die Pfadfinderin nützt seine/ihre Fähigkeiten.
8. Der Pfadfinder/Die Pfadfinderin führt ein gesundes Leben.

Wer als Kind eintritt, muss geloben: „Ich verspreche, so gut ich kann, ein gutes Wichtel/ein guter Wölfling zu sein und nach unserem Gesetz zu leben, und bitte Gott, mir dabei zu helfen.“ Bei den Älteren lautet das Gelöbnis so: „Ich verspreche bei meiner Ehre, dass ich mein Bestes tun will, Gott und meinem Land zu dienen, meinen Mitmenschen zu helfen und nach unserem Gesetz zu leben.“ Das wird sich bei den PPÖ in nächster Zeit auch nicht ändern.

Die Organisation legt großen Wert auf die religiöse Erziehung der Mitglieder. Sie wird in den einschlägigen Passagen der Verbandsordnung stets an erster Stelle genannt. Wie das aussieht, erklärt der Pressesprecher: „Bei den Wichteln und Wölflingen, also den Jüngeren, kann das etwa heißen: Setze dich mit den Heiligen auseinander. Bei den Älteren kann der Auftrag lauten: Gestalte eine Messe.“

Pertl legt Wert auf die Feststellung, dass man auch die Auseinandersetzung mit anderen Religionen als sehr wichtig erachte und die Mitglieder zu "kritischen und mündigen Menschen" erziehe.

Organistorische Nähe ist groß

Auch organisatorisch ist die Verflechtung zu Religionsgemeinschaften im allgemeinen und zur katholischen Kirche im besonderen enger, als vielleicht manch Außenstehender annehmen mag. Die ÖPP sind Mitglied des katholischen Laienrates. Und: „Viele unserer Gruppen sind in katholischen und evangelischen Pfarren untergebracht, die uns den Platz zur Verfügung stellen“, sagt Peltl gegenüber dem hpd. Evangelische Pfarren spielen allerdings eher eine Nebenrolle.

Die katholische Kirche scheint zumindest fallweise die Pfadfinder nicht als außenstehende Organisation zu sehen, der man bloß Obdach gewährt. Die Pfarre Maria Namen im Wiener Gemeindebezirk Ottakring etwa führt die Pfadfindergruppe gleich als Teil der Pfarre.

Pfadfinder-Gruppe in Seipel-Dollfuß-Kirche

Im Nachbarbezirk Fünfhaus muss man die Geschichte ausblenden, um die Heimstätte für die Pfadfindergruppe mit guten Taten in Verbindung zu bringen. Sie sind im Pfarrheim der Kirche „Christkönig“ aktiv. In der Zeit des Austrofaschismus war sie unter dem Namen „Seipel-Dollfuß-Gedächtniskirche“ bekannt.

Benannt nach dem christlich-sozialen Bundeskanzler und Prälaten Ignaz Seipel, der sich mit seinem harten Vorgehen gegen die Arbeiterschaft den Beinamen „Prälat ohne Milde“ erwarb und dem austrofaschistischen Diktator Engelbert Dollfuß. Der schaltete 1933 den Nationalrat aus, errichtete eine Diktatur, die bis zum „Anschluss“ hielt und ließ auf Gemeindebauten schießen, als sich im Februar 1934 Teile der Sozialdemokratie gewaltsam gegen die Diktatur zur Wehr setzten. Wenige Monate später wurde Dollfuß bei einem nationalsozialistischen Putschversuch erschossen. In weiten Teilen der ÖVP und der katholischen Kirche gilt Dollfuß bis heute als Märtyrer. Im Parlamentsklub der ÖVP hängt bis heute sein Porträt. Die beiden waren 1934 bis 1938 in der Krypta der Kirche beigesetzt.

Vor der nunmehrigen „Christkönig-Kirche“ ehrt eine Tafel bis heute Seipel und Dollfuß, über ihr eine zugehörige Plastik mit der Aufschrift „Caritas Divina“ – göttliche Liebe. Das Ehrenmal ist von weitem zu sehen. Mittlerweile wurde eine Zusatztafel im Eingangsbereich untergebracht. Sie erklärt, dass die katholische Kirche das heute ein bisschen differenzierter sieht. Aber damals waren halt andere Zeiten. Das Ehrenmal für Dollfuß und Seipel behalte man der Authenzität halber bei, außerdem sei sie ein Bestandteil des Gebäudes. Sie ist wesentlich kleiner als das Monument zugunsten der ursprünglichen Namensgeber. Angebracht wurde die Zusatztafel im „Anno Domini“ 2010.

Damit hat die Pfadfindergruppe von heute nichts zu tun. Eine merkwürdige Ortswahl bleibt es trotzdem.