BERLIN. (hpd) Die im Datenarchiv der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (Fowid) jetzt bis 2010 aktualisierten Zahlen des kirchlichen Lebens in den evangelischen Landeskirchen verweisen auf einen sich fortsetzenden Trend des Mitgliederverlustes und der weiteren Verringerung des kirchlichen Lebens.
Die aktuellen Zahlen der Evangelischen Kirchen Deutschlands zum kirchlichen Leben zeigen auch bis 2010 die Fortsetzung des bereits seit Jahren anhaltenden Trends der Reduzierung.
Nicht nur in den absoluten Zahlen, die sich natürlich mit den Gesamtanteilen in der Bevölkerung verändern, sondern auch in den Quoten, bezogen auf die jeweilige Kirchenmitgliederzahl, spiegelt sich deutlich die geringere Akzeptanz bzw. Abkehr von den Angeboten ihrer Kirche wider. In der Betrachtung nur der letzten 30 Jahre (ab 1980) wird deutlich, dass selbst in diesem kurzen Zeitraum sich der Anteil der evangelischen Gläubigen von 42,3 Prozent Bevölkerungsanteil auf nur noch 29,5 Prozent (2010) reduziert hat.
Wurden je 1.000 evangelischer Christen 1980 noch knapp neun Kinder getauft, so sind es 2010 nur noch sieben Kinder, wobei es zur „Wendezeit” 1989-1991 noch einmal kurzzeitig eine erhöhte Nachfrage gab. Und haben sich 1980 noch etwa vier Paare je 1.000 Kirchenmitgliedern evangelisch trauen lassen, so sind es 2010 nur noch zwei. Auch bei den Konfirmationen, die zu einer Zeit im Leben der jungen Menschen stattfindet, wo doch einige schon selbstbestimmt entscheiden, ist ein deutlicher Rückgang von siebzehn Jugendlichen je 1.000 Kirchenmitgliedern auf neun zu sehen. In den einzelnen Landeskirchen zeigen sich kaum Unterschiede. Obwohl besonders in den letzten Jahren der Rückgang etwas schwächer war, bleibt jedoch der Trend unverändert.
Nur noch geringe Akzeptanz der Gottesdienste
Ebenso sinkt die Zahl der Gottesdiensteilnehmer weiterhin und beständig. 2010 sind es weniger als 850.000 evangelische Christen, die die Gottesdienste besuchen, das sind nur noch reichlich 60 Prozent der Besucher im Jahr 1980. Auch wenn die Kirchen den großen Andrang zu den hohen Feiertagen, besonders zu Weihnachten, gern hervorheben (ca. acht Mio. Gottesdienstbesucher am Weihnachtsabend), ändert sich nichts an der geringen Akzeptanz der Gottesdienste im übrigen Jahr.
Die formalen Indikatoren einer weiteren Abschwächung des kirchlichen Lebens innerhalb der evangelischen Kirche werden auch durch inhaltliche Untersuchungen bestätigt. Das Institut für Demoskopie Allensbach legte dazu im Juni 2010 eine Studie vor.
Der Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland ist in Sachen Kirchenzugehörigkeit besonders deutlich. Während in Westdeutschland doch noch ca. 74 Prozent der Bevölkerung Kirchenmitglieder sind, liegt in Ostdeutschland der Anteil der Mitglieder in einer Glaubensgemeinschaft nur noch bei ca. 32 Prozent der Bevölkerung. Dies wird in den einzelnen Datenblättern zu den Landeskirchen Pommern, Mecklenburg, Mitteldeutschland und Anhalt deutlich. Ein untrügliches Zeichen von Verlusten ist auch, dass sich einige Landeskirchen in den letzten Jahren zusammenschließen mussten (Kirchenprovinz Sachsen und Thüringen, Schlesien und Berlin-Brandenburg, sowie aktuell Pommern und Mecklenburg mit Nordelbien). In diesen Regionen betrug der Mitgliederverlust fast 70 Prozent.
Kirchenaustritt
Die höchste Zahl an Austritten wurde in Deutschland Anfang der 1990er Jahre registriert. Durch die Wiedervereinigung wurde die Kirchenmitgliedschaft der Ostdeutschen zum Thema. Während vorher die formale Mitgliedschaft kaum interessierte, wurde sie nun direkt durch die Kirchensteuer finanziell spürbar. Diejenigen, die sowieso nur noch formal dabei waren, traten sofort aus der Kirche aus. Es folgten die, denen die Kirche auch in den nachfolgenden Jahren keine Alternative bot. Zwischen 1980 und 2010 reduzierte sich die Anzahl der evangelischen Christen um knapp neun Prozent.
Obwohl die evangelische Kirche weitestgehend frei von den Missbrauchsvorwürfen im vergangenen Jahrzehnt blieb, hat sie dennoch derzeit die höheren Austrittszahlen zu verzeichnen. Aktuell sind es jährlich etwa vier Prozent der Protestanten, die ihrer Kirche den Rücken kehren. Offensichtlich ist die religiöse Bindung dieser Menschen nicht so stark, wie beispielsweise bei den Katholiken, bei denen derzeit nur zwei Prozent austreten.
In der Allensbacher Studie zeigte sich, dass der Anteil der Menschen, die sich in Deutschland selbst als religiös bezeichnen auf 43 Prozent gesunken ist. Dabei bezeichnen sich erst bei den über 60-jährigen etwa zwei Drittel als religiös. Bei der jüngeren Generation liegt dieser Anteil bei etwa einem Drittel.
Gerade die Altersgebundenheit von Religiosität und kirchlichen Bindungen weist darauf hin, dass die Zahlen der Teilnahme am kirchlichen Leben und der Nutzung kirchlicher Angebote auch in den kommenden Jahren weiter sinken könnten.
Elke Schäfer