Fakten und Mythen
Schmidt-Salomon schreibt in seinem Essay, man müsse bei der Evolutionären Psychologie (5) „biologische Fakten von ideologischen Mythen trennen“. Dem könnte ich eigentlich hundertprozentig zustimmen – nur kann ich leider nicht erkennen, dass das im Rahmen seiner Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) tatsächlich geschieht. Auf dem Festakt zum Darwin-Jahr sangen Thomas Junker und Sabine Paul ein einziges Loblied auf die Evolutionspsychologie und ihr „Darwin-Code“ wird in der Szene kritiklos verschlungen. Die zum Darwin-Jahr gestartete Website „Evo-Magazin“ sollte die „weltanschaulichen Konsequenzen der Evolutionstheorie“ in den Mittelpunkt stellen – darunter verstand die Redaktion vor allem die evolutionäre Betrachtung des menschlichen Verhaltens. Im Umfeld der gbs – so zumindest meine persönliche Erfahrung – ist kaum jemand bereit, die Evolutionäre Psychologie ernsthaft zu hinterfragen.
In einem früheren Beitrag habe ich die These vertreten, dass die biologistische Tendenz der gbs allerlei Vertreter anlockt, die mit „Humanismus“ wenig am Hut haben.
Das sollte nachdenklich stimmen, ist allein aber natürlich noch kein Argument gegen den Biologismus. Wie ich hier hoffentlich ansatzweise zeigen konnte, ist das Hauptargument: Biologismus ist schlechte Wissenschaft, in manchen Fällen regelrechte Pseudowissenschaft. Es wäre fatal, wenn die säkulare Szene damit identifiziert würde, denn damit steht ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Die Diskussion um „PaläoPower“ hat bereits gezeigt, dass es sich nicht auszahlt, mit wissenschaftlich fragwürdigen Ideen hausieren zu gehen. Auch dem Kampf gegen den Kreationismus erweist man mit einem biologistischen Weltbild einen Bärendienst. Denn wer Evolutionspsychologie und Evolutionstheorie gleichsetzt, schwächt die letztere: Eine berechtigte Kritik an der Evo-Psychologie kann dann in eine mangelnde Akzeptanz der Evolutionstheorie als ganzes umschlagen.
Malte Jessl
Über die Frage, inwieweit die Evolutionstheorie auch auf das soziale Leben des Menschen eine Antwort geben kann, wurde bereits 2007 auf dem Kongress „Die erschöpfte Theorie“ diskutiert. Der dazu erschienene Tagungsband bietet einen guten Einstieg in die Debatte.