Internationale Podiumsdiskussion

Auch heute noch: Wie Religionen Bücher zensieren

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Literaturverbote. Darum ging es am vergangenen Donnerstag auf einer Podiumsdiskussion der Humanistischen Gesellschaft Schottland. Zu Gast waren Emma Wadsworth-Jones von Humanists International, der Dramatiker David Greig, der Cartoonist Terry Anderson sowie Maggie Kinloch, humanistische Feiersprecherin und emeritierte Professorin am Königlichen Konservatorium Schottland.

"Führt religiöse Einflussnahme auf die Politik automatisch zu einer stärkeren Zensur und Bücherverboten?", wollte Diskussionsleiter Fraser Sutherland auch im Hinblick auf die USA wissen.

Emma Wadsworth-Jones bejahte diese Frage deutlich: "Die meisten Vorstöße zum Verbot von Büchern in den USA kommen von ungefähr 50 Lobbyorganisationen, von denen viele eine religiöse Agenda haben." Dabei berief sich die ehemalige PEN International-Mitarbeiterin auf einen aktuellen Bericht von PEN America. Darin wird ein deutlicher Anstieg von Buchverboten festgestellt. Wadsworth-Jones betont den christlich-konservativen Charakter dieser Einflussnahme.

Der Dramatiker David Greig berichtete dem Panel noch von einer anderen Erfahrung: "Wir haben das Stück einer jungen schottisch-asiatischen Frau als Hörspiel realisieren wollen. Darin treten hinduistische Gottheiten als Menschen der Arbeiterklasse auf. Plötzlich sahen wir uns mit Beschwerdebriefen und einer heftigen Internetkampagne konfrontiert. Wir rechneten nicht nur mit Protesten vor dem Theater, sondern auch mit zerworfenen Scheiben und dergleichen." Kritische Stimmen kämen vor allem aus der hinduistischen Mittel- und Oberschicht. Greig sähe sich dann vor allem von liberaler Seite attackiert, wenn aufgrund dessen gesagt werde, das Stück greife hinduistische Gläubige an. "Dabei wird jedoch übersehen", machte er deutlich, "dass wir es sind, die eine junge hinduistische Arbeiterfrau dabei verteidigen, ihre eigene religiöse Erfahrung völlig unabhängig auszudrücken. […] Wenn man die freie Rede nicht als Prinzip verteidigt", betonte Greig, "führt das sehr oft dazu, dass vor allem die Stimmen der unteren Gesellschaftsschichten unterdrückt werden."

"Jesus – Queen of Heaven"

Maggie Kinloch, die wohl als schottische Theaterkoryphäe bezeichnet werden kann, erzählte von den Erfahrungen rund um die Inszenierung des Stückes "Jesus – Queen of Heaven", das von der schottischen Transgender-Autorin Jo Clifford stammt. Die Aufführung im Jahr 2009 in Glasgow sei von wochenlangen Protesten vor dem Theater begleitet gewesen, die dem Theaterstück letztlich aber auch seine heutige Popularität verschafft hätten. Dennoch: "Es war bedrohlich!" Eine christliche Gruppe habe damals entschieden, dass das Stück nicht nach Glasgow gehöre und in der ganzen Umgebung Angst verbreite. Verbale Übergriffe gehörten zur Tagesordnung. Eine lesbische Frau sei nach einem Restaurantbesuch zusammengeschlagen worden.

Terry Anderson brachte die Perspektive des Cartoonisten ein: "Die Religiösen bezichtigen die Cartoonisten oft der Blasphemie. […] Charlie Hebdo wirft da einen langen Schatten voraus." Doch Cartoonisten sähen oft gar nicht die Religion selbst als Ziel, sondern die Macht, die sie ausübt: "Religion ist etwas, das Macht hat. Das ist der Grund, warum sie zum Ziel der Satire wird."

Am Ende der fast 90-minütigen Debatte fragte Moderator Sutherland die Teilnehmenden noch nach ihren Lieblingswerken auf dem Index dieser oder vergangener Tage:
Emma Wadsworth-Jones: "Catch-22" von Jospeh Heller (Roman)
David Greig: "Six Months in a Leaky Boat" von Split Enz (Song)
Terry Anderson: "Maus" von Art Spiegelman und "Bone" von Jeff Smith (Comics)
Maggie Kinloch: "The Well of Loneliness" von Radclyffe Hall (Roman)

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