Das aktuelle Heft von "Aufklärung und Kritik" (AuK), der umfangreichen Vierteljahreszeitschrift der Gesellschaft für Kritische Philosophie Nürnberg, ist erschienen. Die Redaktion hat dem hpd wieder das Vorwort zu Verfügung gestellt.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Debatte belebt und bereichert. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, im FORUM der vorliegenden Ausgabe eine Reihe streitbarer Aufsätze zur Religionskritik zu veröffentlichen, die hoffentlich regen Zu-, Ein- und Widerspruch unter Ihnen erzeugen werden. Näheres dazu weiter unten im Vorwort.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge nutze ich dieses Vorwort zudem, um eine personelle Änderung bekannt zu geben: Nach nunmehr 8 Jahren habe ich beschlossen, mit dieser Ausgabe meinen Job als Autor des Vorworts an den Nagel zu hängen. Daher wird Sie ab 2019 ein anderer Redakteur an dieser Stelle begrüßen und durchs Heft führen. Es war mir stets eine Freude, Ihnen Appetit auf die Artikel von Aufklärung und Kritik zu machen. Wenn ich die Archive richtig lese, haben wir insgesamt 23 Ausgaben seit Oktober 2010 miteinander erlebt.
Nun aber in medias res. Den Auftakt dieses Heftes macht Dr. Michael Schmidt-Salomon mit einem wichtigen, hoffentlich gehörten Debattenbeitrag. In "Der blinde Fleck des deutschen Rechtssystems" betrachtet Schmidt-Salomon die Missachtung des Gebots der weltanschaulichen Neutralität. Obwohl der Staat an dieses qua Verfassung gebunden ist, sprechen Alltagserfahrung und auch Gesetzgebung eine andere Sprache. Schmidt-Salomon analysiert ein Menschenleben von der Zeugung bis nach dem Tod in Hinblick auf religiöse Einflussnahme und schlägt sodann vor, wie sich eine Reform hin zu echter Neutralität gestalten ließe. Unbedingt lesenswert!
In seinem Beitrag "Gealterter Idealismus" betrachtet Prof. Dr. Dr. Dr. Roland Benedikter sodann den Linksidealismus von 1968 als überaltert und nicht mehr tragfähig. Eine Frage ist, wie und wieso es einen internationalen, konservativ-illiberalen Backlash geben konnte und welche Rolle Migrationsbewegungen dabei spielen. Eine andere ist jene nach einer möglichen neuen politischen und gesellschaftlichen Rolle der Linken – und der Zukunft liberaler Demokratie allgemein.
Dr. Jürgen Lambrecht wirft in seinem Artikel einen Blick auf "Die Reichweite umweltethischen Handelns". Dabei geht es ihm vor allem um die Grundlagen und die Legitimationen von Umwelt-Ethiken – und die Frage, wie sich eine nachhaltige, langfristige Beziehung zur menschlichen Umwelt aufbauen lässt, um den aktuell vorherrschenden, kurzfristig profitorientierten Raubbau zu mildern und zu mindern.
"In Kompetenz zum Widerstand – eine Bildungsaufgabe" geht es Prof. Dr. Fritz Reheis nicht pauschal darum, Widerstand (gegen gesellschaftliche Strömungen oder den Staat) zu begrüßen oder zu verdammen. Im Gegenteil sieht er Bildung vor allem in der Pflicht, Kompetenz aufzubauen, zwischen berechtigtem und unberechtigtem Widerstand zu unterscheiden und sodann erst in einem zweiten Schritt die praktischen Fähigkeiten, mit Widerstand umzugehen, egal, auf welcher Seite.
Prof. Dr. Hartmut Heuermann befasst sich zum zweiten Mal in diesem Jahr (s. AuK 1/2018) mit negativen, destruktiven Emotionen in unserer Gesellschaft. "Feindbilder: Die Politik des Hasses" diskutiert Exklusionsidentitäten und deren Manifestation in Feindbildern, von ihren evolutionären Grundlagen bis zu aktuellen Fällen von religiös, sexistisch, rassistisch und ideologisch motiviertem Hass.
Stefan Zenklusen wagt einen Rückblick auf ein Vierteljahrhundert Globalisierung, um die These der Angloamerikanisierung zu überprüfen. "Vom Kultur- über das Rechtssystem, von Außenpolitik über die Entwicklung des gastronomischen Geschmacks" betrachtet er Fallbeispiele, die einen zunehmenden angloamerikanischen Einfluss auf unsere Gesellschaften belegen. Sodann diskutiert Zenklusen theoretische Behandlungen und Erklärungen dieser Phänomene.
In seinem Beitrag "Über Wahrheit und Sicherheit" bietet Dr. Hans-Joachim Niemann eine Lösung des Restproblems der Induktion, oder zumindest einen Lösungsversuch. Er schildert im Zuge dessen die Grundproblematik, von der Popper'schen "Welt 1" der Physik zur "Welt 3" der sprachlichen Gedanken zu kommen, und zeichnet auch die bewegte Diskussion des intuitiven (aber natürlich falschen) Induktionsschlusses nach.
Reinhard Fiedler fasst in seinem Aufsatz die "Ansichten von Hume und Russell über Grenzen des Empirismus" zusammen. Auch hier stehen wir natürlich rasch vor dem Problem, dass Beobachtungen, auch beliebig viele, noch keine Aussage über dahinterliegende Gesetzmäßigkeiten erlauben, vulgo: vor dem Induktionsproblem – und vor der Aussichtslosigkeit, Induktionsschlüsse in der Praxis zu vermeiden.
Geld ist eine der faszinierendsten Angelegenheiten, denen wir im Alltag begegnen, und eine der wirkmächtigsten Übereinkünfte (lies: Fiktionen) unserer Gesellschaft. Christian E.W. Kremser forscht in den Quellen und legt mit "Die rätselhafte Ontologie des Geldes einen Überblick" über John Lockes Aussagen zu Wesen, Funktion und Wert des Geldes vor.
Zum Abschluss des Hauptteils dieser Ausgabe befasst sich Dr. Wilhelm Richard Baier mit einer der anderen großen Ideen, die unseren Alltag prägen: der Zeit. In "Janusköpfige Zeit" geht er der Dichotomie des Zeitbegriffs nach und betrachtet die vorwärts- und rückwärts, zukunfts- und vergangenheitsbezogen verstandene Zeit als physikalische Größe, als Idee und als Begriff.
Wie bereits angekündigt, haben wir im FORUM dieser Ausgabe eine eigene Rubrik zur Religionskritik. Die folgenden fünf Beiträge widmen sich aus ganz unterschiedlichen Perspektiven Fragen der Religion, der Religionskritik und der Dualität von Materie und Geist, Physik und Metaphysik, und spiegeln so recht verschiedene Auffassungen der jeweiligen Autoren:
Rolf Bergmeier untersucht in einem Auszug aus seinem neuen Buch "Machtkampf. Die Geburt der Staatskirche. Vom Sieg des Katholizismus und den Folgen für Europa" den Menschenwürde-Begriff, inwieweit sich dieser mit den christlichen Auffassungen in der Bibel und in den Handlungen der Kirche vereinbaren lässt. Das Buch selbst wird sodann von unserem Mitherausgeber Prof. Dr. Hermann Josef Schmidt in einem Rezensionsessay mit dem Titel "Katholizismusverursachtes 'finsteres Mittelalter' mit politischen und emotionalen Folgen bis zur Gegenwart?" gewürdigt. Prof. Dr. Anton Grabner-Haider betrachtet die Religion als kulturelles Gedächtnis und untersucht, inwieweit "das Christentum in seiner Vielfalt zum kulturellen Erbe Europas gehört". Diese Frage interessiert auch Ralf Rosmiarek unter der Überschrift: "Das Christentum – die Religion der Liebe und der Leitkultur?" Zum Abschluss dieser Thematik innerhalb des FORUMS widmet sich Prof. Dr. Hubertus Mynarek mit einem recht streitbaren Beitrag dem "Verhältnis zwischen Evolutionärem Naturalismus und Humanismus. Zur Frage ihrer Vereinbarkeit." Der Zusammenhang zur vorhergehenden Frage nach der Religion besteht darin, dass der Autor den Naturalismus ablehnt, wie ihn etwa Michael Schmidt-Salomon vertritt, wobei er diesen allerdings einseitig interpretiert und zitiert; vielmehr gelangt er zuletzt selbst zu einem Dualismus: "Tiefes Nachdenken führt stets von der Physik zur Meta-Physik" – und endet damit in Postulaten; solche könnte der Naturalist aber ebenso für sich geltend machen.
Auch innerhalb der Redaktion selbst unterscheiden sich die Auffassungen hinsichtlich der verschiedenen hier vorgetragenen Standpunkte, und so wurden sämtliche fünf Beiträge – trotz einiger Bedenken in so mancher Hinsicht – sowohl auf Grund der überragenden Bedeutung der Meinungsfreiheit als auch im Sinne Karl Poppers ("Lernen aus der Diskussion widerstreitender Theorien") aufgenommen. Über Reaktionen unserer Leser würden wir uns freuen, gerne drucken wir eine Auswahl kurzer und prägnanter Stellungnahmen in der nächsten Ausgabe ab – bei umfangreicherer Resonanz würden wir diese im Debattenforum auf www.gkpn.de dokumentieren.
Über diesen Schwerpunkt hinaus versammelt das FORUM weitere Beiträge, so von Dr. Bruno Heidlberger zur schon im Hauptteil angestoßenen Debatte um 50 Jahre "68". In dieser Ausgabe erscheint der erste Teil zu "Wegen und Irrwegen eines demokratischen Aufbruchs". Jan Opielka eröffnet die Diskussion "Freiheit statt Wohlstand", Dr. Klaus Peter Müller untersucht "Modelle der Gefangenschaft", Prof. Dr. Eckhard Jesse analysiert "Ralf Dahrendorf als öffentlichen Intellektuellen", Prof. Dr. Rolf Dietrich Herzberg bezieht in "Dieter Wedel – ein Opfer publizistischer Verfolgung?" Stellung gegen u.a. Thomas Fischer und Andreas Birken rückt in "Menschenrechte?" den Blick auf seiner Ansicht nach oft unterschlagene Sachverhalte.
Wie immer rundet eine Reihe von Rezensionen das Heft ab.
An dieser Stelle bleibt mir wie immer nicht mehr, als Ihnen gute Lektüre zu wünschen! Ach doch, eins noch: Bleiben Sie A&K gewogen. Man liest, hört und sieht sich.
Im Namen der gesamten Redaktion schöne Grüße und bis bald
Dennis Schmolk
Bezug der Ausgabe über die Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg via Internet: www.gkpn.de (Schutzgebühr 12,00 EUR zuzügl. 1,70 EUR Verp. u. Porto).
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