Keine Ehrung für rassistischen Zoo-Direktor

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Werbung für „Suaheli-Schau“ im Zoo Münster 1894 / Archiv GAP

MÜNSTER. (hpd) Fast siebzig Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur tragen immer noch zahlreiche Straßen, Plätze, Kasernen, Schulen und sonstige öffentliche Einrichtungen die Namen damaliger Größen. Geplante Namensänderungen ändern daran manchmal nichts. Im Gegenteil.

In Münster etwa ist eine Real-Schule mit mehr als 500 Schülerinnen und Schülern bis heute nach dem westfälischen Volksschullehrer und „Heimatdichter“ Karl Wagenfeld (1869-1959) benannt, der die Machtübernahme durch die Nazis ausdrücklich begrüßt hatte. In seinem Heimatschrifttum zog er u. a. über „Neger, Kaffern und Hottentotten“ her, die seiner Ansicht nach „Halbtiere“ waren; mit seiner Auffassung der „Minderwertigkeit“ von Menschen in „Krüppel- und Idiotenanstalten“ leistete er den Nürnberger Gesetzen vom 16.9.1935 zum Mord („Euthanasie“) an geistig und psychisch Kranken Vorschub. Die Nazis benannten ihm zu Ehren den „Westfälischen Heimatpflegepreis“ 1940 in „Karl-Wagenfeld-Preis“ um. Bis heute tragen mehrere Straßen und Schulen in Westfalen seinen Namen.

Die Karl-Wagenfeld-Realschule erwog nun Anfang des laufenden Schuljahres, den Namen zu ändern. Ergebnis einer Namensfindungskommission war der Vorschlag, die Schule nach dem Begründer des Münsterschen Zoos, Gustav Landois (1835-1905) zu benennen, der in Münster bis heute als „Original“ verehrt wird. In der Elternschaft war man, ebenso wie im Zoo selbst, von der Idee ausgesprochen angetan. Alternative Vorschläge, die Schule nach dem Polarforscher Alfred Wegener oder nach der jüdischen Holocaust-Überlebenden und Zeitzeugin Erna de Vries umzubenennen, wurden insofern verworfen.

Kurz vor Verabschiedung der Namensänderung wurden jedoch Zweifel laut, ob Landois wirklich die richtige Wahl sei. Zookritiker des Great Ape Project, die sich auch mit der Geschichte des Münsterschen Zoos befasst hatten (in dem unter indiskutablen Bedingungen auch Große Menschenaffen vorgehalten werden), wiesen darauf hin, dass Landois verantwortlich war für die ab 1879 im Zoo veranstalteten sogenannten „Völkerschauen“.

In einem Brief des Great Ape Project an die Schulleitung ebenso wie an die Münstersche Presse hieß es:

Während es grundsätzlich begrüßenswert ist, den Namen eines Nazi-nahen Dichters zu ersetzen - wenngleich man das durchaus schon früher hätte tun können -, wäre eine Benennung nach Hermann Landois nicht eben glücklich.

Der „Westfälische Zoologische Garten zu Münster“, initiiert durch den Theologen und Heimatdichter Landois, wurde im Juni 1875 eröffnet. Landois, der sich selbst zum ersten Direktor des neuen Zoos bestellte - er hatte sich neben und nach seinem Theologiestudium auch mit ornithologischen und entomologischen Studien befasst -, wurde kurze Zeit später vom Priesteramt suspendiert (allerdings nicht seines naturwissenschaftlichen Interesses wegen, sondern weil er dem Vernehmen nach ein Alkoholproblem hatte).

Seine deutschtümelnde Idee, ausschließlich Tiere der heimischen Fauna zu präsentieren, musste er schon im ersten Betriebsjahr des Zoos aufgegeben: das Interesse der Besucher war zu gering.

Schon ab 1879 gab es unter seiner Regie sogenannte „Völkerschauen“ - im Volksmund „Negerschauen“ genannt -, bei denen Nubier, Sudanesen, Samoaner, auch australische Koori oder „Buschmänner aus Deutsch-Ostafrika“ vorgeführt wurden. Auch wenn derlei kulturchauvinistische und größtenteils unverhohlen rassistische „Völkerschauen“ in vielen Zoos veranstaltet wurden, so doch nicht in allen. Landois zeichnete dafür verantwortlich, dass die „Völkerschauen“ auch nach Münster kamen, von denen nicht wenige Teilnehmer ihre Heimaten nie mehr sahen: sie fielen Infektionskrankheiten zum Opfer, gegen die sie keine Abwehrkräfte hatten.

Die Völkerschauen im Zoo Münster wurden erst Ende der 1920er eingestellt.

Es wäre ratsam, wenn Sie Ihre Pläne noch einmal überdächten: Sie täten sich und der Stadt Münster vermutlich keinen Gefallen, mit der Umbenennung Ihrer Schule einen Mann zu ehren, der rassistische „Völkerschauen“ nach Münster brachte.

Das Schreiben zeitigte Erfolg. Die Schulkonferenz stimmte letztlich gegen Landois (9 dagegen, 5 dafür, 2 enthalten ), die Direktorin selbst, erkennbar genervt von der Diskussion, wäre gerne bei der Umbenennung in „Gustav-Landois-Schule“  geblieben.

Eine Anerkennung für seinen aufklärenden Hinweis erhielt das Great Ape Project erwartungsgemäß nicht.

CG