Notizen aus Polen (11)

POLEN. (hpd) Bemerkenswertes in Polen aus säkularer Sicht (August 2013). Missbrauchsvorwürfe eines kirchenkritischen Priesters, die Sendelizenz für einen klerikalen Radiosender, das Verbot des Schächtens in der Kritik sowie Preislisten für Dienstleistungen in Pfarrgemeinden.

Priester erhebt Missbrauchsvorwürfe

Sexueller Missbrauch gehört zu den Standardthemen, beschäftigt man sich kritisch mit der katholischen Kirche. Das ist in Deutschland nicht anders als in Polen. Meist geht es dabei jedoch um den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, die im Erwachsenenalter schwere Vorwürfe erheben.

In Polen ist Mitte August allerdings ein eher ungewöhnlicher Fall bekannt geworden – Priester Krzysztof Madel beschuldigte einen anderen katholischen Geistlichen, er habe ihn als Kind missbraucht. Und der Vorfall ist eher zufällig bekannt geworden.

Madel gab ein kirchenkritisches Interview in der rechtskonservativen polenweiten Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Daraufhin hatte er einen Streit mit einem Ordensbruder, der in angegriffen haben soll, was sich zu einer handfesten Auseinandersetzung entwickelte. Die Vorgesetzten Madels haben diesen dann von seinen Pflichten entbunden, was Madel bewegte, weitere kirchenkritische Interviews zu geben. Öffentlich berichtete der Geistliche dann über die Missbrauchsvorwürfe, auch bringe die derzeitige Situation Bilder von Damals in Erinnerung. Konservative Kommentatoren bezichtigten Madel im Gegenzug, dass die Missbrauchsvorwürfe vorgeschoben seien und der Kirche Schaden zufügen sollen. Ende August führet der Vorgesetzte von Madel, Wojciech Ziolek, mit ihm und weiteren Jesuiten der Gemeinde in Neu Sandez (Kleinpolen) Gespräche über die Vorfälle. Danach verkündete Ziolek in einer Erklärung, er wolle Madel jegliche Hilfe zur Verfügung stellen, die möglich ist, sollten sich die Vorwürfe als wahr herausstellen. Ferner wolle er personelle Entscheidungen treffen, wofür es jedoch noch Zeit bräuchte. Madel hingegen Entschuldigte sich in den Medien für die Auseinandersetzung mit dem Ordensbruder.

(Quelle 1), (Quelle 2), (Quelle 3), (Quelle 4) und (Quelle 5). (Alle Polnisch)

Klerikaler Sender bald polenweit erreichbar

Anfang Juli vergab der Nationale Rundfunkrat (KRRiT) in Polen eine Sendelizenz an den klerikalen Fernsehsender TV Trwam. Dabei geht es um die generelle Umstellung des Überlandfernsehsignals von analog auf digital (in Deutschland wird das DVB-T genannt). TV Trwam gehört zum Medienimperium des sehr einflussreichen Redemptoristenpaters Tadeusz Rydzyk, der neben dem Fernsehsender eine klerikale polenweite Tageszeitung (Nasz Dziennik) und einen sehr erfolgreichen Radiosender (Radio Maryja) betreibt. Hauptsitzt des Medienimperiums ist Thorn – dort wird gerade eine geothermische Quelle erschlossen und ein Pilgerzentrum geplant.

Der Lizenzvergabe gingen jahrelange Streitigkeiten voraus, der KRRiT wollte aufgrund von mangelnder finanzieller Transparenz der Stiftung Lux Veritatis, die hinter dem Medienimperium steht, sowie einer zu geringen finanziellen Ausstattung keine Sendelizenz vergeben. Darüber hinaus war nach der Parlamentswahl 2007 ein mangelnder politischer Wille für dieses Anliegen zu spüren – die damals gewählte Koalition aus liberalkonservativer Bürgerplattform (PO) und konservativer Bauernpartei (PSL) steht Rydzyk eher distanziert gegenüber. Doch die Sympathisanten und Anhänger des Redemptoristenpaters sind sehr gut organisiert, über hundert Demonstrationen für die Erteilung einer Sendelizenz wurden in nahezu allen größeren Städten abgehalten.

Dann änderte der Nationale Rundfunkrat seine Meinung, da Lux Veritatis die Finanzen offengelegt und Nachweise zur ausreichenden finanziellen Ausstattung vorgelegt haben soll. Die Überraschung war im nationalkonservativen Lager groß; Rydzyk beruhigte jedoch die erfreuten Gemüter mit der Auffassung, noch sei der Sender nicht angeschlossen und noch gar nicht sicher, ob es dazu kommen werde. Mitte August begann der Streit von Neuem. Dem Redemptoristenpater geht die Anbindung von TV Trwam an die neue digitale Übertragung nicht schnell genug. Sie soll bis Ende April 2014 erfolgen – bis dahin soll das öffentlich-rechtliche Fernsehen (TVP) diesen Sendeplatz räumen. Doch Rydzyk glaubt nicht recht daran und fragt sich öffentlich in den eigenen Medien, warum das so lange dauern soll, immerhin müsse Lux Veritatis jetzt schon Lizenzgebühren bezahlen, Erträge daraus werde es jedoch erst in vielen Monaten geben. Daher solle die Übertragung ohne Zeitverzögerung beginnen. Und in Wirklichkeit sollte das schon vor zwei Jahren passiert worden sein, als Lux Veritatis das erste Mal den Lizenzantrag stellte. Rydzyk kritisiert darüber hinaus den geringen Prozentanteil der katholischen Sender an der polnischen Fernsehlandschaft. Dieser sollte so groß sein, wie der Anteil der Katholiken in Polen, wobei es ihm dabei nicht um religiöse Inhalte gehe, sondern um Inhalte, die den katholischen Wertekanon respektieren.

(Quelle 1), (Quelle 2), (Quelle 3), (Quelle 4), (Quelle 5) (bis hierher Polnisch) und (Quelle 5). (Deutsch)

Schächten: Glaubensgemeinschaften kämpfen gegen Tierschutz

Schon wieder gerät das Schächten in Polen in den Fokus der Öffentlichkeit. Erst Ende November 2012 hat das polnische Verfassungsgericht die rituelle Tötung von Tieren verboten (http://hpd.de/node/15088); die Regierung hatte daraufhin Anfang 2013 ein Gesetz erarbeitet, das diese Praktik wieder legalisieren sollte. Mitte Juli fiel das Gesetz im polnischen Parlament (Sejm) durch – die Regierungsmehrheit konnte nicht hergestellt werden; auch im Sejm herrscht wie im Bundestag kein Fraktionszwang bei Gewissensfragen. Das Schächten bleibt damit bis auf weiteres verboten.

Ende August 2013 ging der Streit von Neuem los. Joanna Korzeniewska, Leiterin des Büros für öffentliche Kommunikation des Verbandes der Jüdischen Glaubensgemeinden in Polen, informierte über eine Klage beim polnischen Verfassungsgericht – es soll geprüft werden, ob Tiere tatsächlich nur nach Betäubung getötet werden dürfen. In der Klage wurde betont, dass ein Konflikt zwischen Tierschutzgesetz und dem Gesetz über das Verhältnis Polens zu jüdischen Glaubensgemeinden besteht. Auch die muslimische Glaubensgemeinschaft in Polen möchte eine ähnliche Klage beim Verfassungsgericht stellen. Mufti Tomasz Miskiewicz kündigte an, in kürzester Zeit diese zu stellen – das Dokument sei fast fertig. Nicht bekannt ist, wann das polnische Verfassungsgerichtshof sich mit dem Schächten erneut auseinander setzt. Zu erwarten ist jedoch ein langandauernder Konflikt, da die rituelle Tötung von Tieren zu einem grundsätzlichen Element in einigen Religionen gehört.

(Quelle 1), (Quelle 2) und (Quelle 3). (Alle Polnisch)

Wie viel bezahlen Polen für religiöse Dienstleistungen?

Offiziell gibt es in Polen keine Richtlinien für religiöse Dienstleistungen; der Gläubige kann zahlen, was er für angemessen erachtet, um zum Beispiel eine kirchliche Hochzeit zu feiern. Inoffiziell sind viele Priester in Polen äußerst rigide in der Preisgestaltung – feste Preislisten oder relativ hohe Forderungen gehören zum Alltag. Wie aber kann der polnische Gläubige erfahren, in welcher Kirche/Gemeinde er wie viel zahlen muss, um eine angemessene und würdige Zeremonie zu erhalten?

Anfang August berichtete die rechtskonservative polenweite Tageszeitung Gazeta Wyborcza über die Vergütungspraxis bei kirchlichen Zeremonien. Zentral waren dabei die Informationen des zwei Jahre alten Internetportals colaska.pl (frei übersetzt: was ihr gegeben wollt). Anonym kam dabei der Betreiber zu Wort, der sich selbst als 30-jähriger Informatiker bezeichnete. Demnach können User selbst Angaben über die Vergütung von religiösen Zeremonien in bestimmten Gemeinden machen – ein Logarithmus rechnet dabei den Mittelwert zusammen, der extreme Wert unbeachtet lässt. Die Daten bergen zwar eine gewisse Unsicherheit, da sie nicht nachprüfbar sind, so geben sie dennoch Anhaltspunkte für Gläubige, die nicht recht wissen, was die Dienstleistung in ihrer Gemeinde kosten wird. Und das Internetportal bietet noch viel mehr: Man kann den Priester und die Ausführung der Dienstleistung bewerten und ferner kann man durch einen Klick die Pfarrgemeinde entweder empfehlen oder von ihr abraten.

Wie viel muss man nun in der Kirche zahlen? Gleich auf der Hauptseite des Internetprotals findet sich ein globales Ranking mit kirchlichen Dienstleistungen wie Hochzeit, Taufe oder Beerdigung, auf der jeweils die teuerste und die billigste Pfarrgemeinde, je nach Dienstleistung, angegeben sind. Die Preisunterschiede sind beträchtlich. So können zum Beispiel die durchschnittlichen Kosten für eine Hochzeit zwischen 12,50 Euro und 500 Euro variieren und für eine Beerdigung zwischen 12,50 Euro und 1.000 Euro. Geht man auf der Internetseite in die verschiedenen Dienstleistungsbereiche, so sieht man die Pfarrgemeinden nach Höhe der Zahlungen sortiert. Damit kann der Gläubige sich einen ersten Eindruck verschaffen und die richtige Gemeinde für sich aussuchen. Und Nichtgläubige können sich darüber freuen, wie viel Geld sie sparen, da sie kirchliche Dienstleistungen wohl nie in Anspruch nehmen werden.

(Quelle 1) und (Quelle 2). (Alle Polnisch)

Lukas Plewnia