(hpd) Die Osnabrücker Islamwissenschaftler Rauf Ceylan und Michael Kiefer legen den ersten deutschsprachigen Band zu dieser dogmatischen und fanatischen Strömung unter Muslimen vor. Gerade weil die Autoren sich durch große Sachkenntnis auszeichnen, bedauert man den fragmentarischen Charakter der Darstellung oder das Fehlen von konkreten Beispielen.
„Salafismus“ – mit dieser Bezeichnung sprechen Journalisten, Politiker und Wissenschaftler von einer Strömung besonders dogmatischer und fanatischer Muslime, die eine Gesellschaftsordnung wie zur angeblichen Entstehungszeit des Islam etablieren wollen. Dabei treten dessen Anhänger mal nur mit Agitation und Propaganda in einem missionarischen Sinne an die Öffentlichkeit, mal neigen sie zu Anschlägen und Gewalttaten unterschiedlichster Intensität und Zielrichtung.
Nicht nur angesichts dieses unterschiedlichen Handlungsstils lässt sich das Phänomen nur schwer analytisch erfassen. Einen Beitrag dazu leisten will der Band „Salafismus. Fundamentalistische Strömungen und Radikalisierungsprävention“, der von den beiden Islamwissenschaftlern Rauf Ceylan und Michael Kiefer vorgelegt wurde. Dessen Ziel ist es in den Worten der Autoren, „einen leicht verständlichen, kompakten Überblick über die historischen Wurzeln und die politisch-theologischen Ideologien dieser fundamentalistischen Bewegungen zu geben“ (S. 10).
Inhaltlich gliedert sich das Werk in fünf größere Teile: Zunächst geht es um Ansätze religiös-politischer Orientierungen in der islamischen Geschichte, wobei die kontinuierliche Existenz einschlägiger Strömungen in Phasen von Umbrüchen konstatiert wird. Immer wieder hätten Stimmen dafür plädiert, die Krisen der jeweiligen angeblich islamfeindlichen Gesellschaften durch die Orientierung an der mystisch verklärten frühislamischen Phase zu überwinden. Diese Tendenzen hätten sich auch im 19. und 20. Jahrhundert in der Abwehrbewegung gegen Aufklärung, Kolonialisierung und Säkularisierung fortgesetzt. Gleichwohl mündeten sie für die Autoren nicht in einem Ordnungsmodell, denn das Problem der Theorie eines islamischen Staates lag „in der Tatsache, dass diesbezüglich im Koran nur minimale Grundlagen zur Verfügung standen. Die wenigen, dafür aber expliziten Verse wurden erst durch eine sekundäre Rechtsfindung zu einem System ausgearbeitet; allerdings besteht bis heute ... kein Konsens über eine konkrete politische Ausgestaltung“ (S. 66f.).
Erst nach diesen Ausführungen gehen Ceylan und Kiefer auf die Neo-Salafisten in Deutschland ein, wobei sie von einer jungen Erweckungsbewegung sprechen. In Anlehnung an die bisherige Forschung unterscheiden sie drei Strömungen, betonen aber auch: „Unabhängig von der puristischen, politischen oder dschihadistischen Orientierung, teilen diese Strömungen dieselben ideologischen Grundlagen, die mit zentralen demokratischen Grundwerten inkompatibel sind“ (S. 88). Die Autoren konstatieren aber auch das Fehlen bzw. den Mangel von Daten und Fakten zur Struktur des Neo-Salafismus in Deutschland. Danach gehen sie auf die schwierige Aufgabe der Radikalisierungsprävention ein, wobei Erfahrungen im In- und Ausland geschildert und kommentiert werden. In einzelnen Projekten seien wertvolle Erfahrungen gesammelt worden, gleichwohl gelten die gegenwärtigen Anstrengungen in diesem Bereich immer noch als experimentell. Der Band schließt mit einigen Handlungsempfehlungen für unterschiedliche Felder der Präventionsarbeit.
Beide Autoren erweisen sich als gute Kenner der Materie, sowohl bezogen auf die ideengeschichtliche Entwicklung, die gegenwärtige Situation wie die konkrete Präventionsarbeit. Indessen wirkt der gesamte Band eher fragmentarisch und unabgeschlossen. Mitunter hat man den Eindruck, einzelne Textteile aus anderen Kontexten seien zu dem Band zusammengestellt worden. So interessant etwa die beiden ideenhistorisch ausgerichteten Kapitel sind, so fehlt es ihnen doch an problemorientierter Anbindung an das eigentliche Thema. Die Ausführungen zum Salafismus in Deutschland sind auch viel zu abstrakt gehalten. Hier hätten konkrete Beispiele und deren weiterführende Analyse zu einem weitaus höheren Erkenntnisgewinn geführt. Aber auch auf der rein theoretischen Ebene wäre mehr wie etwa eine trennscharfe Definition von „Salafismus“, auch und gerade im Verhältnis zum „Islamismus“ wünschenswert gewesen. Das ist alles ein wenig bedauerlich, zumal die Autoren die Kompetenzen für ein besseres Werk gehabt hätten.
Armin Pfahl-Traughber
Rauf Ceylan, Michael Kiefer, Salafismus. Fundamentalistische Strömungen und Radikalisierungsprävention, Wiesbaden 2013 (Springer VS), 180 S., EUR 19,99.