Rezension

Dschhadismus und Salafismus in Deutschland

Die Friedens- und Konfliktforscher Janusz Biene, Christopher Daase, Julian Junk und Harald Müller haben mit dem Sammelband "Salafismus und Dschhadismus in Deutschland. Ursachen, Dynamiken, Handlungsempfehlungen" eine Bilanz zur Forschung zum Thema vorgelegt. In sieben Ausätzen werden die relevanten Themen behandelt und ein fairer und kenntnisreicher Überblick zum Wissensstand gegeben.

"Dschihadismus" und "Salafismus" gelten als Synonyme für Terrorismus. Kommt es im In- oder Ausland zu Anschlägen, so kursieren die Bezeichnungen in den Medien. Doch was ist eigentlich damit gemeint? Welche Gruppierungen gibt es? Wie finden sie Aktivisten? Welche Positionen vertreten sie? Worin bestehen die Ursachen dafür? Und welche Deradikalisierungsmöglichkeiten bestehen? Dies sind nur einige Fragen, die sich gegenüber dem gemeinten Phänomen mit Regelmäßigkeit stellen.

Antworten bezogen auf den Forschungsstand findet man in dem Sammelband "Salafismus und Dschihadismus in Deutschland. Ursachen, Dynamiken, Handlungsempfehlungen", der von den Friedens- und Konfliktforschern Janusz Biene, Christopher Daase, Julian Junk und Harald Müller herausgegeben wurde. "Dieses Buch hat den Zweck", so formulieren sie in der Einleitung, "das, was wir über Salafismus und Dschihadismus in Deutschland wissen, zusammenzutragen und systematisch aufzubereiten" (S. 8). Dabei geht es um eine Art Forschungsbilanz.

Es handelt sich entgegen der Formulierung im Titel demnach nicht um eine Darstellung des gemeinten Phänomens. Die beabsichtigte Darstellung des Wissens bezieht sich auf die Ergebnisse der Wissenschaft. Sie sind ebenso fragmentarisch wie vielfältig. Dies hängt damit zusammen, dass die Islam- und Sozialwissenschaftler meist unabhängig voneinander arbeiten. Die Multiperspektivität erklärt den Reichtum, aber auch die Unvollständigkeit. Denn Forschung ist von den jeweiligen Perspektiven der Wissenschaftler abhängig. Was ein Ausdruck der Forschungsfreiheit ist, führt aber auch zu Lücken im Wissen. Das Fragmentarische schlägt sich aber auch in fehlender Sammlung der Erkenntnisse nieder. Da wollen die Autoren und Herausgeber eine Lücke schließen. In ihrem Buch findet man sieben Aufsätze, die einen Forschungsüberblick zu einem bestimmten Problemkomplex liefern. Am Ende formulieren sie nicht nur ein Fazit, sondern auch Empfehlungen. Außerdem findet man Anregungen und Literaturhinweise zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema.

Es geht dabei zunächst um die Datenlage und Herausforderungen empirischer Forschung, um auch die Problematik der Zugangslage zu verdeutlichen. Danach behandeln die Autoren Erkenntnisse zu Anwerbungspraxis und Organisationsstruktur. Dem folgen Berichte zu den Forschungsergebnissen über Motivationen und Karrieren salafistischer Dschihadistinnen und Dschihadisten, wobei die unterschiedlichen Einflussfaktoren auf die Entwicklung von Personen erörtert werden. Dschihadistische Rechtfertigungsnarrative und ihre Angriffsflächen stehen danach im Zentrum. Dem folgt ein Bericht zu Forschungen über Dschihadismus und Salafismus in transnationaler Perspektive. Die Erfahrungen mit Prävention und Deradikalisierung werden anschließend erörtert, wobei etwa systemische Beratungsangebote, aufsuchende Ansätze und religiöse Beratungsangebote behandelt und verglichen werden. Und schließlich geht es noch um Herausforderungen des Wissenstransfers. In der Bilanz hat man es demnach mit einer detaillierten und problembezogenen Forschungsbilanz zu tun.

Genau darin liegen bei dem Sammelband auch die Stärken. Für kommende Forschungen hat man es mit einer Gesamtdarstellung zu tun, welche zu Anregungen und Fragestellungen zunächst einmal unverzichtbar sein dürfte. Die Autoren erweisen sich als gute Kenner und liefern über die fragmentarische Forschung einen gelungenen Überblick. Sicherlich könnte man kritisch darauf hinweisen, dass bestimmte Aspekte nicht vorkommen. Dies würde etwa für die Bedeutung des Antisemitismus, die Einschätzung der Ideologie oder die Relevanz unter Muslimen gelten. Aber auf derartigen Lücken herumzureiten, wäre unangemessen. Denn bei einem solchen ambitionierten Projekt müssen Schwerpunkte gebildet werden. Die einzelnen Aufsätze sind gut strukturiert und geben zu den Forschungen einen sachlichen Überblick. Damit schlagen die Autoren und Herausgeber in das Dickicht von Erkenntnissen einen Weg. Es handelt sich demnach um ein gelungenes Handbuch, das sowohl für Einsteiger wie für Kenner der Materie ein überaus nützliches Werkzeug ist.

Janusz Biene/Christopher Daase/Julian Jung/Harald Müller (Hrsg.), Salafismus und Dschihadismus in Deutschland. Ursachen, Dynamiken, Handlungsempfehlungen, Frankfurt/Main 2016 (Campus-Verlag), 301 S., 24,95 Euro