BRAUNSCHWEIG. (hpd) "being human – Menschsein" lautet der Titel einer spektakulären Einzelausstellung der Fotografin Yvonne Salzmann, die heute mit einer Vernissage eröffnet und bis zum 12. Januar in der "BBK Torhaus-Galerie" in Braunschweig zu sehen sein wird.
Bei der Wahl ihrer Motive hat sich Salzmann von der Philosophie des evolutionären Humanismus inspirieren lassen. Der hpd führte ein Interview mit der Fotografin.
hpd: Frau Salzmann, Sie haben als erste Fotografin das alle zwei Jahre vergebene Stipendium des "Freundeskreises Bildender Künstler Braunschweig" erhalten und präsentieren nun ihre Arbeiten in der BBK-Torhaus-Galerie. Wussten Sie von Anfang an, in welche Richtung Ihre Bilder gehen sollten?
Salzmann: Ich hatte eine gewisse Ahnung. Ich wollte das Thema „Menschsein“ in Bilder fassen. Also las ich einige Literatur zum Thema und stieß dabei auf die Bücher von Michael Schmidt-Salomon zum evolutionären Humanismus sowie auf das Great Ape Projekt. Das inspirierte mich zu der Idee, den „nackten Affen“ in einem kulturellen Kontext zu zeigen, in der Bibliothek, der Kirche, dem Theater, auf der Straße, bei der Arbeit, im Bus, im Garten, auf einem Panzer...
Wie sind diese Bilder entstanden? Sie werden ja nicht heimlich in ein Theater, eine Bibliothek oder Kirche geschlichen sein, um diese Fotos aufzunehmen?
Nein, wir hatten für alle Shootings Genehmigungen. Glücklicherweise gibt es nicht nur in den Theatern, sondern manchmal auch in den Bibliotheken und Kirchen Menschen, die einen Sinn für künstlerische Experimente haben. In der Kirche war nur der Altar Tabuzone – und daran haben wir uns gehalten.
Im Londoner Zoo wurden in der Primatenabteilung vor einigen Jahren Vertreter der Spezies Homo sapiens gezeigt, um unsere enge Verwandtschaft mit unseren haarigen Verwandten zu demonstrieren. Geht es bei Ihrer "being human"-Serie um dieses Thema?
Natürlich. Es ist ja erwiesen, dass wir die nächsten Verwandten des Schimpansen sind – nicht der Gorilla. Deshalb sollten wir die menschliche Überheblichkeit gegenüber anderen Tieren endlich überwinden. Wir stehen nun einmal nicht über der Natur, sondern sind ein Teil von ihr.
Bilder aus der Serie "being human – Menschsein"
© Yvonne Salzmann 2013
Zur "being human"-Ausstellung gehört eine zweite kurze Serie mit dem Titel "Schwein gehabt", die ebenfalls die Nähe des Menschen zum Tier darstellt – allerdings in sehr viel drastischerer Form. Sie zeigen eine nackte Frau, die auf dem ersten Bild mit Schweinen spielt und am Schluss, umgeben von Schweinehälften, kopfüber am Fleischerhaken hängt. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Nun, Schweine sind überaus intelligente Tiere und eng mit uns verwandt. Die Ähnlichkeit unserer Haut mit der Haut der Hausschweine hat mich schon immer fasziniert und sie sorgt auch dafür, dass diese Bilder so irritierend auf uns wirken. Im Grunde hat diese Serie das gleiche Grundmotiv wie "being human". Es geht darum, den Graben, den wir zwischen uns und den anderen Tieren gezogen haben, zu überschreiten.
War es schwer, ein Model für diese Aufnahmen zu finden?
Nein, eine Künstlerkollegin hat sich sofort bereit erklärt, für dieses besondere Shooting zur Verfügung zu stehen. Das größte Problem bestand darin, dass sie sich schnell mit den Schweinen anfreundete – und das erzeugte natürlich eine starke emotionale Spannung. Doch genau darum geht es ja in der Serie. Wir müssen uns die Frage stellen: Dürfen wir so etwas nahen Verwandten antun? Können wir uns damit abfinden, bloß Schwein gehabt zu haben, nicht als Schweine geboren worden zu sein? Oder machen wir uns die Sache damit nicht doch zu einfach?
Bilder aus der Serie "Schwein gehabt – pigging it"
© Yvonne Salzmann 2013
Im dritten Teil der Ausstellung mit dem Titel "Gefühlswelten" zeigen Sie Fotografien aus aller Welt, aufgenommen mit Einwegkameras, die sie an 50 Freunde sowie Freunde von Freunden verschickt haben…
Ja, die Aufgabe bestand darin, festzuhalten, was Menschen rund um den Globus miteinander verbindet. Es sollte ein besonderer Moment eingefangen werden – ein Moment der Freude, des gemeinsamen Erlebens, des Lachens oder des Weinens.
In welcher Beziehung steht dieser dritte Teil der Ausstellung zu den anderen beiden?
Es geht in der gesamten Ausstellung um die Frage, was es bedeutet, Mensch zu sein. Was zeichnet uns aus? Was ist das Allgemeine, das uns mit anderen verbindet? Und was ist das Besondere an mir als Individuum? Auch wenn wir Menschen ganz gewiss nicht im Mittelpunkt des Kosmos stehen, so ist doch jedes einzelne Individuum ein eigenes Universum, das wir achten sollten – nicht zuletzt deshalb, weil es irgendwann einmal unwiederbringlich verlorengehen wird. Diese existentielle Spannung habe ich versucht, in meinen Bildern einzufangen. Ich hoffe, es ist gelungen.
Liebe Yvonne Salzmann, herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Die Fragen stellte Peter Reuter.
Informationen zur Ausstellung gibt es unter bbk-bs.de; Infos zu Yvonne Salzmann unter: salzmann-photographie.de