Weltliches Arbeitsrecht seit dem 1. Januar?

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Illustration: Jacques Tilly

BERLIN. (hpd) Bis zum  31.12.2013 mussten die Caritas-Einrichtungen „Farbe bekennen“ und die Grundordnung in ihren Statuten übernehmen. „Katholisches Arbeitsrecht“ oder „nicht katholisch“ ist die Alternative – „ein bisschen katholisch“ geht demnach genauso wenig wie „ein bisschen schwanger“.

Die Diözesanbischöfe fordern Klarheit. Im „Schutze von Mutter Kirche“ hatten sich viele angeblich katholische Einrichtungen dem weltlichen Arbeits­recht entzogen – ohne aber die Regularien des bischöflichen Rechts anzuwenden. Eine zunehmende Zer­splitterung war die Folge. Und die Bischöfe wurden mit Auswüchsen konfrontiert, die auch das eigene Arbeits­recht in Misskredit brachten. Dagegen entstand in der Öffentlichkeit immer größerer Druck – ausgelöst unter anderem durch massive gewerkschaft­liche Kritik am kirchlichen Sonderweg und dessen Ergebnissen, wodurch die Sonder­stellung der Kirchen insgesamt in Gefahr geriet. Jetzt wollen Deutschlands Bischöfe nur noch die Verant­wortung für die Regelungen tragen, die sie selbst in Kraft gesetzt haben. Wer sich diesen Regelungen entzieht, der soll auch nicht mehr die Sonder­stellung der Kirche für sich beanspruchen können. Für diese katholischen Einrichtungen wird ab sofort vollständig das weltliche Arbeitsrecht gelten.

Um welche Sonderrechte geht es?

Das kirchlich-katholische Arbeitsrecht beansprucht vier Sonder­stellungen, die in der „Grund­ordnung des kirchlichen Dienstes“ (GrO) zusammengefasst sind. Dabei handelt es sich um
- die individuellen Loyalitäts­anforderungen, die schon bei Einstellungen zu beachten sind, und die Rechts­folge bei Verstößen gegen diese Loyalitäts­anforderungen,

- das Mitarbeitervertretungsrecht als Recht der inner­betrieblichen Mitbestimmung, geregelt durch die „Mitarbeiter­vertretungs­ordnung“ (MAVO),

- die Weigerung, Tarif­verträge mit Gewerkschaften abzuschließen (stattdessen sollen Kommissionen mit der gleichen Anzahl von Vertretern der Arbei­tgeber und der Arbeitnehmer ein kollektives „Arbeits­vertrags­recht“ schaffen) und

- um einen inner­kirchlichen Rechts­schutz durch kirchliche Arbeits­gerichte auf dem Gebiet der vorgenannten kollektiv­recht­lichen Regelungen.

Die Kirchen beanspruchen eine entsprechende Regelungs­befugnis aus der Sonder­stellung von Art. 140 GG i.V. mit Art. 137 WRV, wonach es den Religions­gesell­schaften vorbe­halten ist, ihre Angelegen­heiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten und ihre Ämter ohne Mit­wirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde zu verleihen. Dieses Selbst­ordnungs- und Selbst­verwaltungs­recht gilt für alle Religions­gesell­schaften, nicht nur für die beiden christ­lichen Kirchen. Darüber hinaus beanspruchen die beiden Kirchen aus der dort zuge­standenen Aner­kennung als „Körper­schaften des öffentlichen Rechts“ auch die öffentlich-rechtliche Recht­setzungs­befugnis, die anderen Religions­gemein­schaften – wie etwa den buddhistischen Gemein­schaften oder den islamischen Gemeinden in Deutschland – nicht zugestanden ist.

Diese Verfassungs­rechtliche Bestimmung bildet den (vorläufigen) Endpunkt einer Entwicklung, die eine Trennung von Kirche und Staat zum Inhalt hat. Staats­kirchen­recht – also das staat­liche Recht zum Verhältnis zu den Kirchen – ist immer das Recht der Konkordanz zwischen Kirche und Staat. Seinen völker­recht­lich verbind­lichen Charakter erhält diese Beziehung durch Konkordats­verträge wie das Reichskonkordat von 1933, das in Artikel 1 die gleiche materielle Regelung trifft.

Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein waren etwa die katholischen Fürst­bischöfe zugleich weltliche und kirchliche Herren, und beispiels­weise die Pfarrer der Evangelische Kirche in Preußen auch preußische Staats­beamte. Das Vermögen der orts­kirchlichen Stiftungen wurde beispiels­weise bis zur Mitte des 19. Jahr­hunderts als rechtlich unselbst­ständige Vermögens­masse von den bayerischen Kommunen mit­ver­waltet, und erst am 1. Januar 1955 wurde die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen vom Freistaat Bayern auf die Kirchen übertragen.

Mit der verfassungs­rechtlichen Bestimmung – und für die katholische Kirche verbindlich auch mit dem Reichs­konkordat – wurde den Kirchen zugestanden, selbst zu bestimmen, wo es Pfarreien und Bistümer geben soll (Selbst­ordnung), wie die ent­sprechenden Kirchen­ämter besetzt werden (Selbst­verwaltung), und wie das Vermögen der verschiedenen kirchlichen Körper­schaften, Stiftungen und Vereine im Rahmen seiner Zweck­bestimmung ver­waltet wird (Selbst­verwal­tung). Die Grenzen dieses Selbst­ordnungs- und Selbst­verwaltungs­rechts kann der Staat „im Rahmen der für alle geltenden Gesetze“ fest­legen. So hat das Betriebs­räte­gesetz der Weimarer Republik die Kirchen selbst­verständ­lich einge­schlossen, und mit der Ein­führung der „Tarif­ordnungen A und B“ durch das faschistische Deutschland wurden auch die Kirchen gezwungen, in ihren Arbeits­verträgen diese „für alle geltenden“ Tarif­ordnungen zugrunde zu legen.

Rechtsgrundlagen der Grundordnung

Das Recht auf innerbetriebliche Mit­bestimmung

Als 1952 unter Adenauer wieder ein Betriebs­verfassungs­gesetz einge­führt wurde, ver­zichtete der Staat auf die Regelung der inner­betrieb­lichen Mit­bestimmung für die Kirchen. In § 118 Abs. 2 des Betriebs­verfassungs­gesetzes wurde fest­gelegt, dass dieses Gesetz nicht für „Religions­gemein­schaften und ihre karitativen und erzieherischen Ein­richtungen unbeschadet deren Rechts­form“ gelten sollte. Nicht nur die Kirchen und ihre karitativen und erzieherischen Ein­richtungen, sondern auch andere Religions­gemein­schaften sind daher für ihre „karitativen und erzieherischen Ein­richtungen“ – also etwa für die islamische Koran­schule – von der Anwendung des Betriebs­verfassungs­gesetzes befreit.

Ursächlich für diese Befreiung war wohl die Intervention von evangelischer und katholischer Seite (Kardinal Frings), die gleich­lautend argumentierten, dies würde im Hinblick auf die Einheit mit den Ange­hörigen der jeweiligen Kirche in Ost­deutsch­land proble­matisch sein – und die zugleich ein eigenes, sozial vor­bild­liches Mit­bestimmungs­recht in Aus­sicht stellten. Der Staat wollte damit den Trägern entgegen kommen, die unter Verzicht auf die Absicht der Gewinn­erzielung gemein­nützig (caritativ) tätig sind, und eine religiös orientierte Erziehungs­tätig­keit (egal welcher Couleur) ausüben.

In der Praxis und im christlich geprägten Deutschland sollten – nach den traumatischen Erfahrungen des „Dritten Reiches“, und der Fixierung auf die religions­feind­liche national­sozialis­tische Ideologie, damit zunächst die beiden christlichen Kirchen und die jüdische Gemein­schaft gefördert und von staat­licher Einfluss­nahme befreit werden. Mit zunehmender Immigration nicht­christlicher Personen nach Deutsch­land können im Zuge der verfassungs­rechtlich garantierten „Religions­freiheit“ auch andere Religions­gemein­schaften, wie z. B. Buddhisten, Hindus oder Muslime von dieser Frei­stellung Gebrauch machen, wenn und solange die ent­sprechenden Ein­richtungen selbst­los (gemeinnützig, caritativ) oder erzieherisch tätig sind.

Da die Religions­freiheit zudem auch das Recht einschließt, sich gegen eine Religion zu entscheiden, stellt sich heute zudem die Frage, ob der Staat aus seiner Verpflichtung zur welt­anschau­lichen Neutralität auch aus­drücklich nicht­religiösen Welt­anschauungs­gemein­schaften wie dem Humanistischen Verband (HVD) eine entsprechende Frei­stellung für sich und ihre Ein­richtungen ein­räumen müsste.

Eine dem Betriebs­verfassungs­gesetz vergleichbare Regelung findet sich in den Personal­vertretungs­gesetzen. So ist in Art. 92 des BayPVG geregelt, dass „dieses Gesetz keine Anwendung auf Religions­gemein­schaften und ihre karitativen und erzieherischen Ein­richtungen ohne Rück­sicht auf ihre Rechts­form findet; ihnen bleibt die selbst­ständige Ordnung eines Personal­vertretungs­rechts über­lassen.“ 

Das bedeutet natürlich auch, dass gewerbliche Betriebe – etwa die rechtlich unselbst­ständige Kloster­brauerei einer Ordens­gemeinschaft, die Körper­schaft des öffent­lichen Rechts ist – den ent­sprechenden Gesetzen unterliegen (VGH München: Entscheidung vom 13.09.1989 - 17 P 89 00759). Wenn etwa das Bistum Eichstätt die Aktien­mehr­heit eines großen Ingol­städter KFZ-Her­stellers über­nimmt, dann soll in den Fabriken dieses Unter­nehmens nicht das kirch­liche Mit­bestimmungs­recht zur An­wendung kommen. Es handelt sich in einem solchen Fall zwar eigen­tums­rechtlich, nicht aber arbeits­rechtlich um eine „kirch­liche Ein­richtung“.

Zugleich wird im Personal­vertretungs­gesetz auch die Erwartung des Staates wieder­gegeben, wonach die Religions­gemein­schaften ein eigenes Personal­vertretungs­recht schaffen sollen. Diese Erwartung ist für die Kirchen durch das Mit­arbeiter­vertretungs­gesetz (MVG, evangelisch) oder die diözesanen Mit­arbeiter­vertretungs­ordnungen (MAVO, katholisch) und die Bildung entsprechender Mit­arbeiter­vertretungen (MAV) erfüllt worden.

Loyalitätsanforderungen

Nachdem das Betriebs­verfassungs­gesetz und damit auch die Bestimmung des Art. 118 Abs. 1 für „Tendenz­betriebe“ für die Kirchen nicht galten, kam es zu Streitig­keiten darüber, ob die Kirchen denn ent­sprechende An­forde­rungen für ihre Beschäf­tigten stellen könnten.

Das Bundes­verfassungs­gericht hat dazu entschieden, dass es den Kirchen frei steht, sich auch der Privat­autonomie zu bedienen, um ein Arbeits­verhält­nis zu be­gründen und zu regeln. Auf dieses soll dann das staatliche Arbeits­recht Anwendung finden. Dabei sei es den verfassten Kirchen möglich, Maßstäbe für Grund­ver­pflich­tungen fest­zulegen, die auf das Arbeits­verhältnis ange­wendet werden können. Es bleibe „grund­sätzlich den ver­faßten Kirchen über­lassen, ver­bind­lich zu be­stimmen, was "die Glaub­würdig­keit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert", was "spezifisch kirchliche Aufgaben" sind, was "Nähe" zu ihnen bedeutet, welches die "wesent­lichen Grund­sätze der Glaubens­lehre und Sitten­lehre" sind und was als - gegebenen­falls schwerer - Verstoß gegen diese anzu­sehen ist.“ Ob ein Loyalitäts­verstoß eine Kündigung recht­fertigen würde, sei dagegen „nach den kündigungs­schutz­rechtlichen Vor­schriften des § 1 KSchG, § 626 BGB zu beantworten. Diese unterliegen als für alle geltendes Gesetz im Sinne der Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV umfassender arbeits­gericht­licher An­wendungen“.

Nicht jeder Dorfpfarrer kann also bestimmen, welche Loyalitäts­anforde­rungen von den Beschäf­tigten der Pfarrei ein­zu­halten sind. Und ob bei einem Verstoß eine Kündigung zu­lässig ist, sei – so zu­mindest das Bundes­verfassungs­gericht – in jedem Einzel­fall nach den Maß­stäben des für alle geltenden Gesetzes zu prüfen, zu denen inzwischen auch das All­gemeine Gleich­behandlungs­gesetz (AGG) getreten ist.

Arbeitsvertragsrecht und Ausschluss gewerkschaftlicher Beteiligung

Das Tarif­vertrags­gesetz (TVG) ist im Gegen­satz zum Betriebs­verfassungs­gesetz ein „für alle geltendes Gesetz“. Es nimmt die Kirchen nicht aus, ist aber für die Kirchen wie für jeden anderen Arbeit­geber auch nur ein Angebot. Danach können Tarif­verträge (nur) mit den Gewerk­schaften abge­schlossen werden.

Obwohl die 1938 geschaffene TO-A bzw. TO-B nur gegen den Wider­stand der Diözesen über­nommen worden waren, behielten nach 1945 die evangelische Kirche und in einem Akt der ökumenischen Solidarität auch die katholische Kirche dieses aufge­zwungene System bei. Arbeits­vertrag­liche Inhalte sollen nicht durch Tarif­verträge geregelt, sondern von Arbeits­recht­lichen Kommissionen beschlossen werden. Dadurch werden nach Meinung der kirch­lichen Arbeit­geber auch die Gewerk­schaften aus­geschlossen und zugleich die üblichen Regularien des Arbeits­kampf­rechts (Aus­sperrung und Streik) für den kirch­lichen Bereich sistiert. Im Konflikt­fall soll ein verbind­liches Ver­mittlungs­verfahren („Zwangs­schlichtung“) die Einigung in der Kommission ersetzen.

Die Beschlüsse der Kommissionen – in der Regel wird eine 2/3 Mehr­heit benötigt – oder des Schlichtungs­ver­fahrens werden vom jewei­ligen Diözesan­bischof als Kirchen­gesetz in Kraft gesetzt. Damit werden die diesem Bischof kirchen­recht­lich unter­stehen­den Ein­richtungen ver­pflich­tet, die so in Kraft gesetzten Rege­lungen in ihren Arbeits­ver­trägen zu­grunde zu legen. Es handelt sich somit um „Allgemeine Geschäfts­bedingungen“.

Kirchliche Arbeitsgerichte

Da der Staat die gerichtliche Über­prüfung dieser kirchen­eigenen Ordnungen ab­lehnt, haben die Kirchen eigene kirch­liche Arbeits­gerichte gebildet, die Rechts­streitig­keiten aus der An­wendung der entsprechenden Ordnungen entscheiden sollen.

Den katholischen Arbeitsgerichten fehlen zwei entscheidende Befugnisse:
einmal fehlt den Gerichten die Mög­lich­keit der Normen­kontrolle, da sie nur im Auftrag und Namen des Bischofs „Recht sprechen“. Sie sind also nicht befugt, darüber zu be­finden, ob der gesetz­gebende Bischof, in dessen Auf­trag sie tätig sind, gegen über­geord­netes Recht ver­stoßen hat, und dann fehlt die Mög­lich­keit der „Zwangs­voll­streckung“. Wenn die unter­legene Seite eine Ent­scheidung nicht befol­gen will, bleibt als schärfste Mög­lichkeit …. der Liebes­entzug.

Aus „gehalten“ wird „verpflichtet“

Auf all diesen Grund­lagen haben die deutschen Diözesan­bischöfe die bereits genannte Grund­ordnung (GrO) er­lassen und dabei die kirch­lichen Sonder­regelungen in einer gemein­samen Rechts­grund­lage zusammen­gefasst. Die GrO ist von den Bischöfen in jeder Diözese als kirchen­eigenes Gesetz in Kraft gesetzt worden. Sie gilt für alle Ein­richtungen, die den Bischöfen kirchen­rechtlich unter­stellt sind.

Problematisch ist aber die Geltung dieser Regelungen für die über­diözesan tätigen Gemein­schaften wie den Deutschen Caritas­verband, ins­besondere aber für die un­mittelbar dem Vatikan unter­stehenden Orden „päpst­lichen Rechts“. Diese Ordens­gemein­schaften unter­stehen in der Regel einem eigenen Ordens­bischof.

Unter Kirchen­rechtlern (Kanonikern) ist heftig um­stritten, ob die Gesetze der diözesanen Bischöfe auch für diese Orden gelten.

Die den Orden nahe stehenden Kanoniker meinen, der Diözesan­bischof habe gegen­über den Orden keiner­lei Recht­setzungs­befug­nis, ins­besondere aber nicht in Ver­mögens­ange­legen­heiten, zu denen die Frage der Ent­lohnung von Beschäf­tigten gehört. Die den Bischöfen nahe stehenden Kanoniker halten dem ent­gegen, der Ordens­bischof habe nur gegen­über den Ordens­mit­gliedern eine ent­sprechende Recht­setzungs­gewalt, nicht aber gegen­über den Laien, die dem Orden durch einen Arbeits­vertrag ver­bunden sind.

Daher hatten die Bischöfe in der ursprüng­lichen Fassung der GrO fest­gelegt, die den Bischöfen nicht unmittel­bar unter­stehen­den Ein­richtungen seien „gehalten“, die GrO zu über­nehmen. Wer das nicht tut – so war die Recht­sprechung der kirch­lichen Arbeits­gerichte – ent­zieht sich dem maß­geb­lichen Ein­fluss der Bischöfe und kann sich daher nicht auf die „Kirch­lich­keit“ seiner Ein­richtung berufen.

In einem Streit­fall hatte nun der unter­legene Arbeit­geber – das Kolping Werk Paderborn – die Ent­scheidung des obersten Kirchen­gerichts, der „Aposto­lischen Signatur“ in Rom zur Frage erbeten, ob dieser Arbeit­geber ver­pflich­tet sei, die GrO und damit das ent­sprechende kirch­liche „Tarif­recht“ zu über­nehmen. Ein für diesen Streit­fall gebil­detes „Sonder­gericht“ kam zur Ent­scheidung, dies sei auf­grund der Wort­wahl „sind gehalten“ nicht der Fall. „Sind gehalten“ bedeute nicht „sind ver­pflich­tet“.

Darauf haben die Bischöfe reagiert und aus dem „gehalten“ eine „Ver­pflich­tung“ gemacht. Wer bis 31.12.2013 die GrO nicht rechts­verbind­lich in seinen Statuten über­nommen hat, kann sich dem­nach arbeits­recht­lich nicht auf die Kirch­lich­keit seiner Ein­richtung berufen. Aus der Formulierung „bis spätestens 31.12.2013“ in der GrO ergibt sich, dass es sich um eine Aus­schluss­frist handelt.

Seit dem Jahres­wechsel gibt es nur noch entweder - oder und kein Hin und Her zwischen den Regelungen, d. h. keine katholische Ein­richtung kann ein bisschen schwanger sein, sondern muss entweder das welt­liche oder das katho­lische Arbeits­recht an­wenden.

Inzwischen sollen angeblich kirchliche Rechts­träger gegen diese Ver­pflich­tung erneut eine Ent­scheidung aus Rom ein­klagen. Deren Auf­fassung nach dürfe „katholisch“ nicht mit der Weigerung gleich­gesetzt werden, Tarif­verträge mit einer Gewerk­schaft abzu­schließen oder anzu­wenden (die kath. Sozial­lehre fordert das „Gewerk­schafts­prinzip“ - vgl. unter anderem die Enzyklika „DEUS CARITAS EST“ vom 25.12.2005, Rd.Nr. 27 m.w.N.).

Probleme der Überleitung

Damit ergeben sich Fragen hin­sichtlich der Mit­wirkung einer bestehenden MAV im Rahmen der inner­betrieb­lichen Mit­bestimmung. Mit Ablauf des 31.12.2013 ist auch die MAVO nicht mehr anwend­bar. Damit kann ab 01.01.2014 nur noch das Betriebs­verfassungs­recht oder (bei Arbeit­gebern, die öffentlich-rechtlich konstituiert sind) das Personal­vertretungs­gesetz zur An­wendung kommen. Die Wahl der Betriebs- oder Personal­räte benötigt aber Zeit. Daher droht ein „vertretungs­loser Zeit­raum“, in dem der Arbeit­geber ohne ent­sprechende Personal­vertretung viel­fach „voll­endete Tat­sachen“ zu Lasten der Beschäf­tigten schaffen kann.

Wir zitieren dazu:
„Kein Problem sollte es geben, wenn der Arbeit­geber bis zur Bildung eines Betriebs- oder Personal­rats die bereits bestehende MAV weiter beteiligt.
Als Rechtsgrundlage hierfür kommen die Richtlinie 77/187/EWG, 98/50/EG und EG 2001/23/EG in Betracht. Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 der letztgenannten Richlinie wird gefordert, die Arbeit­nehmer­vertretung "unter den gleichen Bedingungen zu erhalten, wie sie vor dem Zeit­punkt des Über­gangs aufgrund von Rechts- und Verwaltungs­vor­schriften (...) bestanden haben."

Beim Wechsel aus dem kirchlichen Regelungs­bereich heraus muss mit dem Zeit­punkt des Wechsels der Staat ent­sprechende Regelungen treffen. Das ist insoweit mit der EU-Richt­linie er­folgt. Weiter­gehende Um­setzungen dieser Richt­linie fehlen - was den Wechsel vom kirch­lichen zum staat­lichen Betriebs­verfassungs­recht betrifft. Damit kann man sich (nur) auf die EU-Richt­linie stützen. Das sollte "im Zweifel" aber auch getan werden, um eine "ver­tretungs­lose Zeit" zu ver­meiden.

Mit anderen Worten: die bisherige MAV sollte bis zur Konstitution des künftigen Betriebs- oder Personal­rats den An­spruch er­heben, über ein "Über­gangs­mandat" oder ein "Rest­mandat" die MAVO-Rechte aufgrund der Vor­gaben des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 4 der Richtlinie 2001/23/EG weiter aus­zuüben. Argumentieren kann die MAV damit, dass die kirch­liche Selbst­bestimmung und Selbst­verwaltung ver­fassungs­recht­lich nur "im Rahmen des für alle geltenden Gesetzes" besteht. Und die EU-Richt­linien nehmen die Kirchen nicht aus. Sie sollen also auch für ehe­mals kirch­liche Ein­richtungen gelten.

Wenn der deutsche Gesetz­geber bei der Umsetzung der EU-Richt­linie den Wechsel vom kirch­lichen zum welt­lichen Recht über­sehen hat, dann liegt eine Regelungs­lücke vor, die durch eine europa­rechts­konforme Aus­legung - also eine analoge An­wendung der EU-Richt­linie - zu schließen wäre.“

Damit ist aber immer noch nicht geklärt, inwie­weit die in der Grund­ordnung vor­gegebenen Loyalitäts­anforderungen der katho­lischen Kirche weiter­hin Bestand haben. Diese An­forderungen wider­sprechen schon dem AGG (und sind daher mit dem an­fänglich zitierten verfassungs­recht­lichen „Schranken­vorbehalt“ nicht ver­einbar) und erst recht dem europäischen Recht. Die EU-Vorgabe erlaubt Ungleich­behand­lungen nämlich nur in ver­kündigungs­nahen Berufen, die deutsche Kirchen­klausel erlaubt sie für das gesamte Personal.

Außerdem heißt es in der EU-Vorgabe, es muss sich um „eine wesent­liche, recht­mäßige und gerecht­fertigte berufliche Anforderung“ handeln, im deutschen AGG blieb davon nur die „gerecht­fertigte“ übrig. Es bleibt abzu­warten, wie die Arbeits­gerichte auf diese Wider­sprüche reagieren werden. In der Recht­sprechung der unteren Gerichte deutet sich bereits eine kritischere Haltung gegen­über den über­dehnten kirch­lichen Anforderungen an. So hat das Arbeits­gericht Berlin kürzlich eine ent­sprechende Ent­scheidung getroffen.