UBI et Orbi

Papst fordert Grundeinkommen und Arbeitszeitverkürzung

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Papst Franziskus
Papst Franziskus

In einer Videobotschaft sprach sich das katholische Oberhaupt vergangenen Samstag für fundamentale Veränderungen unseres Wirtschaftssystems aus. Er forderte außerdem mehr Steuergerechtigkeit, Schuldenschnitte für ärmere Staaten und mehr Gemeinwohlorientierung. Noble Worte, doch Franziskus scheint vergessen zu haben, dass sein eigener Verein hierzulande erst kürzlich einen Tarifvertrag für Pflegekräfte platzen ließ.

Franziskus Rede beim vierten "Welttreffen der Volksbewegungen" liest sich beinahe wie das Wahlprogramm einer dezidiert linken Partei: Grundeinkommen (englisch UBI, "universal basic income"), Arbeitszeitverkürzung, Freigabe der Impfstoffpatente. Vom "lähmenden Egoismus" müssten wir uns befreien, wollen wir den globalen Hunger und die fortwährende Zerstörung der Natur eindämmen.

"Es ist fair, für eine menschenwürdige Verteilung dieser Ressourcen zu kämpfen. Und es ist die Aufgabe der Regierungen, Fiskal- und Umverteilungssysteme einzurichten, damit der Reichtum Einzelner gerecht geteilt wird, ohne, dass dies eine unerträgliche Belastung bedeutet, hauptsächlich für die Mittelschicht", sagte Franziskus am Ende seiner Rede. Damit spielt er womöglich auf die jüngst aufgedeckten "Pandora Papers" an, die aufzeigen, wie die Reichen und politisch Mächtigen ihre eigenen Steuergesetze umgehen. Oder aber auf die Tatsache, dass – katalysiert durch den Niedergang der Gewerkschaften – die Einkommensverteilung immer unausgeglichener wird.

Gewerkschaftsmitgliedschaften und Ungleichverteilung des Einkommens
Die Quote der Gewerkschaftsmitgliedschaften und die Entwicklung der Ungleichverteilung des Einkommens in den USA über einen Zeitraum von 100 Jahren.
Grafik: Wikideas1 via Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

All diese Forderungen mögen fromm und vor allem sinnvoll sein. Doch ein Blick auf den praktischen Umgang der katholischen Kirche mit ihren Angestellten zeigt, dass das Wasser der Egalität hier gern gepredigt, aber nicht mit allzu großer Begeisterung getrunken wird.

Wer Gotteslohn erhält, braucht keinen Tarifvertrag

Ein eindrückliches Beispiel für diese Doppelmoral ist der erst kürzlich von der Caritas versenkte Flächentarifvertrag in der Altenpflege. 1,2 Millionen Menschen hätten mit diesem Tarifvertrag eine signifikante Aufwertung ihres Berufs, ihres Lohns und ihrer Arbeitsbedingungen erlebt, doch die Caritas stellte sich quer. In das "über Jahre gewachsene Tarifgefüge der Caritas" würde dieser Tarif eingreifen und damit "weit über die Altenpflege hinaus in andere Arbeitsbereiche".

Oh Schreck! Das könnte ja bedeuten – also neben fairen Löhnen für alle –, dass den katholischen Trägerorganisationen die Arbeitskräfte davonlaufen. Eben jene Arbeitskräfte, die vermutlich nur noch deswegen Kirchenmitglied sind, weil sie ohne diese Eigenschaft ihren Job allenfalls zu noch schlechteren Bedingungen ausüben können. Klarer Fall: Gemeinwohl wird in der katholischen Kirche großgeschrieben. Außer natürlich, es schmälert die Verhandlungsmacht gegenüber den eigenen Angestellten.

Besonders wohlwollend zeigt sich die katholische Kirche dafür bei den Bezügen ihrer Geweihten. So erhält der skandalumwitterte Kölner Kardinal Woelki sein üppiges, steuerfinanziertes Salär in Höhe von fast 14.000 Euro auch während seiner "geistlichen Auszeit". Wohlfahrt kann so einfach sein, wenn der Staat dafür bezahlt.

Nebelkerzen über Rom

Es steht noch ein weiterer Elefant im Raum, wenn der Papst von Einkommensgerechtigkeit spricht. Dieser Elefant heißt "Missbrauchsskandal". Erst kürzlich enthüllte der Bericht einer Untersuchungskommission, dass zwischen 1950 und 2020 allein in Frankreich 216.000 Menschen von Priestern und Ordensleuten missbraucht wurden (der hpd berichtete). Nur die wenigsten erhielten eine Entschädigung.

Wie, muss mensch sich nun fragen, kann Franziskus also mehr Gemeinwohl, ein faireres Miteinander und eine bessere Behandlung der arbeitenden Bevölkerung fordern, wenn der Verein, dem er vorsitzt, nichts davon lebt? Welche Bedeutung kommt diesen Forderungen zu, wenn diejenigen, die von katholischen Geistlichen missbraucht worden sind, jahrelang um Entschädigungen, deren Höhe bisweilen eine Beleidigung ist, kämpfen müssen, während die Kirche selbst Milliarden hortet? Die Forderungen des Pontifex verkommen zum Blendwerk, welches davon ablenken soll, dass die katholische Kirche wieder einmal mit der Umsetzung der ihr angeblich so eigenen Werte hadert.

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