BERLIN. (hpd) In der sowieso schon schwierigen Thematik der ehemaligen Heimkinder gibt es nun das zusätzliche Problem der unterschiedlichen Wahrnehmungen bei gleichem Sachverhalt. Die "Ost-Fonds" für Opfer der DDR-Heimerziehung sind faktisch ausgeschöpft. Außer netten, zuversichtlichen Worten schien sich bisher niemand wirklich zuständig zu fühlen.
Nun kommt doch noch ein Papier auf den Tisch, dass eine Reduzierung der Leistungen 'vorschlägt'. Der Arbeitskreis Fonds Heimerziehung der DDR (ABH-DDR) erklärt sich damit grundsätzlich nicht einverstanden.
Er gab aktuell eine Presseerklärung heraus, in der es heißt: "Ein Vorschlag zur Fortführung des Fonds wurde dem Arbeitskreis unterbreitet, der reduzierte Leistungskriterien einführen soll. Der Vorschlag stützt sich auf ein Protokoll aus den Jugend- und Finanzministerien vom 16. Januar 2014 und steht im Widerspruch zu den Vereinbarungen, die der Deutsche Bundestag in der 183. Sitzung am 13. Juni 2012 beschlossen hat. Der ABH-DDR ist mit diesem Vorschlag nicht einverstanden und widerspricht."
Im Juli 2012 wurden die Fonds begründet, aus denen Opfer der DDR-Heimerziehung (1945 – 1989) Leistungen beantragen können. Um Anträge zu stellen, sind Beratungsgespräche erforderlich. Dafür wurde in jedem Bundesland eine Anlauf- und Beratungsstelle eingerichtet. Die Errichter der Ost-Fonds waren hälftig der Bund und die Bundesländer, die Kirchen blieben außen vor. Während diese bei den Anfang 2012 aufgelegten West-Fonds mit auf der Seite der Einzahlenden sind. Anhaltspunkt für das Volumen der Fonds war für den Osten die Anzahl der Bevölkerung, die West-Fonds bezogen sich auf die bekannten Heimplätze. Eine Gemeinsamkeit haben Fonds Ost und West: sie waren beide nicht "gedeckelt" - so jedenfalls wurde es einmal zugesagt.
Am 12. Dezember 2013 hieß es in einer Information zur "Aussteuerung des Fonds Heimerziehung in der DDR" über die Fonds: "Der Lenkungsausschuß habe ein Verfahren zur weiteren Umsetzung des Fonds ... beschlossen, diejenigen Betroffenen vorrangig auszuzahlen, mit denen bereits Leistungsvereinbarungen entstanden sind. Man werde den sieben Anlauf- und Beratungsstellen jeweils ein Finanzkontingent zuweisen, nach Ausschöpfung dessen wären von dort wohl die Beratungen weiterzuführen. Es bestehe bis zu einer Entscheidung über eine Fortführung des Fonds keine Möglichkeit ... materielle Hilfen oder Rentenersatzleistungen in Anspruch zu nehmen."
Erste Reaktionen und Berichte
In der zweiten Dezember-Hälfte, der dunklen Jahreszeit mit kurzen Tagen und mitten in den Koalitionsverhandlungen, waren die Reaktionen darauf unterschiedlich:
Beratung ja – Anträge auf Leistungen nein? Da ist der Gedanke einer Ungleichbehandlung nicht weit entfernt. Betroffene und ehemalige Heimkinder riefen spontan zu einer Demonstration vor dem Kanzleramt auf. Die Demonstration kam jedoch nicht zusttande.
In Berichten heißt es: Die Fonds Ost seien durch die Länderfinanzminister der Neuen Bundesländer eingefroren worden. Von den anfangs geschätzten 40 Millionen Euro sind aktuell 27 Millionen Euro ausgegeben worden.
Allerdings machen eigene Recherche deutlich, dass bereits gestellte Anträge an die Ost-Fonds, die mit der sogenannten Schlüssigkeits-Prüfung von den zuständigen Stellen abgeschlossen sind, jetzt noch zur Auszahlung kommen. Addiert man die Summen dieser Anträge, sind die Ost-Fonds "virtuell" ausgeschöpft - sprich: leer.
Stellungnahmen zum Thema (Auswahl)
07.Januar 2014 - DIE WELT: "DDR-Heimkinder-Fonds muss aufgestockt werden: Anne Drescher,Landesbeauftragte für Stasi-Unterlagen in Mecklenburg-Vorpommern zeigt sich am Dienstag sicher, dass .... aufgestockt wird....."
09.Januar 2014 - Ingo J. Skoneczny, Vorsitzender des Fachbereichs zur Begleitung der Anlauf- und Beratungsstelle für den Entschädigungsfond für die ehemaligen Heimkinder in Berlin stellt als Autor Fragen und sein Resümee zur Diskussion u. a., "Gehen im Osten die Lichter aus?" (Seinen Beitrag dokumentiert der hpd auf den Seiten 3 bis 5 in voller Länge.)
Der rbb berichtet zu den Ost-Fonds: "Die Mittel werden wohl nicht ausreichen. Die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig wolle klären, wie allen Betroffenen geholfen werden kann." Weiter heißt es: "Die Bundesregierung und die Ost-Länder gingen davon aus, dass der Finanzbedarf für die Ost-Fonds bei insgesamt 200 Millionen Euro liegt."
13.Januar 2014 - Radio Allgäu, Leipziger Volkszeitung//MVOP (Auswahl) zitieren die Bundesfamilienministerin Manuael Schwesig: "Wir dürfen die Betroffenen nicht im Regen stehen lassen."
Die Medien zeigen sich zuversichtlich, dass der Bund mit den ostdeutschen Ländern eine gemeinsame Lösung finden wird. In den Berichten wird die Aufstockung der Ost-Fonds "um einen höheren zweistelligen Millionenbetrag" prognostiziert und die Worte der Bundesministerin werden wiederholt: "... die Fonds werden von den Betroffenen gut angenommen."
Zu erkennen ist, dass das Thema marginal aufgenommen wird. Einer anfängliche Schroffheit mit dem Hinweis, es bestünde kein Anspruch der Betroffenen mehr auf Leistungen aus den Fonds, weicht einem vorsichtigen Optimismus, die notwendigen Gelder noch zur Verfügung stellen zu können. Dabei setzt die Positionierung der Bundesministerin offensichtlich ein wesentliches Zeichen. Die Fonds sind als Resultat eines demokratischen Prozesses anzusehen, der sich nicht einfach vom Tisch wischen lassen darf.
Dennoch, es bewegt sich nichts.
Unsere Recherchen
Weil die Ausgangssituation so unübersichtlich war und sich vor allem die Aussagen zu widersprechen schienen, haben wir selbst umfangreich recherchiert.
Mit dem Ziel, wirklich Fakten benennen zu können, nahmen wir u. a. Kontakt mit den Anlauf- und Beratungsstellen auf und fragten bei dem zuständigen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen, Jugend (BmfsfJ an.
Anlauf- und Beratungsstellen
Auf die Frage, wie die Situation der Ost-Fonds sein, kam die überraschende Antwort: "Alle haben Recht. Am 10. Dezember 2013 war real kein Geld da, weil von den Bundesländern die vereinbarten Zusagen über die Ratenzahlungen in den Fonds nicht eingehalten wurden. Es kam zu einer Nothilfs-Aktion. Berlin hat dabei den ersten Schritt gemacht und das Geld für die Jahre 2014, 2015, 2016 vorgezogen eingezahlt und somit den finanziellen Engpass aufgefangen.
Antragstellern aus Berlin ist die Auszahlung garantiert, wenn
- fertige Verträge abgeschlossen sind,
- mit der Anlaufstelle bereits Vereinbarungen getroffen wurden und
- die Einzel-Vereinbarungen unmittelbar bevor stehen und diese nur noch einen "letzten Schliff" benötigt.
Ab Januar 2014 können allerdings vorerst keine neuen Verträge abgeschlossen werden. Über die aktuelle Situation informiert die Anlauf- und Beratungsstelle mit einem Anschreiben und rät den Betroffenen, die vereinbarten Termine wahrzunehmen, um nicht weitere Zeit zu verlieren.
Das Team der ABH-DDR geht davon aus, dass die Ost-Fonds aufgefüllt werden und die Leistungen somit weiter laufen können. Dabei erfahren wir, dass eine Wartezeit von bis zu eineinhalb Jahren auf ein ersten Beratungsgespräch nicht ungewöhnlich sind.
Die Berliner Anlaufstelle, die sowohl Beratungen für die Ost- wie auch die West-Fonds bearbeitet, hat daraus Konsequenzen gezogen. So wurden zusätzlich neue Räume angemietet und ab März 2014, spätestens jedoch im April wird ein Team in dem Stadtteilzentrum Fehrbelliner Straße 92 in 10119 Berlin (Pankow/Mitte), die Arbeit aufnehmen. Die Anlaufstelle in der Fregestraße 38a in 12161 Berlin-Friedenau, bleibt bestehen.
Eine positive Einstellung führt eher dazu, die Kapazität zu vergrößern und im Rahmen der Recherche ist hier schon einmal ein Blick auf die zweite Berliner Anlauf- und Beratungsstelle.
In Schwerin ist die einzige Anlauf- und Beratungsstelle für ganz Mecklenburg-Vorpommern eingerichtet. Auch hier arbeitet das Team weiter: "Wir beruhigen die Betroffenen, die sich aufgrund der aktuellen Situation Sorgen machen und bitten sie, durchzuhalten." Aufregung sei dabei eher kontraproduktiv. Momentan lassen sich Abschlüsse noch umsetzen, d. h. zugesagtes Geld fließt Wie lange, darüber mochte man keine Auskunft geben.
In der Anlaufstelle für Sachsen, in Leipzig, ist es ähnlich. "Wir beraten nach wie vor, Erstkontakte, Vereinbarungen, Schlüssigkeits-Prüfung mit Auszahlung, das ist das Programm. Über 2.000 Erstgespräche führten hier zu rund 1.200 Einzelberatungen.
Jetzt im Januar 2014 ist die Nachfrage steigend. Es kommen im Durchschnitt pro Arbeitstag 75 Neuanfragen zur Erstberatung in der Anlaufstelle an. Die Nachfrage liegt höher als in den vorangegangenen eineinhalb Jahren. Hier ist das Telefon so extrem frequentiert, dass sogar die Annahme auftrat, die Anlaufstelle habe kein Geld mehr und deshalb ihre Türen geschlossen. Nun, das Gegenteil ist der Fall. Wie lange das Kontingent zur Abdeckung der schlüssigen Anträge genügt, ist abhängig von den jeweiligen Anträgen und lässt sich nicht voraussehen. Neue Vertrage werden nicht abgeschlossen. Die Kommission, die über die Fonds entscheidet, kommen wohl im Februar zur Beratung zusammen, das braucht Zeit und Ruhe und auch Zuversicht. Darauf setzen die Mitarbeiter."
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (bmfsfj) bestätigte, dass die Fonds "Heimerziehung in der DDR" eingefroren werden mussten. Man spricht von einer bedrückenden Situation.
Allerdings war im Ministerium trotz mehrfacher Nachfrage niemand bereit, unsere Fragen genauer zu beantworten.
Wir fragten:
- "Wie hoch ist die Anzahl der ausgezahlten und beglichenen Anträge, die aus dem Fonds Ost beglichen wurden?"
- "Mit welcher Anzahl weiterer Anträge rechnen Sie?"
- "Ist es richtig, dass die Fonds Ost wie –West nicht gedeckelt sind?"
- "Stimmt es, dass der Bund die aktuell fälligen 6 Millionen Euro in die Ost-Fonds zahlt?"
- "Ist es richtig, dass bisher nur zwei Bundesländer ihrer fälligen Zahlungsverpflichung nachgekommen sind?"
- "Welche Positionen sind bisher offen geblieben?"
- "Wie wollen Sie es öffentlich kommunizieren, dass die West-Fonds gefüllt sind, die Ost-Fonds hingegen leer?"
- "In einem aktuellen Interview gab sich die Ministerin optimistisch und sagte, die Ost-Fonds werden 'gut angenommen' - hat man sich bei der Anzahl der Betroffen nicht gründlich verschätzt?"
- "Es wird davon gesprochen, dass für die Ost-Fonds von einem Budget über 200 Millionen ausgegangen wurde – welche Summe wird heute angenommen, um positiven Anträge zu decken?"
- "Anfangs bestand die Annahme, es habe in der DDR keine kirchlichen Heime gegeben. (Daher ist die Kirche auch nicht verpflichtet, in die Ost-Fonds einzuzahlen.) Allerdings ist das Gegenteil inzwischen belegt. Ein Beispiel ist das St. Josefsheim in Birkenwerder bei Berlin, es wird von den 'Karmelitinnen vom Göttlichen Herzen Jesu' geführt. Dort waren – auch - elternlose Kinder und Kriegswaisen in Obhut. Werden mit dieser neuen Erkenntnis die Kirche in den Kreis der Fonds-Ost einbezogen? Wenn nicht, worin liegt die Begründung, dass sich die Kirchen aus den Belastungen der Fonds heraushalten?"
Vom Ministerium kamen daraufhin die immer gleichen Antworten, die sich auf die Kernsätze zusammenfassen lassen:
"Der Fond ist sehr gut angenommen worden. ... Die 40 Milllionen Euro sind bald erschöpft ... Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat erklärt, dass sie sich im Vorfeld für den Fond stark gemacht hat. Es gilt nun, dass der Bund und die ostdeutschen Bundesländer sich zusammensetzen müssen, um eine gemeinsame Lösung zu finden und die Betroffenen nicht im Regen stehen lassen ... Um dem Bedarf der Betroffenen gerecht werden zu werden, wurde Personal – sowohl in der Geschäftsstelle, als auch in den Anlauf- und Beratungsstellen – aufgestockt."
Evelin Frerk
Das "ungeliebte Kind" - die Fondslösung für die ehemaligen Heimkinder
von Ingo J. Skoneczny
Als ich gebeten wurde, eine Art Zwischenbericht zum Stand der Dinge der Realisierung der Fondslösung für die ehemaligen Heimkinder in Berlin aus der Sicht des Fachbeirates zur Begleitung der Anlauf- und Beratungsstelle (ABeH) zu erstellen, habe ich als Vorsitzender dieses Beirates keinen Moment gezögert, dieser Bitte zu entsprechen.
Im Osten gehen die Lichter aus
Aus meiner Sicht ist die aktuelle Situation auch in Berlin überaus bedrückend und es ist unbedingt nötig, eine möglichst breite Öffentlichkeit über diese Entwicklung zu informieren, sodass ein lebhafter Diskurs zu dieser Thematik die politisch Verantwortlichen daran erinnert, was der Bundestagsbeschluss vom 07.07.2011 (Vgl. BT-Drs 17/6143) zur Rehabilitierung und "Entschädigung" ehemaliger Heimkinder im Kern bezweckte und wozu er die Akteurinnen und Akteure, die mit der Fondslösung für die ehemaligen Heimkinder beschäftigt sind, eben auch nach wie vor verpflichtet.
In diesem Beschluss wird eine überfraktionelle geistig-moralische Haltung verdeutlicht, die eine ernsthafte und damit weitgehende Legitimation aller Beteiligten für die jeweils relevante Handlungsebene in der Umsetzung bildet. Vereinfacht gesagt: Es gibt für die ABeH erhebliche Spielräume bei der Umsetzung und Interpretation der Fondslösung.
Denn die Errichtung des Fonds (zunächst West und analog dann Ost) für ehemalige Heimkinder war das Ergebnis einer politischen, wissenschaftlichen und von vielen Betroffenen auch individuell geführten Auseinandersetzung mit diesem Teil der Geschichte der Jugendhilfe, deren formaler Beginn mit dem Datum des 11.12.2006 festgelegt werden kann.
Im Jahr 2006 hat der Verein ehemaliger Heimkinder im Deutschen Bundestag eine Petition eingebracht, in der das Recht auf Einsichtnahme in die Heimakten gefordert wurde. Aus dieser Petition ging dann in Kooperation mit politischen Vertretern verschiedener Parteien nach langem Ringen 2009 der Runde Tisch Heimerziehung (RTH) hervor, der im Januar 2011 seinen Abschlussbericht zu dem in der Bundesrepublik Deutschland zwischen den späten 1940´er und 1970´er Jahren an Heimkindern begangenen Unrecht vorgelegt hat.
Der RTH war also im Wesentlichen das Ergebnis einer Initiative von ehemaligen Heimkindern, politischen Repräsentanten des Deutschen Bundestages und engagierten Wissenschaftlern, die sich seit Jahrzehnten mit dieser Thematik beschäftigen.
Die Errichtung der beiden Fonds folgte einer Empfehlung des RTH, wobei die Unterscheidung in einen Fonds West und einen Fonds Ost nicht nur eine chronologische ist, sondern vor allem eine inhaltliche. Und zwar weil die Einrichtung des Fonds West eine jeweils Drittel-Beteiligung an der empfohlenen Summe von 120 Millionen € durch Bund, Länder und Kirchen vorsah, während sich am Fonds Ost nur der Bund und die neuen Bundesländer sowie Berlin mit jeweils 50% an den aufgelegten 40 Millionen beteiligten. Die Kirchen wurden für den Fonds Ost nicht hinzugezogen, weil man davon ausging, dass es in der DDR keine konfessionellen Heime gab. Ein schwerwiegender Irrtum, wie sich im Laufe der Zeit herausstellte.
Eine völlig andere Frage betrifft die aufgelegten Summen im Hinblick auf die geschätzten Betroffenen. Während man im Westen von etwa 800.000 Menschen ausging, die in verschiedenen Heimen untergebracht waren, wurden als Kriterium für die Summe des Fonds Ost die Bevölkerungszahlen zugrundegelegt.
Die 40 Millionen Euro für den Fonds Ost entsprechen also einem Drittel der 120 Millionen Euro für den Fonds West. Anders gesagt: Die DDR hatte etwa ein Drittel weniger Bewohner als die Bundesrepublik Deutschland und deshalb folglich auch nur ein Drittel in der Summe für den Fonds zur Verfügung.
In diesem Zusammenhang ist die Komponente der zeitlich festgelegten Rahmenbedingungen für die Heimerziehung in den jeweiligen politischen Systemen zu bedenken, da die Heimerziehung in der alten Bundesrepublik die Jahre von 1949 bis 1975 als Rehabilitierungszeit vorsieht, während für die DDR die Kahre von 1949 bis 1990 als Limit festgelegt worden sind.
Es versteht sich von selbst, dass die Dauer der Fonds für die Antragsstellung auf finanzielle Leistungen entsprechend anders gestaltet worden sind. Für die Heimkinder West gilt als Antragszeitraum die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.12.2014 und für die Heimkinder Ost die Zeit vom Juli 2012 bis 31.12. 2016. In dieser Konstruktion der Fondslösung Ost sind deshalb bereits viele Fehler angelegt, die zwangsläufig und damit auch frühzeitig erkennbar in ein Desaster führen mussten.
Realititätsschock: Der Fonds Ost entlässt „seine Kinder“
Während ich diesen Bericht verfasse, gibt es eine Fülle von Menschen, die seit vielen Monaten auf einen Beratungstermin in der ABeH warten, aber nunmehr völlig vergeblich hoffen, dass ihr erlebtes Leid, ihr erlebtes Unrecht, ihre verlorene Kindheit und meist auch ihre verlorene Jugend im Rahmen der Fondslösung für die ehemaligen Heimkinder eine, wenn auch späte, aber immerhin eine Rehabilitation erfährt, sodass die "Schuldfrage" aus der individuellen Verantwortung in eine gesellschaftliche übertragen werden könnte, was einen erheblichen Unterschied in der Selbstwahrnehmung der eigenen Geschichte ausmachen dürfte.
Denn mit diesem Übergang der Verantwortlichkeiten ist ja auch die Hoffnung verbunden, dass einige Folgen und Konsequenzen der Heimunterbringung zumindest partiell "entschädigt" werden und zu einer nicht unerheblichen Entlastung in diversen Alltagssituationen führen würden. Sei es in einer Ausgleichsleistung für erzwungene Arbeiten in den Heimen, für die keine Sozialabgaben geleistet wurden, sodass im Rahmen der Rentenersatzleistung zumindest für die ehemaligen Heimkinder, die nach dem 14. Lebensjahr in den Heimen gearbeitet haben, ein finanzieller Ausgleich eingerichtet worden ist, der eine finanzielle Entschädigung für jeden Monat der erzwungenen Arbeit vorsieht. Oder sei es, dass z. B. im Rahmen der materiellen Leistungen alle Folgen der Heimunterbringung kompensiert werden sollen, sei es auf der medizinischen, sozialen und/oder sozial-psychologischen Ebene.
Hier mag als Beispiel die Situation eines Menschen beschrieben sein, dem es als eine Folge der Heimunterbringung und der erlebten traumatisierenden Erfahrungen nicht gelungen ist, eine angemessene Wohnsituation zu gestalten. Hier sieht der Fonds finanzielle Leistungen vor, die dem Betroffenen zumindest als Anschub helfen könnten, in eine menschenwürdige Wohnsituation zu gelangen.
Soweit, so gut.
Warum aber warten nun aktuell viele Menschen vergeblich auf finanzielle Leistungen bzw. Entschädigungen?
Die Antwort ist einfach und skandalös zugleich: Dem Fonds für die ehemaligen Heimkinder Ost ist das Geld ausgegangen, sodass die Anlauf- und Beratungsstellen, die mit ehemaligen Heimkinder aus der DDR beschäftigt sind, ab dem 01.12.2013 keine neuen Vereinbarungen mit den Betroffenen mehr abschließen dürfen. Das heißt: beraten ja, Vereinbarung nein.
In dürren Worten wird den Leserinnen und Lesern der Web-Seite des Fonds Heimerziehung mitgeteilt, dass der Lenkungsausschuss Ost festgestellt hat, dass es zurzeit keine Möglichkeiten gäbe, „aus dem bestehenden Fonds materielle Hilfen oder Rentenersatzleistungen in Anspruch zu nehmen".
Der Fonds West ist davon nicht betroffen, sodass in der Berliner ABeH zwei Türen existieren, eine für die ehemaligen Heimkinder aus dem Westen und eine für die Betroffenen aus dem Osten. Wer durch die West-Tür eintreten darf, hat Glück. Der andere Mensch erlebt neues Unrecht, durchlebt eine Wiederholung seiner Abwertung als Mensch durch die gesellschaftlich und politisch Verantwortlichen der Gegenwart.
Die Ministerpräsidenten der Neuen Bundesländer haben vom Finanzministerium einen Prüfauftrag bezüglich einer Lösung dieses Sachverhaltes für das erste Quartal 2014 erhalten. Diesem Auftrag liegt als zu prüfende Summe eine Einschätzung der Bundesregierung und der neuen Bundesländer zugrunde, wonach der wahre Finanzbedarf des Fonds bei 200 Millionen Euro liegen dürfte.
Wir können es nicht lassen: Wir schaffen neue Grenzen
Was das für die ABeH bedeutet, hat der kommissarische Leiter in einem Interview im Dezember 2013 mit dem RBB beschrieben. In wenigen Worten zusammengefasst bedeute dies, dass es zu Ungleichheit im Umgang mit den ehemaligen Heimkindern führen dürfte und zwar mit unabsehbaren Folgeschäden bei den ohnehin traumatisierten ehemaligen Heimkindern und dieses Kalkül könne die politischen Entscheidungsträger nicht kalt lassen. Hier könnte nur eine Aufstockung des Fonds Ost abhelfen bzw. diese antizipierte Konstellation des Grauens abwenden.
Die Fondslösung als Störung gewohnter Feindbilder
An dieser Schnittstelle des Prozesses zeigt sich nun noch etwas anderes als nur ein unvorhergesehener finanzieller "Engpass", denn aus meiner Sicht zeigt sich hier, dass die Fondslösung von vielen Beteiligten von vorneherein abgelehnt wurde bzw. unerwünscht war. Es wurde dem Fonds auch von vielen Interessengruppen der ehemaligen Heimkinder das moralische und finanzielle Potenzial abgesprochen, eine wirkliche Entschädigung zu ermöglichen, sodass zumindest eine weitverbreitete Skepsis vorhanden war, die sich in unzähligen thematischen Foren widerspiegelt.
Vergleichbares, nur politisch anders motiviert, lässt sich von den informellen Statements der zuständigen Finanzminister der Neuen Bundesländer sagen, denn die Fondslösung wird als gescheitert betrachtet, weil die Leistungskriterien für die Antragsteller_innen zu weitgehend waren.
Infolgedessen wird nicht etwa eine Aufstockung des Fonds erörtert, sondern das Errichten eines neuen Fonds Ost mit deutlich veränderten Leistungskriterien, sodass von einer Senkung der Anträge und somit von einem geringeren Bedarf ausgegangen werden könnte. Eine Rechnung zu Lasten der ehemaligen Heimkinder.
Inwieweit hier tatsächlich eine unterschiedliche Haltung zu staatlichen Leistungen zwischen West und Ost besteht, mag dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall gab es in Berlin etwa im Verhältnis eins zu drei mehr Antragsteller_innen Fonds Ost.
Im Umgang mit der aktuellen Krise werden nun die alten Gräben wieder aufgerissen und längst überwunden geglaubte Interessengegensätze im Umgang mit der Geschichte sowohl in der Aufarbeitung als auch in der Gegenwartsbewältigung der Geschichte der Heimerziehung in Deutschland erkennbar.
Regionale Perspektive: Start und Stopp in Berlin
Die regionale Berliner Perspektive auf den komplexen Prozess der Umsetzung der Fondslösung wird deutlicher, wenn ich die Berliner Situation in ihrer Entwicklung knapp skizziere.
In Berlin gab es von Anfang an dass politisch gewollte Miteinander von Behörden und Betroffenen. Dazu haben im Wesentlichen die Akteurinnen und Akteure der Berliner Regionalgruppe Ehemaliger Heimkinder (seit 2008) und die fachpolitische Ebene der zuständigen Senatsverwaltung beigetragen.
Allerdings war für den besonderen Berliner Weg von allerhöchster Bedeutung, dass die wissenschaftliche Begleitung durch kompetente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfolgte, die unter anderen mit ihren Studien zur "Geschichte der Heimerziehung in Berlin" mit konzeptionellen Vorschlägen halfen, die Arbeit der Beteiligten zu koordinieren. Die vorgesehene ABeH sollte anders als in anderen Bundesländern nicht von einer Behörde organisiert und verwaltet werden, sondern von einem freien Träger in Kooperation mit ehemaligen Heimkindern und der zuständigen Senatsverwaltung. Das war ein mutiges Unternehmen, denn es gab nichts Vergleichbares, also keinerlei Erfahrungen.
Mit dem "Verband für Sozialkulturelle Arbeit" (heute: GSkA) wurde ein freier Träger gefunden, der sich an dem regulären und üblichen Vergabeverfahren für Leistungen (VOL/A) beteiligte und nach entsprechender Prüfung auch durch Mitsprache der Betroffenen den Zuschlag für zwei Jahre, also bis zum 31.12.2013 im Rahmen eines Vertrages bekommen hat.
Die anfängliche Ausstattung der ABeH unter der Geschäftsleitung von Birgit Monteiro lässt allerdings den Schluss zu, dass hier von der nunmehr zuständigen Abteilung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft halbherzig vorgegangen wurde. (Sven Nachmann und Monika Schipmann, Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, Leiter Abtlg. III)
In den Räumen eines Nachbarschaftshauses wurde mit drei Mitarbeitern die Arbeit im Januar 2012 begonnen. Das war eine absehbare Unterausstattung. Die vorhandene Konzeption der ABeH sah vor, dass es sowohl eine wissenschaftliche Begleitung als auch neben der administrativen Verwaltung und Beratung vor allem eine psycho-soziale Beratung geben sollte.
Die konkrete Arbeit in der ABeH führte dazu, dass jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin alle drei Bereiche abdecken sollte. Das erwies sich als undurchführbar. Hier fehlte der professionelle Umgang mit den eigenen Ansprüchen und den vorgefundenen Bedürfnissen der Antragsteller_innen.
Dabei wurde die Leiterin der ABeH als "Projektleitung" ausgewiesen, was dem ganzen Unternehmen von Anfang an einen gewollten Projektcharakter verlieh. Infolgedessen wurde der ABeH und dem Träger eine projektbezogene zeitliche Begrenzung von zwei Jahren zugewiesen, obwohl die Antragsdauer für den Fonds West drei Jahre umfasste. Ein merkwürdiges Unterfangen, was den Beteiligten öffentlich nicht erklärt wurde.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass dem "Projekt" aber eben nicht die notwendigen Entscheidungskompetenzen übertragen worden sind, sodass freie Mitarbeiter mit befristeten Einjahresverträgen zusammen mit ehemaligen Heimkindern und abgestelltem festangestelltem Personal der Senatsverwaltung arbeiten sollten.
Die Projektleiterin Daniela Gerstner wurde in diesem Kontext aufgerieben.
Hinzu kamen die räumlichen Gegebenheiten, die nicht wirklich für individuelle Beratungen gegeben waren. Es war nicht möglich, mit einem Antragsteller, einer Antragstellerin allein in einem Büro ins Gespräch zu kommen.
Den Betroffenen wurde für ihre Beratung zwar ein formaler Einstieg in Form eines Dienstags-Treffs gegeben, aber die Beraterinnen und Berater gerieten recht schnell in eine Gefühlslage, die von Experten im Umgang mit traumatisierten Menschen schnell als Re-Traumatisierungs-Erlebnisse beschrieben worden sind. Es war weder von der Geschäftsleiterin, Frau Monteiro, noch der Senatsverwaltung vorgesehen und es gab auch keine Versuche, diesen Prozess zumindest auf der Ebene von Supervisionen zu steuern.
Dem entsprach auch die technische Ausstattung. Eiligst herbeigeschaffte ausgediente PCs, nicht angemessenes Mobiliar wie fehlende Sitzgelegenheiten und Schreibtische ließen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Unterstützung der Arbeit der ABeH aufkommen.
Hinzu kam eine Fülle von ungeklärten Fragen, worin denn nun eigentlich die Arbeit der ABeH bestehen sollte. Fest stand zwar, dass es um Anträge ging, die dann an die zentrale Stelle des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA in Köln) weitergeleitet werden sollten, aber es fehlte an dem Mindeststandard solcher Anträge.
Es fehlten Anträge, es fehlten Kriterien, es fehlten vergleichbare Vorgaben im Rahmen der Fondslösung. Im Raum stand stattdessen ganz konkret eine Verzichtserklärung der Antragsstellerinnen und Antragssteller auf weitere Leistungen aus dem Fonds, wenn sie einen Antrag gestellt hatten.
Als ob nicht schon das Wort Verzicht bei jedem ehemaligen Heimkind nicht als brutaler Zynismus aufgefasst werden musste, denn Verzicht auf allen Ebenen gehörte zum Leben eines Menschen im Heim.
An dieser Misere in der Konstruktion der ABeH änderte auch der Umzug in eigens angemietete größere Räume und die personelle Aufstockung nichts Wesentliches.
Was sich mit dem Umzug in andere Räumlichkeiten änderte, betraf die neue, lediglich kommissarische Leitung, Herbert Scherer, die personelle Aufstockung und damit die Arbeitsfähigkeit der ABeH sowie die Anzahl der Anträge und damit die Anzahl der abgeschlossenen Vereinbarungen (etwa 2700). Die Mitarbeit der selbst traumatisierten Betroffenen in der Telefonberatung und im Dienstagscafe blieb ohne Supervision erhalten.
Dennoch entstand ein strukturelles Dilemma, denn die Antragsteller mussten ja zunächst einen ersten Termin in der ABeH bekommen. Die telefonische Terminvergabe erwies sich in dieser Konstruktion als Problem, denn Wartezeiten von über einem Jahr ohne eine schriftliche Bestätigung wurden zum Regelfall. Das war unzumutbar.
Der Fachbeirat als politisches Ornament
Der Fachbeirat zur Begleitung der ABeH, der sich im Februar 2012 konstituierte, hatte zwar in seiner Zusammensetzung den Eindruck erwecken können, dass der ehemals gemeinsame politische Wille zur Kooperation zwischen Behörde, dem freien Träger und den Betroffenen die Basis für die Fachberatung bilden sollte, weshalb drei Betroffene aus dem Osten und drei aus dem Westen auch eine stabile Grundlage für diese Transparenz und Mitsprache herzustellen wusste. In der konkreten Fachberatung zeigte sich jedoch, dass die Mitgestaltungsmöglichkeiten an der Arbeit innerhalb der ABeH sehr begrenzt waren.
Es dauerte z.B. Monate, bis die Verzichtserklärung vom Tisch war. Der Fachbeirat hatte hier zwar von Anfang an eine deutliche Position bezogen, aber ohne die Mühen der Gremienarbeit hätte sich nichts bewegt. Der Berliner Ombudsmann im Lenkungsausschuss hat erheblich dazu beigetragen, dass die Verzichtserklärung von Seiten des BAFzA aufgegeben worden ist.
Es dauerte Monate, bis der Bedarf nach psycho-sozialer Beratung der Antragsteller_innen als ernstzunehmendes Thema von allen Beteiligten verstanden wurde. Allerdings folgte dem nichts.
Von den betroffenen ehemaligen Heimkindern im Fachbeirat wurden mit engagierter Regelmäßigkeit Anträge formuliert, wonach sich die Senatsverwaltung und im weitesten Sinne die politische Klasse in den Parlamenten mit den Fragen beschäftigen sollten, die in den Verwaltungsvereinbarungen zur Fondslösung ungeklärt geblieben sind. Diese Fragen betrafen zum Beispiel:
- Der Umgang mit der sogenannten Kinderarbeit, also der Arbeit der Heimkinder, die bereits vor dem 14. Lebensjahr zu Arbeiten gezwungen worden sind, die zur Aufrechterhaltung der Heime wirtschaftlich notwendig waren. Das betraf nicht nur Arbeiten im Putzdienst.
- Der Umgang mit individuell nachweisbaren Härtefällen, wenn etwa ein ehemaliges Heimkind West noch nach dem Ende des Antragsrahmens, also nach 1975, dieselbe Arbeit verrichtet hat, wie zuvor, da sich an der Struktur des Heims nichts geändert hatte.
- Der Umgang mit der „Wissenssicherung“.
- Der Umgang mit der wissenschaftlichen Begleitung der Umsetzung der Fondslösung.
- Der Umgang mit der Weiterführung der Studie zur Heimerziehung in West-Berlin.
- Der Umgang mit real existierenden Heimen, wie die Haasenburg-Gruppe.
Diese Anträge wurden freundlich aufgenommen und protokolliert. Das war es aber auch schon. Die Mitwirkung im Fachbeirat hatten sich die ehemaligen Heimkinder anders vorgestellt.
Es dauerte überdies Monate, bis die Senatsverwaltung die Empfehlung des Fachbeirates nach personeller Aufstockung der ABeH umzusetzen bereit schien, obwohl der Anlass für diese Empfehlung von allen Mitgliedern des FB als gleichermaßen unzumutbar bezeichnet wurde. Dabei handelte es sich um das Procedere der bereits beschriebenen Terminvergabe.
Und nun müssen wir zum Zeitpunkt dieses Artikels - im Januar 2014 - feststellen, dass die angekündigte Verdreifachung der personellen und damit verbunden der finanziellen Unterstützungsmittel für die Arbeit der ABeH zunächst auf Eis gelegt worden sind, da auch in Berlin niemand weiß, wie es mit dem Fonds Ost weitergehen wird.
Obwohl der Vertrag mit dem freien Träger, GSkA, nur bis zum 31.12.2013 lief, gibt es zur Stunde noch keinen neuen. Die Mitarbeiter hängen in der Luft und Empfehlungen des FB erweisen sich als Luftballons, sobald sich die Gegebenheiten verändern.
Die Betroffenen
Die aktuelle Situation befördert einen emotionalen Schock in der Gruppe der Betroffenen, der von niemandem systematisch und professionell aufgefangen wird.
Kein Coaching, keine Supervision. Jeder sorgt für sich selbst. Das ist neben den bereits aufgeführten Auswirkungen der eigentliche Skandal.
Parallel dazu veränderte sich die Gruppendynamik innerhalb der Interessenvertreter der Betroffenen ehemaligen Heimkinder. Die Berliner Regionalgruppe Ehemaliger Heimkinder hatte einige wesentliche Ziele bezüglich der Umsetzung der Fondslösung in Berlin erreicht, andere Vertreter wollten mehr und anderes. Ein politisches Vakuum entstand, in dessen Folge es einige Nachfolgekämpfe um die Legitimation gab, wer denn nun die ehemaligen Heimkinder öffentlich vertreten könne und wer nicht.
An diesem Zustand hat sich zunächst nichts geändert. Die aktuelle Krisensituation der Fondslösung trägt nicht zur positiven Entwicklung der Interessenvertretung bei, sondern befeuert nur alte Abwehrmechanismen und zerstört gewachsenes und mühsam hergestelltes Vertrauen zwischen den Betroffenen, den Behörden und den poltischen Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Wie es weitergeht, vermag ich nicht zu sagen, aber wie sich die Beteiligten verhalten könnten, findet sich als Anregung im Schluss des Theaterstückes „Der gute Mensch von Sezuan“, von Bertold Brecht. Marcel Reich-Ranicki z.B. beendete seine Literatursendung mit einem Zitat aus diesem Theaterstück: „Vorhang zu und alle Fragen offen“, ich denke, wir sollten den gesamten Schluss zu Rate ziehen, denn dort heißt es:
Verehrtes Publikum, jetzt kein Verdruss:
Wir wissen wohl, das ist kein rechter Schluss.[...]
Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen.
[...]
Der einzige Ausweg wär aus diesem Ungemach:
Sie selber dächten auf der Stelle nach
Auf welche Weis dem guten Menschen man
Zu einem guten Ende helfen kann.
Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluss!
Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss! (Seite 144)
Der Autor ist Vorsitzender des Fachbeirates zur Begleitung der Anlauf-und Beratungsstelle für den Entschädigungsfond für die ehemaligen Heimkinder. Für den hpd schreibt er über die aktuelle Situation.