Die Internationale Vereinigung der Freidenker (Association Internationale de Libre Pensée, AILP) hatte am 7. und 8. April zu einer internationalen Konferenz nach Paris eingeladen. Referenten sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 15 Staaten der Welt kamen dort zusammen, um sich für eine konsequente Trennung von Staat und Religion auszusprechen.
Die AILP wurde am 10. August 2011 in Brüssel gegründet. 150 Freidenker und Atheisten aus 18 Ländern nahmen damals an der Gründung teil. Sie kamen aus Deutschland, England, Argentinien, Australien, Belgien, Kanada, Chile, Spanien, Finnland, Frankreich, Indien, Italien, Libanon, Norwegen, Polen, Russland, Schweiz und USA.
Diesmal war der große Festsaal der Arbeiterkammer in Paris ("Bourse du Travail") Tagungsort, zentral gelegen, nahe dem Place de la République. Das Europäische Koordinationsbüro der Freidenker war Organisator und absolvierte alles mit großer Routine und Gelassenheit.
Zentrale Botschaften der Konferenz waren: "Schluss mit den europäischen Konkordaten! Schluss mit den etablierten und staatlichen Konfessionen! Schluss mit den weltlichen Reichtümern und Privilegien der Kirchen!" Zu den Konkordaten in Europa hatte das Koordinationsbüro bereits im Dezember 2017 in Metz ein Kolloquium organisiert, an dem die wichtigsten internationalen Laizisten und Freidenkervereine teilgenommen hatten. Damals stellte man fest: "Die Konkordate (politische Vereinbarungen zwischen den Staaten und dem Heiligen Stuhl, die in zahlreichen Ländern existieren und deren Zahl sich seit dreißig Jahren vermehrt) sind ein Stützpunkt, um die finanziellen Beiträge zu vergrößern, die durch die Steuern der Bürger bezahlt werden; und auch um dieses System für andere Konfessionen zu verbreiten."
Die ersten Worte der diesjährigen Zusammenkunft in Paris übernahm Jean-Sebastien Pierre, Präsident der AILP, der Freunde, Freidenker, Atheisten, Humanisten aus aller Welt mit großer Freude zu dieser internationalen Konferenz über die Frage der Konkordate willkommen hieß.
Aus den Reihen der Konferenzteilnehmer kamen Redebeiträge zu den länderspezifischen Situationen: Frankreich mit dem klerikalen Ausnahmestatus in Elsass-Lothringen und den Überseegebieten (José Arias), der Verfassung von Korsika aus dem Jahr 1755 (Philippe Guglielmi), den skandinavischen Ländern (Christian Lomsdahlen), zu England (Stephan Evans), Deutschland (Carsten Frerk), Belgien (Yves Eckman), Spanien (Pablo G. Toral), zu Italien (Maria Montello) und Griechenland (Stratoz Kalaitzis) sowie ein Überblick zu den 14 Konkordaten in der EU (Dominique Goussot). Außerdem dem im Libanon (Georges Saad), in den USA (Robert Boston) und Lateinamerika (Elbio Laxalte).
Am Freitagabend gab es eine Kundgebung: Per Metro ging es zum Berg von Montmatre, auf dem die weithin sichtbare Basilika Sacré-Cœur de Montmartre ("Basilika vom Heiligsten Herzen in Montmartre") steht. Mit ihrem Bau hatte man 1875 begonnen, nachdem der Aufstand des revolutionären Stadtrats (Pariser Kommune 1871) niedergeschlagen worden war: "Dieses auf einem Hügel liegende, im Jahr 1860 eingemeindete Dorf war nicht nur ein Ort, an dem viele Arbeiter und Künstler ein billiges und wenig frommes Leben führen konnten, auch die den royalistischen Bürgern verhasste Pariser Kommune von 1871 war von diesem Stadtviertel ausgegangen. Bis dahin ein Ort religiöser Indifferenz und sozialistischer Umtriebe sollte er mit dem geplanten Monumentalbau eine neue, national-katholischen Bedeutung bekommen und eine von ganz Paris aus sichtbare Stadtkrone bilden" (zitiert aus Wikipedia).
Um 18:00 Uhr begann die Versammlung vor Sacré-Coeur mit der Neuerrichtung der ursprünglichen Statue vom "Chevalier de la Barre": "Jean-François Lefèbvre, chevalier de la Barre (* 12. September 1745 im Schloss von Férolles; † 1. Juli 1766 durch Hinrichtung in Abbeville/Somme) war ein französischer Adeliger, der Opfer eines religiös motivierten Justizmordes wurde. Sein Fall wurde in ganz Europa bekannt, weil sich Voltaire, wenn auch vergeblich, für seinen Freispruch eingesetzt hatte" (zitiert aus Wikipedia). Seine Statue hat für die Libre Pensée (Freidenker Frankreichs) eine besondere Bedeutung, die in diesem Video ausführlich erläutert wird.
Spenden wurden gesammelt und alles sah offiziell aus: Die ursprüngliche Statue mit Sockel wurde wieder hergestellt und direkt auf den Stufen vor Sacré-Coeure aufgestellt. Das Original von 1905 (errichtet anlässlich des Weltkongress der Freidenker mit 25.000 Demonstranten) – stand ehedem ebenfalls direkt vor dem Eingang der Kirche Sacré-Coeur, 1926 verbrachte man es in einen Park neben der Kirche, 1941 wurde die Statue von den Nazis eingeschmolzen.
Fahnen wurden geschwenkt und es gab eine Rede von Nicole Aurigny (Libre Pensée), einem Vertreter der Liga für Menschenrechte von Abbeville (Ligue des Droits de l'Homme d'Abbeville) und eines Vertreters der Freunde der Pariser Kommune 1871. Beeindruckend – doch alles illegal: Die Demonstration war nicht angemeldet, für die Aufstellung der Statue mit Sockel gibt es (bisher) keine Genehmigung der Stadt Paris. Niemand weiß, wie es hier weitergeht, aber eine nah gelegene Große Loge der Freimaurer hat sich schon bereit erklärt, der Statue gegebenenfalls Herberge zu sein.
Abschließend wurde über eine Resolution der Konferenz abgestimmt, die einstimmig angenommen wurde. In deutscher Übersetzung findet sie sich im Wortlaut im Anhang zu diesem Artikel.
Konferenz und Vorträge werden zu einem E-Book zusammengefasst und veröffentlicht. Bezug per Mail über Christian Eyschen (AILP-Sprecher): c.eyschen-VP[at]fnlp.fr
Weitere Informationen zu den europäischen Konkordaten in den einzelnen Ländern gibt es hier.
Hinweis der Redaktion: Der 5. Absatz wurde am 26.04.2023 um 19:00 Uhr eingefügt.