Am Samstag fand in Berlin der Christopher Street Day (CSD) statt: Mit einem Kundgebungszug durch die Straßen wurde gefeiert, dass man sich als nicht-heteronormativer Mensch in den allermeisten Ländern der westlichen Welt heutzutage nicht mehr verstecken muss, sondern stolz auf die eigene Identität und sexuelle Orientierung sein und das auch zeigen kann. Zeitgleich fand ein kleinerer Protest mit wesentlich ernsterem Charakter gegenüber der saudischen Botschaft statt. Denn in Saudi-Arabien wird Homosexualität nach wie vor hart bestraft. So geschehen im Fall von Suhail Alyahya.
Einmal kamen sich die beiden Kundgebungen ganz nahe, als die Pride-Parade die Tiergartenstraße kreuzte und in nur wenigen Metern Entfernung an der saudischen Botschaft vorbeikam. In fröhlicher Stimmung protestierten hunderttausende Menschen gegen Diskriminierung von und für Toleranz gegenüber LGBTQI-Personen. In Saudi-Arabien geht es bei diesem Thema um ganz andere Dimensionen. In dem Land steht auf homosexuelle Handlungen die Todesstrafe. Eine kleine Demonstration gegenüber der Botschaft des wahhabitischen Königreichs, genannt "Suhail Pride", erinnerte anlässlich des CSD an Suhail Yousef Alyahya, von dessen Schicksal hierzulande noch nicht viele gehört haben dürften.
Suhail wurde vor knapp drei Jahren festgenommen, für ein Bild in Badehose, das er in den Sozialen Medien verbreitet hatte. Angeblich wurde er von einem Studienaufenthalt in den USA unter dem Vorwand, seine Mutter liege im Sterben, nach Saudi-Arabien zurückgelockt, wo er bereits zuvor im Gefängnis gesessen hatte. Er wurde zu drei Jahren Haft verurteilt. Das Foto soll gegen islamische Sitten verstoßen haben.
"Wir erinnern daran, dass Suhail mehrere Male mit Inhaftierung bestraft wurde, nur weil er 'er selbst' ist", sagten Mawadde Kadi und Sarah Almansouri, ein lesbisches Paar aus Saudi-Arabien, in einer Rede. "Wir – die LGBTQ-Gemeinschaft – fordern Entflechtung von religiösen Gesetzen und der staatlichen Gesetzgebung, um uns einzubinden, uns das Recht auf Staatsbürgerschaft, Ehe, auf Gründung einer Familie zu ermöglichen und uns über ein Verbot vor dem gegen uns gerichteten Hass zu schützen." Die saudische Gesellschaft müsse sich dessen bewusst werden, dass es kein Luxus sei, sie zu akzeptieren, sondern notwendiges Recht. "Nicht nur die LGBTQ-Gemeinschaft wird davon ihren Nutzen haben, alle Einwohner werden es."
Laut Zac Alrrayyis, der die Saudi Diaspora Association vertrat, handele es sich bei der Protestkundgebung um die einzige jährliche Veranstaltung für die saudische LGBTQ-Community in der Diaspora. Auch eine Bundestagsabgeordnete sprach bei der Mahnwache: Kathrin Vogler, die queerpolitische Sprecherin der Linksfraktion.
Wegen der Kriminalisierung aller LGBTQ-Identitäten müsse die saudische Community im Schatten leben, so Alrrayyis, "ansonsten ist man entweder dauerhaft in Exil oder im Gefängnis, weswegen eine solche Veranstaltung nur vom Ausland überhaupt möglich ist". Es sei nicht nur kriminalisiert, selbst einer solchen Identität anzugehören, sondern ebenso die bloße Äußerung der Unterstützung von grundlegendsten Menschenrechten für diese Personen. Das saudische Staatswesen stempele neben feministischem Aktivismus konsistent LGBTQ-Aktivismus als Form des Extremismus ab, in einigen Fällen werde solches Engagement in den öffentlichen Medien mit Terrorismus gleichgesetzt. "Mit dem Namen Suhail Pride ehren wir Suhail Alyahya und seinen mutigen Einsatz gegen Hass und Diskriminierung. (…) Wir fordern die saudischen Autoritäten auf, dass Suhail sofort und bedingungslos freigelassen wird. Wir fordern die endgültige Entkriminalisierung der Community und Meinungsfreiheit, damit wir alle sicher wieder nach Hause zurückkehren können. Unsere Heimat gehört uns."