MIZ 4/13 erschienen

ASCHAFFENBURG. (hpd) Verschwörungstheorien sind das Schwerpunktthema der gerade erschienenen Ausgabe der Zeitschrift MIZ. Dabei geht es auch darum auszuloten, an welchem Punkt berechtigte Skepsis gegen die Mächtigen in Paranoia umschlägt.

 

Chefredakteur Christoph Lammers umreißt in seinem Editorial einige wichtige Aspekte verschwörungstheoretischen Denkens. Dieses dockt häufig an ein “statisches” Weltbild an, in dem Menschen fest definierte Rollen einnehmen und abweichendes Verhalten als Störung der “natürlichen Harmonie” gesehen wird. Im Fall gesellschaftlicher Krisen sind es häufig vermeintliche “Abweichler”, denen die Schuld zugewiesen wird. Diese Mechanismen der Schuldzuweisung, wahlweise an Minderheiten oder auch an überhaupt nicht existente Gruppen (Hexen, Illuminaten), tragen auch dazu bei, dass die tatsächlichen Ursachen der Krise nicht in den Blick geraten und gesellschaftliche Veränderungen unterbleiben.

Verschwörungstheorien als säkulares Phänomen

Auch wenn Verschwörungstheorien in der Kriminalgeschichte des Christentums durchaus vorkommen (etwa die Brunnenvergiftungslegenden) sind sie doch ein sehr “irdisches” Phänomen, wie es Thomas Grüter im Interview mit Daniela Wakonigg formuliert. Dabei sind sie “wirklichkeitsfrei”, sie basieren vollständig auf Vorurteilen (was nicht ausschließt, dass sie punktuell mit der Realität übereinstimmen können). Ihre Anhänger unterstellen “Anderen” finsterste heimliche Machenschaften (in diesem Punkt treffen sie sich mit Religionen) und reduzieren komplexe Vorgänge auf die Schuldfrage.
Bernd Harder stellt einige der derzeit viel diskutierten Verschwörungen vor: von Lady Gaga im Dienste der Illuminaten bis hin zu den Ideen der “Reichsbürger”. Auf letztere, dem rechten Rand zuzuordnende Gruppierung geht der Pressesprecher der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) etwas ausführlicher ein. Dort sind Geschichten über die Reichsflugscheiben aus Neuschwabenland ebenso zu finden wie eine “fantasy-artige” Umdeutung des Nationalsozialismus.

Die Große Koalition

Mit dem Koallitionsvertrag setzt sich Bernd Vowinkel auseinander. Sein Fazit ist niederschmetternd: Die Regierung hält an sämtlichen Privilegien für die beiden großen christlichen Kirchen fest. Und auch die islamischen Verbände werden in den höchsten Tönen gelobt, so dass eine Ausweitung der Privilegien in diese Richtung zumindest im Bereich des Möglichen liegt.
Außerhalb des Bereichs des Möglichen liegt bei der schwarz-roten Koalition hingegen die Änderung des besonderen kirchlichen Arbeitsrechts. Und das obwohl sich in den vergangenen Jahren hier viel getan hat, was das öffentliche Bewusstsein zu diesen Fragen angeht. Dazu beigetragen hat auch die Kampagne Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz GerDiA, die seit Februar 2011 aktiv ist. Gunnar Schedel lässt die Aktivitäten der Kampagne noch einmal Revue passieren und versucht, die Handlungsperspektiven für die kommenden Monate aufzuzeigen. Denn, so seine Einschätzung, selten waren die Chancen, das kirchliche Arbeitsrecht zu Fall zu bringen, so gut wie derzeit – trotz der Großen Koalition.

Freidenker in der DDR

Um die Geschichte der säkularen Bewegung geht es im Interview mit Horst Groschopp. Der Kulturwissenschaftler gilt nicht nur als ausgezeichneter Kenner der diversen “dissidentischen” Strömungen, als 1988/89 der Freidenkerverband der DDR gegründet wurde, war er ganz nah dran am Geschehen. Im Rückblick reflektiert er, was die SED-Führung damals bewogen hat, eine “Massenorganisation” ins Leben zu rufen, nachdem sie zuvor jahrzehntelang jede organisierte Freidenkerei abgelehnt hatte. Es geht um den Anteil der Stasi an der Verbandsgründung, um die Reaktion der evangelischen Kirche und um den Ansatz der humanistischen Lebenshilfe, der den Ost-Freidenkern ein eigenes Profil hätte geben können, wenn die Organisation denn länger bestanden hätte.

Geister und ein Gespenst

Das Phänomen des Ghosthunting ist Thema des Beitrags von Alexa Waschkau und Sebastian Bartoschek. Die moderne Geisterjagd hat dabei nur noch wenig zu tun mit den Geisterbeschwörungen früherer Tage. Mit großem technischen Aufwand gehen heutige Ghosthunter auf die Suche nach den Ursachen von auf den ersten Blick nicht erklärbaren Wahrnehmungen, seien es Geräusche, kalte Stellen, verrückte Gegenstände oder Albträume. Das Autorenduo gibt einen kurzen Überblick über das Vorgehen und die Motivation der Ghosthunting-Teams und überlegt, was aus wissenschaftlicher Sicht davon zu halten ist.
Einem Gespenst ganz anderer Art ist Arzu Toker auf der Spur: der türkischen Republik. Denn unter Ministerpräsident Erdoğan hat der türkische Staat Züge einer Monarchie mit einem allmächtigen Sultan an der Spitze angenommen. Einige Entwicklungen reißt die Autorin kurz an, so die offensichtliche Korruption in Regierungskreisen und Erdoğans Attacken gegen die Justiz, als diese das Geschäftsgebaren seiner Familienmitglieder unter die Lupe nahm. Vor allem die finanziellen Möglichkeiten des Ministerpräsidenten, der über einen beachtlichen Nebenetat ohne jegliche parlamentarische Kontrolle verfügt, zeigen, dass die Republik nur noch Erinnerung und der türkische Staat zur Beute der Islamisten geworden ist.

Daneben gibt es die Glosse “Neulich… im Wienerwald” von Daniela Wakonigg, Berichte über säkulare Veranstaltungen und Internetseiten, Buchbesprechungen sowie die Internationale Rundschau mit einschlägigen Kurzmeldungen aus aller Welt.

 


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