HANNOVER. (hpd) Ein neues Kapitel im kirchlichen Arbeitsrecht wurde am Mittwoch (12.03.) in Niedersachsen geschrieben: Die evangelische Kirche und das Diakonische Werk sowie ver.di und der Marburger Bund unterzeichneten eine Grundsatzvereinbarung für Verhandlungen über einen regulären Tarifvertrag.
Abseits vom Dritten Weg soll noch in diesem Jahr ein Flächentarifvertrag für rund 30.000 Beschäftigte in den kirchlichen Einrichtungen Niedersachsens ermöglicht werden.
"Ordentliche Tarife oder kirchliches Arbeitsrecht" stellt sich immer wieder als einzige Alternative heraus, wenn sich Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen für bessere bzw. einigermaßen vertretbare Bezahlung in kirchlichen Sozial- und Gesundheitseinrichtungen einsetzen. So lief der jahrelange Kampf von ver.di gegen die Arbeitsbedingungen darauf hinaus, dass sich die Kirchenvertreter mit der Unterzeichnung jenseits des Dritten Wegs begeben mussten.
Der Prozess begann mit dem Kampf von ver.di gegen das Streikverbot, das zum Dritten Weg gehört. Zusammen mit dem Marburger Bund wurden daraus immer stärkere Auseinandersetzungen gegen Lohndumping und Tarifdschungel. Man kann ver.di und dem Marburger Bund zu diesem bemerkenswerten Resultat nur gratulieren!
"Normales" Tarifrecht, aber weiter Streikverbot?
Die Forderung, sich auf gewerkschaftliche Weise, d.h. durch das Verlassen des Dritten Weges zu einigen, ist ein Durchbruch, der sogar bundesweit zu einem allgemeinverbindlichen „Tarifvertrag Soziales“ für die ganze Sozialbranche führen könnte. Ein Fortschritt, der nur ohne die einseitigen Sonderrechte für kirchliche Arbeitgeber auf ihrem Dritten Weg möglich wird.
Man befinde sich mit der Vereinbarung immer noch auf der Basis kirchlichen Arbeitsrechts und ein Streikrecht sei daraus keinesfalls abzuleiten, lässt Diakonie Deutschland anlässlich der Vereinbarung wissen: "Wir sind sehr überzeugt vom Dritten Weg, den wir durch die neuen Regelungen deutlich gestärkt haben, haben aber ganz bewusst auch Tarifverträge auf kirchengesetzlicher Grundlage gleichgestellt. Das war ein großer Schritt von EKD und Diakonie", wird in deren Pressemitteilung von Diakonie Deutschland betont. Deutlich ableiten lässt sich ein Streikrecht in der Tat nicht, aber eindeutig eingeschränkt wird es darin auch nicht, lässt hierzu ver.di wissen.
Der Marburger Bund Niedersachsen bekräftigt dazu: "Zu einem Streikverbot haben wir niemals unsere Hand gereicht. Wir haben in den Gesprächen mit der Diakonie immer deutlich gemacht, dass wir eine offene Schlichtung anstreben, die bei einem Scheitern den Weg zum Arbeitskampf nicht verschließt. Der Streik als Ultima Ratio darf nicht von vornherein ausgeschlossen werden", so die Haltung der Ärztegewerkschaft.
Das soziale Gesicht der Diakonie
Die Diakonie-Seite erklärt, dass man sich natürlich für faire Löhne und gegen unsoziale Arbeitsbedingungen in der Sozialbranche einsetzen wolle, schließlich gar für eine „solidarische und soziale Gesellschaft“, wie der Diakonie-Präsident wissen ließ.
Das klingt dieses Mal sogar plausibel - weil es Unterschriften unter der Vereinbarung zum Verlassen des Dritten Weges gibt.
Corinna Gekeler
Mehr Informationen:
ver.di-Blog zum kirchlichen Arbeitsrecht
streikrecht-ist-grundrecht von ver.di
ver.di-Materialien zu Gewerkschaftsarbeit in kirchlichen Einrichtungen