BERLIN / FRANKFURT. (hpd) Eine Referentin für Antirassismus wurde vom Diakonischen Werk aufgrund ihrer Konfessionslosigkeit abgelehnt, ein Assistenzarzt von einer evangelischen Klinik. Sie stand nach einem Sieg vor dem AG Berlin kürzlich vor dem LAG Berlin-Brandenburg, er vor dem AG Frankfurt/M. Ihr beschied der konservative Richter, die Kirche dürfe Konfessionslose diskriminieren. Er musste sich anhören, seine völlig aussichtslose Klage sei reine Prinzipienreiterei. Der hpd sprach mit den beiden.
Empörung spricht aus Frau F. und Herrn K., wenn es um den Prozesstag geht. Beide waren auf einen konservativen Richter (Berlin) bzw. eine konservative Richterin (Frankfurt/M) gestoßen, die den Kirchen diskriminierende Sonderrechte bestätigten. Beide Richtersprüche liegen noch nicht vor und sind somit noch nicht rechtskräftig. Deshalb hier zunächst ein kurzer Bericht aus den Gerichtssälen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht Berlin
Der hpd berichtete am 19. Dezember letzten Jahres: "Die (mangelnde) Kirchenmitgliedschaft stelle keinen gerechtfertigten Grund dar, die Bewerberin abzulehnen, urteilte das Berliner Arbeitsgericht gestern. Es gab der abgelehnten Bewerberin Recht, sprach ihr Schadensersatz zu und brummte die Prozesskosten dem Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. auf."
Jetzt hob das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg das Urteil auf. Das LAG vertrat in der Sitzung am 28. Mai die Auffassung, die Kirchen dürften konfessionslose Bewerberinnen und Bewerber diskriminieren und sprach ihnen das umstrittene Selbstbestimmungsrecht zu, ihre (potenziellen) Beschäftigten ungleich behandeln zu dürfen. Dabei griff er auf die kirchenfreundliche Auslegung von Artikel 140 Grundgesetz zurück. Zu klären, inwiefern Paragraf 9 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) von der EU-Vorgabe über religiöse Diskriminierung abweicht, hielt er offenbar nicht für seine Aufgabe.
"Eine solche Klärung bedarf einer Vorlage eines Gerichts beim Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der Richter sprach diese Möglichkeit zwar an, wollte dazu aber offenbar nicht die Initiative ergreifen," berichtet die Klägerin (Frau F). "Meine Intention ist und bleibt, in Luxemburg klären zu lassen, dass die deutsche Kirchenklausel im AGG viel zu kirchenfreundlich ausgelegt ist und der EU-Richtlinie angepasst werden muss", beschreibt sie ihren Willen, auch den nächsten Schritt auf diesem Weg, also zum Bundesarbeitsgericht, zu gehen. "Da die deutsche Politik nicht handelt, werden die Diskriminierungen im Kirchenarbeitsrecht eben leider auf juristische Weise beendet werden müssen," ist Frau F. überzeugt.
Arbeitsgericht Frankfurt/M
Die gleichen Intentionen in Richtung Luxemburg verfolgt der junge Arzt, der letzten Herbst vom evangelischen Agaplesion Markus Krankenhaus in Frankfurt abgelehnt wurde. Bei der Bewerbung ließ er wissen, dass er aus der Kirche ausgetreten ist. Der leitende Arzt schrieb ihm, damit ein Problem zu haben, "denn das ist bei uns ein klares Ausschlusskriterium." Die Senung defacto vom Hessischen Rundfunk fragte im Oktober 2013 bei der Klinik nach und erhielt folgende Stellungnahme: Für einen Arzt in der Notaufnahme habe man "den Anspruch, dass unsere besondere, durch das christliche Profil geprägte Unternehmenskultur auch bei kleinen Verletzungen und deren Behandlung zum Ausdruck kommt. Wir ermutigen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, jeden Patienten in seiner Gottesebenbildlichkeit wahrzunehmen".
Der junge Arzt wollte das nicht auf sich sitzen lassen und recherchierte nach ähnlichen Fällen und Unterstützung. Die fand er bei der Kampagne gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz (GerDia) und startete eine Klage. "Mir geht es über den Schadensersatz hinaus ganz klar um die diskriminierende Rechts- und Gesetzeslage," bekräftigt der engagierte Kläger (Herr K.). "Dass ich mir deshalb von einer Richterin Prinzipienreiterei vorwerfen lassen muss, hätte ich mir nicht gedacht", so Herr K.
"Die Richterin hielt mir geradezu eine Predigt, ich solle mich doch gefälligst auf einen Vergleich einlassen und ich musste mich verteidigen. Sie betonte, man könne hier nichts Grundsätzliches entscheiden wollen. Außerdem sei ich mit anderen Bewerbern vergleichbar, obwohl meine Qualifikation nicht Thema war," schildert Herr K. das Geschehen.
Besonders interessant fand er die richterlichen Belehrungen zur von ihm und seinem Anwalt angesprochenen EU-Ebene: "Sie sagte, das europäische Recht sehe viel Spielraum für die Besonderheiten in den Mitgliedsstaaten vor und das sei auch gut so, denn 'wir' (wen immer sie damit meinte) wollen ja keinen Einheitsbrei, sondern es sollen die nationalen Besonderheiten gewahrt werden," gibt Herr K. die durchaus bedenklichen Aussagen der Richterin wieder.
"Wie hartnäckig ihr Dringen auf einen Vergleich war, fiel auch den anderen, erfahrenen Anwesenden auf", empört er sich erneut. "Sie schickte mich und meinen Anwalt sogar nochmal vor die Türe, um uns zu beraten", ergänzt er. "Als wir danach immer noch auf ein Verfahren beharrten, kam der Vorwurf der Prinzipienreiterei und die Veranstaltung war zu Ende", berichtet Herr K.
Somit wurde Klage von Herrn K abgelehnt. Da die Argumentation des Gerichts noch nicht schriftlich vorliegt, kann er noch wenig über die nächsten Schritte sagen - außer, dass er bereit ist, bis Luxemburg zu klagen.