Pilatus im Interview (1)

In euren Amphitheatern gab es auch die Schaukämpfe der Gladiatorenpaare. Sklaven kämpften vor Publikum auf Leben und Tod.

Ach, hören Sie auf. Eure Vorstellung von unserem Gladiatorenwesen, ist durch eure absurden Lichtspieldramen geprägt. Die sind weniger wert, als der Inhalt der Cloaca Maxima in Rom, damit konnte man wenigstens noch die Felder düngen. Die Gladiatoren waren zu meiner Zeit meistens Freiwillige, die für Ruhm und sehr viel Geld kämpften. Die Sklaven-Gladiatoren mussten zwei bis dreimal im Jahr ein Duell bestehen und wurden nach drei Jahren freigelassen. Nicht wenige haben das erreicht. Diese Zweikämpfe verliefen nach Regeln und wurden von Schiedsrichtern beaufsichtigt. Die Kunst lag darin den Gegner zu entwaffnen, ohne ihn zu töten, damit Veranstalter und Publikum über den Besiegten richten konnten. Der Sieger musste dann die Exekution durchführen.

 

Das ist doch widerlich!

Der Unterlegene wurde meistens wegen seiner Tapferkeit begnadigt. Zu meiner Zeit kamen nur ein Zehntel der Teilnehmer zu Tode. In christlicher Zeit hatten dann Sklaven wohl keine Gelegenheit mehr, sich die Freiheit zu erkämpfen und mussten z. B. in Bergwerken verrecken, was einer Religion der Demut natürlich näher liegt. Jedenfalls war ein Duell für uns kein Mord.

Sie müssen auch bedenken: Zu den Urängsten unserer Kultur gehörte nun mal die Befürchtung, von den Barbaren überrannt zu werden. Wir fürchteten die Verweichlichung unserer Bürger durch die Pax Romana. Sie sollten regelmäßig exemplarisch mit Tapferkeit, Todesverachtung und solider Kampfkunst konfrontiert werden. Ihre Veranstaltung oblag den Priestern des Kaiserkultes. Auch war es wichtig dem designierten Nachfolger des Kaisers Gelegenheit geben, zu zeigen wie er sich als Veranstalter gegenüber unterlegenen Kämpfern verhielt. Begnadigte er zu häufig, lief er Gefahr als Weichling zu gelten, dem es gegenüber den Barbaren an Entschlusskraft mangelte. Ließ er stattdessen den Besiegten zu häufig töten, schuf er Misstrauen und man fragte sich, ob er sich künftig als Tyrann entpuppen würde. Letzteres drohte Drusus, dem Sohn des Kaisers Tiberius, weshalb er ihn maßregeln musste.

 

Haben Sie nie darüber nachgedacht, dass man das alles auch anders regeln kann.

Nach den Informationen die ihr mir zugänglich gemacht habt, waren die christlichen Könige und Fürsten über tausend Jahre lang nicht dazu in der Lage ihre mickrigen Territorien zu befrieden und es herrschte Krieg zwischen benachbarten Burgherren und Städten. Die waren froh, wenn sie noch unsere Straßen benutzen konnten. In einer solchen Welt hätte ich auch keinen Bedarf an Schaukämpfen in großen Amphitheatern.

 

Senator, wir bitten Sie jetzt noch einmal zu der Kindsaussetzung Stellung zu nehmen, aber dann müssen wir uns über ihre Amtszeit als Präfekt und den Prozess gegen Jesus unterhalten.

Auch wir mussten unser Bevölkerungswachstum regulieren. Wir hatten nicht eure Mittel zur Verfügung, mit denen ihr eure Bevölkerungspyramide umgestülpt habt. Für uns gehörte ein neugeborenes Kind erst zur Gemeinschaft, wenn der Vater es in die Familie aufnahm. Wir fanden, ein Neugeborenes hat nicht mehr Bewusstsein wie ein Tier. Daher sahen wir mehr Barmherzigkeit darin, die Bevölkerungszahl notfalls mit dieser Befugnis der Familienväter zu regulieren. Ein zügelloses Wachstum bedeutet Not und Armut und die macht die Menschen grausam. Wenn wir es nicht gebremst hätten, wären wir nach außen nie zur Ruhe gekommen.

 

Augustus belohnte den Kinderreichtum.

Er tat dies vergeblich bei den römischen Bürgern und selbst da hat er ihn nicht durch ein Verbot dieser Praxis erzwingen wollen.

 

Juden und Christen war es verboten.

Soo? Und? Habt ihr mir nicht selbst aufgezeigt, wie das Christentum sich ausgebreitet hat. Ist es nicht in den meisten Ländern durch Eroberung durchgesetzt worden und wurde nicht oft die Bevölkerung, fast ausgerottet und durch Kolonisten aus älteren christlichen Ländern ersetzt? Ganze Kontinente von deren Existenz wir nichts wussten, ein Vielfaches grösser als unser Imperium, haben die in Besitz genommen. Vielleicht wäre es nicht schlecht gewesen, den Infanticid als Ultima Ratio der Familienplanung beizubehalten?

wird fortgesetzt...