Pilatus im Interview (2)

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Christus vor Pilatus, Gemälde von Mihály von Munkácsy, 1881
Christus vor Pilatus, Gemälde von Mihály von Munkácsy, 1881

(hpd) Schon zum Darwin-Festakt hat Michael Schmidt-Salomon versucht, einer historischen Person eine Stimme zu geben. Das Gleiche soll hier mit einer historischen Person der Religionsgeschichte geschehen. Mit Pontius Pilatus, jenem römischen Statthalter, der im christlichen Glaubensbekenntnis erwähnt wird, wurde ein Vertreter des antiken Heidentums aktiviert.

(Den ersten Teil des “Interviews” veröffentlichte der hpd gestern.)

 

Lassen Sie uns jetzt allmählich zu ihrer Amtszeit in Judäa übergehen. Wann haben Sie das Militär verlassen?

Nach dem Triumphzug des Germanicus (17 u. Z), an dem ich selbst teilnahm.

 

Was war ihr letzter militärischer Rang.

Lagerpräfekt des Legionslagers von Moguntiacum (Mainz). Ich übernahm dann zivile Aufgaben, zunächst für die Wiederaufbauhilfe in Asia, wo zwölf Städte durch ein Erdbeben verwüstet wurden. Die Nachricht von der Katastrophe schlug nach dem Triumphzug ein. Tiberius hat großzügige Hilfe gewährt. Dann übernahm ich ein ziviles Amt, in der neu eingerichteten Provinz Kappadokien. Dort blieb ich, bis zu meiner Beförderung zum Präfekten von Judäa. In dieser Eigenschaft war ich dem Legat-Proprätor von Syrien unterstellt. Trotzdem hatte ich zunächst einen Antrittsbesuch bei Tiberius zu absolvieren.

 

Welche Instruktionen hat er ihnen gegeben?

Er pflegte uns Statthaltern zu sagen: Ein guter Hirte darf die Schafe zwar scheren, ihnen aber nicht die Haut abziehen.

 

Nach all dem was Sie uns gesagt haben, ist es wohl überflüssig zu fragen, ob Sie es für gerecht hielten, Besatzer in einem fremden Land zu sein?

Das Gebiet des alten Israel und Juda war nur ein schmaler Landstrich, eingezwängt zwischen Meer und Wüste. Ein solcher Staat konnte in alten Zeiten nur als Vasall einer benachbarten Großmacht existieren, von Ägypten, Assyrien, usw. Auch der neue jüdische Staat der Hasmonäer-Dynastie (ab 162 v. u. Z.) hatte nur mit römischer Hilfe seine Unabhängigkeit von Syrien erreicht und war dann in einem lockeren Abhängigkeitsverhältnis zu uns befindlich. Die engere Einbindung ins Imperium erfolgte durch einen jüdischen Bürgerkrieg, in dem eine der Parteien um Intervention bat (63 v. u. Z). Die Einrichtung als direkt verwaltete Provinz (6 u. Z.) erfolgte auf Bitten der Bevölkerung, weil man dort die Herrschaft der Herodier-Dynastie satt hatte. Ironischerweise waren sich in diesem Punkt Juden und Samariter ausnahmsweise mal einig.

 

Wie viele Soldaten hatten Sie zur Verfügung?

PONTIUS PILATUS: Dreitausend Mann Hilfstruppen, also freiwillige Berufssoldaten aus der nichtrömischen Bevölkerung, die nach der Dienstzeit das römische Bürgerrecht erhielten. Die Sollstärke des Reiches betrug bis zu 360 000 Mann, je zur Hälfte Römer und Hilfstruppen

 

Und dies bei 60 bis 70 Millionen Einwohnern. Woher stammten Ihre Soldaten?

Meine Soldaten stammten meist aus der Provinz. Aber dann eher aus der nichtjüdischen Bevölkerung.

 

Der jüdische Philosoph Philon von Alexandria, ein Zeitgenosse von Ihnen schrieb, sie wären ein brutaler Regent gewesen. Bestechlichkeit, Räuberei und Hinrichtungen ohne Todesurteil seien in der Tagesordnung gewesen.

Dann hätte man mich nicht 10 Jahre im Amt belassen. Philon hat seine Vorwürfe nicht durch glaubwürdige Details konkretisiert. Es sollte mich wundern, wenn eure Gelehrten ihn hier ernst nehmen. Philon war ein Wadenbeißer.

 

Gehen wir doch mal zu den historisch überlieferten Vorfällen ihrer Amtszeit. Es heißt, sie hätten recht schnell einen Zusammenstoß mit der Bevölkerung gehabt, bei dem Sie nachgeben mussten.

Ich hatte Kaiser Tiberius Ehrenschilde gestiftet und ließ diese im Herodespalast in Jerusalem anbringen. Die Schilde waren so hergerichtet, dass eine Verletzung der Gesetze Mose nicht vorlag. Keine Abbildungen, schon gar nicht von Göttern. Auch keine Erwähnung derselben im Text. Trotzdem regte sich beträchtlicher Widerstand, der sich zwar der Gewalt enthielt, aber großen Ärger machte. Meine Residenz in Caesarea Maritima, an der Küste, wurde sechs Tage lang von lärmenden Demonstranten belagert. Schließlich gab ich die Weisung, die Zusammenrottungen unblutig durch Einschüchterung aufzulösen. Ich drohte den Leuten mit dem Einsatz der Soldaten und ließ diese blank ziehen.

Überraschenderweise warfen sie sich nieder und boten den Nacken zum Todesstoß dar. Auf ein Massaker konnte ich es nicht ankommen lassen. Nicht gegen Demonstranten die keine Gewalt anwenden und sich abstechen lassen wollen. Das hätte zu Unruhen geführt, ich aber sollte für Ruhe sorgen. Ich veranlasste die Überführung der Schilde nach Caesarea.

 

Man wirft ihnen auch vor, Sie hätten sich an dem Schatz des Jerusalemer Tempels vergriffen, um eine Wasserleitung bauen zu lassen.

Ich habe mich nicht vergriffen. Ohne Erlaubnis des Hohenpriesters hätte ich auf den Schatz nicht zugreifen können. Mit einem solchen Übergriff hätte ich mir viel mehr Ärger eingehandelt als mit diesen Ehrenschilden. Natürlich waren der Hohepriester Kaiphas und der Hohe Rat einverstanden. In der ganzen römischen Welt war es üblich, die Vermögen der Götter in den Tempeln für gemeinnützige Zwecke heranzuziehen. Auch das jüdische Recht kannte diese Möglichkeit. Jerusalem war während der Festtage mit Pilgern überfüllt. Ausgerechnet diese Bergstadt hat dann gestunken wie ein übernutzter Adlerhorst. Ein römischer Statthalter hatte die Aufgabe die Zivilisation zu fördern. Dieses Aquädukt war bitter nötig.

 

Trotzdem gab es Widerstand.

Es gab immer Fanatiker die gegen alles waren. Während meines damals anstehenden öffentlichen Gerichtstermins, ließ ich mit Knüppeln bewaffnete Soldaten, sich in Zivil unters Volk mischen. Als dann mein Richterstuhl von diesen Verrückten umlagert wurde und einige von ihnen meine Amtstoga berührten, war dies das Signal zum zuschlagen.