"Verbrauchereinfluss auf Unternehmensethik nicht unterschätzen"

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Prof. Dr. Matthias Casper und Prof. Dr. Traugott Jähnichen (v.l.)
Prof. Dr. Matthias Casper und Prof. Dr. Traugott Jähnichen (v.l.)

MÜNSTER. (hpd/exc) Anleger und Verbraucher sollten dem Münsteraner Wirtschaftsjuristen Prof. Dr. Matthias Casper zufolge ihren Einfluss auf die Ethik von Unternehmen und Banken nicht unterschätzen. “Die Menschen sollten sich bewusst werden, dass sie als Kollektiv deutlich mehr Einfluss auf ethisches Verhalten entfalten können, als sie landläufig vermuten”, sagte der Rechtswissenschaftler am Dienstagabend in Münster.

“Durch die gezielte Nachfrage von bestimmten Produkten oder Anlageformen können sie zu neuen Standards beitragen, wie dies bereits im islamischen Finanzwesen und beim Verkauf fair gehandelter und ökologischer Produkte geschehen ist.” Genauso könnten Verbraucher Produktionsformen fördern, die weder die Umwelt noch die Gesundheit der Beschäftigten gefährdeten. “Wenn die meisten Anleger nur noch in solche nachhaltigen Investmentfonds investieren würden, hätte dies spürbare finanzielle Konsequenzen für nicht-nachhaltige Unternehmen”, so der Professor für Unternehmens- und Kapitalmarktrecht.

Prof. Casper forderte Unternehmen und Banken auf, sich selber Ethik-Kodizes zu geben. “Solche Kodizes könnten eine wichtige Rolle für ethisches Wirtschaftsverhalten spielen, wenn darin auch das Handeln der Vorstände präzisiert werde”, sagte der Wissenschaftler in der Reihe “Streitgespräche über Gott und die Welt”, in der er mit dem evangelischen Theologen Prof. Dr. Traugott Jähnichen aus Bochum diskutierte. Er hob hervor, dass die Ethikstandards angesichts der globalisierten Wirtschaftsströme internationale Gültigkeit haben müssten, da ihre Wirkung sonst an Ländergrenzen ende. An solchen allgemeingültigen Standards werde bereits gearbeitet. “Die Globalisierung erleichtert es, gesetzliche Schlupflöcher auszunutzen. Hier könnte die Wirtschaftsethik in die Bresche springen, indem sie derartiges Verhalten ächtet.”

“Unternehmen haben die Bedeutung wirtschaftsethischer Standards inzwischen erkannt”, sagte Prof. Casper. Sie wüssten, dass sie längst nicht mehr nur an Gewinnmaximierung und einem hohen Börsenkurs gemessen würden, sondern auch an der Übernahme von gesellschaftlicher und ökologischer Verantwortung. Marktwirtschaft und Wirtschaftsethik seien keine Gegensätze, sondern könnten nur erfolgreich sein, wenn sie miteinander verknüpft würden.

“Ethische Grenzen anstatt Spekulationsverbot”

Dabei diene Wirtschaftsethik in erster Linie als Orientierungshilfe. “Sie sollte sich nicht anmaßen, ein neues Wirtschaftsmodell erfinden zu wollen”, betonte er. Stattdessen solle sie dazu beitragen, Auswüchse der Marktwirtschaft zu begrenzen, um das vorhandene Wirtschaftssystem gerechter zu gestalten. “Anstatt eines allgemeinen Spekulationsverbots kann und sollte Wirtschaftsethik etwa mithelfen, ethische Grenzen für Spekulationen aufzuzeigen.” Zum Beispiel müssten beim “Ethikbanking” sowohl allgemeingültige als auch konkrete Kriterien für ethisch vertretbare Anlageprodukte festgeschrieben werden. Verbindlich würden diese letztendlich aber nur durch gesetzliche Normen, so der Wirtschaftsjurist.

Der evangelische Theologe Prof. Dr. Traugott Jähnichen kritisierte in der Diskussion die Folgen der wirtschaftlichen Globalisierung. “Vor allem ökonomisch schwächeren Staaten werden Marktzugänge häufig faktisch verweigert oder erschwert.” Als Beispiele nannte der Bochumer Wissenschaftler die Agrarpolitik der EU gegenüber den afrikanischen Staaten und mögliche Auswirkungen des geplanten Freihandelsabkommens zwischen Europa und den USA. “Hier bedarf es einer einflussreicheren Wirtschaftsethik, die mehr Chancengleichheit und besseren Schutz für zukünftige Generationen bieten kann.”

Unternehmensethische Verhaltensstandards lassen sich nach Einschätzung von Prof. Jähnichen auch ohne gesetzliche Auflagen realisieren, “wenn eine kritische und als relevant eingeschätzte Öffentlichkeit darauf reagiert”. Er warnte zugleich davor, allein auf den “gut informierten und ethisch reflektierten Konsumbürger” zu setzen. So hätten Umfragen ergeben, dass viele Konsumenten ökologische Produkte bejahten, sich das aber häufig nicht in ihrer Zahlungsbereitschaft niederschlage. Umso wichtiger sei Transparenz gegenüber den Verbrauchern. “Neue Formen von Kennzeichnungspflichten können auf Gesundheitsgefährdungen, Umweltbelastungen und Kinderarbeit hinweisen und dem Verbraucher eine ethische Entscheidung erleichtern”, so der Theologe.