BERLIN. (hpd). Inzwischen befinden sich drei US-Amerikaner in nordkoreanischem Gewahrsam, woraufhin die USA die Reisewarnung für das Land weiter verschärft haben. Was sind die Hintergründe? Des weiteren berichten wir unter anderem über versehentliche und beabsichtigte Grenzverletzungen in koreanischen Gewässern.
Zwei weitere US-Amerikaner in Nordkorea festgenommen und ein Südkoreaner zu lebenslanger Haft verurteilt
Bereits am 10. April wurde der 24-jährige US-Amerikaner Matthew Todd Miller laut einer Meldung, die zwei Wochen später von der nordkoreanischen staatlichen Nachrichtagentur KCNA veröffentlicht wurde, schon bei der Einreise festgenommen, weil er sich dort “unbesonnen” verhalten habe: Er habe sein Touristenvisum zerrissen und gerufen, dass er sich Nordkorea als Zufluchtsort ausgesucht habe nun dort Asyl beantragen wolle. Ob seinem Wunsch entsprochen wurde, ist bis zum heutigen Tage unklar, denn seitdem wurde nichts über seinen Verbleib oder sein Befinden in Nordkorea bekannt.
Anfang Juni wurde dann von KCNA berichtet, dass der 56-jährige Jeffrey Edward Fowle festgenommen wurde. Die kurze Meldung besagt, Fowle sei am 29. April eingereist, habe jedoch die Gesetze des Landes verletzt, indem er sich nicht wie ein Tourist verhalten habe. Weitere Details wurden dort nicht genannt, aber die japanische Nachrichtenagentur Kyodo meldete etwas früher am selben Tag, dass ein US-Amerikaner Mitte Mai in Nordkorea kurz vor der Ausreise verhaftet wurde, weil er eine Bibel in seinem Hotelzimmer liegengelassen habe. Zu dieser Zeit wurde auch die Reisewarnung des amerikanischen Außenministeriums angepasst: Es wird davon abgeraten selbst mit gültigem Visum oder als Mitglied einer Reisegruppe nach Nordkorea zu reisen, da willkürliche Verhaftungen nicht ausgeschlossen seien. Man könne für Handlungen in Gewahrsam genommen oder auch des Landes verwiesen werden, die außerhalb Nordkoreas nicht als Verbrechen angesehen würden. Aus dem Umfeld Fowles ist zu hören, dass sich der Christ nicht auf einer “Missionsreise” befunden habe. Diese Vermutung kam auf, da im Februar ein australischer Christ in Nordkorea festgenommen wurde, weil er unter anderem religiöse Schriften in einem buddhistischen Tempel in Pjöngjang ausgelegt hatte. Der 75-jährige Missionar konnte das Land nach zwei Wochen Arrest verlassen.
Mit den zwei neueren Fällen sind nun drei US-Amerikaner in Nordkorea inhaftiert. Seit November 2012 wird Kenneth Bae in dem Land festgehalten. Er verbüßt eine 15-jährige Haftstrafe in einem Umerziehungslager wegen umstürzlerischer und missionarischer Aktivitäten.
Ende Mai wurde wiederum durch KCNA bekannt, dass der Südkoreaner Kim Jong Uk zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Angeblich sei er ein Spion Südkoreas, was von dortiger offizieller Seite jedoch verneint wurde. Nordkorea sagt, dass Kim illegal eingereist sei und bereits im Oktober 2013 bei dem Versuch verhaftet wurde, nach Pjöngjang zu gelangen, um dort feindliche Handlungen gegen den Staat auszuführen. Er habe seine Verbrechen wie religiöse Handlungen gegen die Demokratische Volksrepublik Korea, bösartige Verletzung der Würde der obersten Führung im Ausland, Versuch des Aufbaus von Untergrundkirchen, das Locken von Nordkoreanern in den Süden und Spionage gestanden. Bei ihm seien religiöse Bücher, Speicherkarten, Sex-CDs und Spionagetechnik gefunden worden. Der Staatsanwalt habe die Todesstrafe gefordert. Weil die Taten des Angeklagten, die er laut KCNA tief bereue, ein Produkt der Konfrontation mit den “Marionetten” aus dem Süden seien, die durch ausländische Mächte gesteuert würden, wurde Kim “nur” zu lebenslanger harter Arbeit (“life hard labor”) verurteilt. Es wurde nicht bekannt, wo Kim seine Strafe absitzt. Da Nordkorea die Existenz von Arbeitslagern für politische Gefangene abstreitet, jedoch zugibt, dass es Orte zur “Umerziehung durch Arbeit” gibt, ist unklar, wie dieser Umerziehungsgedanke zu einer lebenslangen Haftstrafe passt.
Der Untersuchungsbericht zur Menschenrechtssituation wird nicht so schnell in einer Schublade verschwinden
Begrüßenswert ist das unermüdliche Engagement der Mitglieder der UN-Kommission, die die Menschenrechtslage in Nordkorea untersucht haben. Sie versuchen durch öffentliche Auftritte und Gespräche mit Medien das Interesse an dem Thema wach zu halten, damit der 372 Seiten lange Bericht, den sie im Februar vorgelegt haben, nicht einfach zu den Akten gelegt wird.
Der Vorsitzende der Kommission, Michael Kirby, betonte, dass die Vereinten Nationen verantwortlich seien, wenn Staaten nicht in der Lage sind, ihre Bürger zu schützen. Die Gegner des Berichts beriefen sich zwar auf die “Souveränität” der Mitgliedsstaaten, aber mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sei eine neue Weltordnung geschaffen worden, in der schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen alle etwas angingen. Des weiteren unterstrich er, dass die Kommission von der UN umfassend unterstützt wurde, was ein weiteres Signal für das Interesse vieler Mitgliedsstaaten sei, dass die Menschenrechtsverletzungen durch das nordkoreanische Regime dokumentiert werden. Er zeigte sich optimistisch, dass der Bericht nicht folgenlos bleiben würde, “auch wenn dieser Staat mächtige Freunde hat, die ständige Mitglieder im Weltsicherheitsrat sind”. Viele Empfehlungen der Kommission ließen sich auch ohne eine Zustimmung dieses Gremiums umsetzen.
Kirby traf Ende Mai auch mit der südkoreanischen Präsidentin Park Geun-hye zusammen. Park würdigte den Abschlussbericht und seine Empfehlungen als einen Meilenstein in den weltweiten Bemühungen, die Menschenrechtssituation in Nordkorea zu verbessern. Kirby dankte für die Übersetzung des Berichts ins Koreanische, was er schon lange vehement gefordert hatte. Dies ist ein erster Schritt, dass auch Nordkoreaner – ob über offizielle oder inoffizielle Kanäle – die Möglichkeit haben werden, ihn zu lesen.
Schon im Vorfeld wurde beschlossen, in Südkorea ein UN-Büro zu eröffnen, das die Menschenrechtssituation in Nordkorea weiter beobachten und damit die Arbeit der Kommission fortsetzen soll. Kirby betonte, dass diese Außenstelle als neutraler Teil der UN agieren werde, aber Nordkorea reagierte in bekannter Art und Weise und proklamierte, die innerkoreanischen Beziehungen würden dadurch in eine Katastrophe und die beiden Bruderstaaten an den Rand eines Krieges geführt. In einer Stellungnahme des “Komitees zur friedlichen Wiedervereinigung Koreas” drohte man mit scharfen Reaktionen gegen diesen “feindlichen Akt” und benannte als “Ziele” dieser Reaktionen auch das UN-Büro und seine Mitarbeiter. Ein Regierungsbeamter in Seoul bemerkte, es habe weder von russischer noch von chinesischer Seite Einwände gegen das UN-Büro gegeben.
Ein weiteres Mitglied der Kommission, Marzuki Darusman, sagte kürzlich in Genf, dass man sich von der alten Schleife des Einreichens von Berichten und dem Beschließen von Resolutionen beim UN-Menschenrechtsrat verabschieden und neue Wege einschlagen solle. Es müssten Möglichkeiten gefunden werden, die für die Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Da dabei der Weltsicherheitsrat eine entscheidende Rolle spielt, appelliert Darusman erneut an China, seinen Einfluss gegenüber Nordkorea geltend zu machen. Ebenso thematisierte er die Politik Chinas, nordkoreanische Flüchtlinge nicht als solche anzuerkennen und als illegale Wirtschaftsmigranten nach Nordkorea abzuschieben, wo ihnen schlimmste Sanktionen drohen. China erwiderte, man würde sich an internationales wie chinesisches Recht halten und auch an humanitären Prinzipien orientieren. “In China gibt es so etwas wie politisches Asyl nicht”, wird die Sprecherin des Außenministeriums zitiert.
Japan und Nordkorea verhandeln über Entführungsopfer
Bei einem Treffen Ende Mai in Schweden haben sich Nordkorea und Japan darauf geeinigt, dass Entführungsfälle aus den 1970er und 80er Jahren neu untersucht werden. Als Gegenleistung hat Tokio zugesagt, Sanktionen gegenüber Nordkorea zu lockern. Dabei soll es sich nur um solche handeln, die unilateral von Japan gegen Nordkorea beschlossen wurden und daher unabhängig von den internationalen Sanktionen gegen das Land seien.
Bei einem Gipfeltreffen im Jahre 2002 hatte der damalige Machthaber Kim Jong Il zugegeben, dass man dreizehn Japaner entführt hatte. Fünf davon konnten in der Folge mit ihren Ehepartnern und Kindern nach Japan ausreisen, die verbliebenen acht sollen verstorben sein. Die Entführungen sollen hauptsächlich dazu gedient haben, nordkoreanische Spione in japanischer Sprache und Kultur auszubilden, damit sich diese unerkannt in Japan bewegen konnten.
Die nordkoreanische Seite sprach zunächst davon, diese dreizehn bekannten Fälle neu zu untersuchen, während Japan forderte, dass auch der Verbleib anderer Menschen, bei denen eine Entführung vermutet wird, in die Ermittlungen mit aufgenommen werden. Japan möchte, dass 150 Fragen und Angelegenheiten geklärt werden, die schon bei früheren Verhandlungen vorgebracht, aber aus japanischer Sicht nicht zufriedenstellend geklärt worden waren.
Aus anderen Quellen ist zu hören, dass Nordkorea eine Liste von 470 Personen übergeben wurde, die als potentielle Entführungsopfer bezeichnet werden. Eine weitere Verhandlungsrunde zwischen Nordkorea und Japan soll noch im Juni stattfinden.
Der sowohl in Japan als auch international bekannteste Fall ist der von Megumi Yokota, die 1977 im Alter von 13 Jahren von nordkoreanischen Agenten gekidnappt wurde. Nordkorea behauptet, sie habe 1994 Selbstmord begangen, was ihre inzwischen sehr betagten Eltern aufgrund zweifelhafter DNA-Ergebnissen der zurückgeschickten Gebeine bis heute nicht akzeptieren. Sie konnten allerdings ihre Enkelin im vergangenen März in der Mongolei treffen, die aus einer Ehe mit einem ebenfalls entführten Südkoreaner hervorgegangen sein soll. Aus Rücksicht auf die Umstände hätten sie sie jedoch nicht nach dem Schicksal ihrer Mutter gefragt.
Auch der im Februar veröffentlichte UN-Bericht geht auf die Entführungen durch Nordkorea ein. Zusammen mit niemals freigelassenen Kriegsgefangenen des Koreakriegs wird geschätzt, dass mehr als 200.000 Ausländer gegen ihren Willen in Nordkorea festgehalten wurden oder werden. Darunter seien über hundert Personen aus Südkorea, Japan und anderen Staaten, die in geplanten, verdeckten Operationen durch Geheimagenten Nordkoreas entführt wurden. Unter anderem seien auch Frauen entführt worden, damit sie den bereits in Nordkorea festgehaltenen Ausländern zur Ehefrau gegeben werden konnten.
Flüchtige Fischer übers Meer nach Südkorea gelangt
In den letzten Wochen gab es mehrere Vorfälle von Grenzübertretungen nordkoreanischer Fischerboote, die sich teilweise in Seenot befunden haben. Der jüngste Fall, der Anfang der Woche bekannt wurde, betrifft einen Fischer, der bereits am 16. Juni in der Nähe der Insel Dokdo in einem kleinen, kaputten Boot aufgegriffen wurde und den Wunsch ausdrückte, in Südkorea zu bleiben. In solchen Fällen bietet Südkorea dem Geretteten immer an, entweder zu bleiben oder nach Nordkorea zurückgeschickt zu werden. Ursache der aktuellen Häufung dieser Vorfälle, so ein Regierungsbeamter, sei die Tintenfischsaison, deren Fanggebiete für die nordkoreanischen Fischer mit ihren schlecht gebauten Booten eigentlich zu weit entfernt lägen.
Die nordkoreanische Regierung habe die Anweisung gegeben, die Meeresfrüchteproduktion zu erhöhen, weshalb es möglicherweise in der nächsten Zeit noch mehr dieser “Unfälle” geben werde.
Südkoreanische Gewässer zu erreichen scheint bei vielen tatsächlich ein Versehen zu sein. In einem weiteren Fall in der letzten Woche wurden fünf aufgegriffene Fischer über den Grenzort Panmunjom auf ihren Wunsch hin zurück nach Nordkorea gebracht. Und im letzten Monat äußerten zwei von drei Geretteten, dass sie in Südkorea bleiben möchten, woraufhin Nordkorea verlangte, mit ihnen zu sprechen, was aber abgelehnt wurde. Für Pjöngjang ein Beweis, dass sie gegen ihren Willen im Süden festgehalten würden.
Nordkorea verpachtet Fischfanggebiete in südkoreanischen Gewässern an China
Die südkoreanische Zeitung Joongang Ibo berichtet unterdessen, dass Nordkorea Fischfangrechte an chinesische Fischer verkauft habe. Dass Nordkorea verschiedenste legale und illegale Methoden benutzt, um an Devisen zu gelangen, ist nicht neu, aber pikant in diesem Jahr ist, dass nun auch südkoreanische Gewässer betroffen sind. Die verpachteten Gebiete sollen sich im Gelben Meer in der Nähe der “Northern Limit Line” (NLL) befinden, die seit dem Waffenstillstandsabkommen von 1953 als Seegrenze zwischen Nord- und Südkorea gilt, aber vom Norden nicht anerkannt wird.
In der Nähe liegt auch die südkoreanische Insel Yeonpyeong, bei deren Beschuss durch Nordkorea Ende 2010 vier Südkoreaner ums Leben kamen. Nachdem jetzt der Pachtvertrag geschlossen wurde, soll es zu vermehrten Grenzverletzungen insbesondere von chinesischen Fischerbooten gekommen sein, auf denen teilweise Nordkoreaner arbeiten sollen. Insgesamt wurden 270 chinesische Schiffe in südkoreanischen Gewässern beobachtet – es handelt sich also nicht um Einzelfälle versehentlicher Grenzverletzungen. Peking wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass dieses Verhalten aufgrund der bestehenden Grenzen illegal sei, und aufgefordert, diesem ein Ende zu setzen. Ein Angestellter der südkoreanischen Küstenwache kündigte an, zusätzliche Patrouillenschiffe in die Region zu schicken, um unbefugte Grenzüberschreitungen zu verhindern.
SARAM e.V.
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