(K)eine Million für die Kirche

“Sowieso”-Einnahmen und Erpressbarkeit

Kommen wir nun zu den etwas handfesteren Aspekten: Das Kulturdezernat behauptet, die Subvention sei “direkt refinanzierbar”: Insbesondere weil Hoteliers, Restaurants, andere Dienstleister und Produzenten ihre Einnahmen durch den erhöhten Konsum der Gäste steigern könnten. Hierzu gilt es nicht weniger als 4 Aspekte zu beachten:

Erstens kommen diese erhöhten Einnahmen nicht unmittelbar der Stadt zugute, sondern privaten Unternehmen. Wie viel davon über Steuern wieder im Stadtsäckel landet, um die im Falle der Subventionierung entstehende Lücke zu schließen, ist fraglich.

Zweitens geht das Kulturdezernat in seiner Berechnung davon aus, dass in Leipzig mit nur 4 Prozent Angehörigen der Katholischen Kirche genauso viele (ca. 33.000) Dauerteilnehmer anwesend sein werden wie 2012 in Mannheim, obwohl dort 8-mal so viele Menschen dem katholischen Glauben angehörigen (32 Prozent).

Auch bei den zu erwartenden Tagestouristen geht die Begründung mit ca. 28.900 Menschen recht großzügig um. Wie der letzte Katholikentag in Regensburg 2014 zeigte, kann bereits zeitweise schlechtes Wetter trotz eines “katholischen Umfelds” zur Halbierung dieser Zahl führen. Zum Katholikentag 1994 kamen nur 35.000 Besucher nach Dresden, wovon gerade einmal 6.000 aus den östlichen Bundesländern stammten. Dresden weist wie Leipzig eine Katholikenrate von unter 5 Prozent auf. Es bestätigt sich damit, dass die Subventionierung der Veranstaltung vordergründig nicht den Interessen der Leipziger, sondern den Missionierungsinteressen der Kirche dient.
Anstatt eine insgesamt niedrigere Teilnehmerzahl zugrunde zulegen, geht die Prognose stattdessen von mehr Übernachtungen externer Besucher aus – dies gehört wohl in die Kategorie “Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt!”

Drittens ist auch nicht zu verachten, dass die Veranstalter des Katholikentages regelmäßig selbst massiv bei den Einwohnern der Austragungsstadt dafür werben, Privatunterkünfte zur Verfügung zu stellen. Beim letzten Katholikentag in Regensburg wurden nach eigenem Bekunden über 4.000 private Betten organisiert. Nicht mitgerechnet dürften dabei die Gemeinschaftsunterkünfte in Schulen (!), Turnhallen und auf Zeltplätzen sein, die das ZdK organisiert hat. Die Zahl der gewerblichen Übernachtungen sinkt dadurch noch einmal erheblich.

Viertens liegt der entscheidende Fehler in der Annahme, diese Einnahmen ließen sich nur durch die Förderung i. H. v. 1 Mio. Euro erreichen. Tatsache ist aber, dass sich das ZdK bereits für Leipzig als Austragungsort entschieden hat!

Die Einnahmen und auch alle anderen Vorteile (wie die Nachteile) kann Leipzig also sowieso schon für sich verbuchen! Die Veranstalter des Katholikentags werden es nicht ernsthaft in Betracht ziehen, aufgrund der fehlenden Geldzahlung den Austragungsort zu wechseln – zu groß wäre für die Katholische Kirche der Imageverlust, wenn sie nach dem Limburger Bischofssitz erneut wegen ihres Finanzgebarens in die Schlagzeilen geriete.

Daher wird Leipzig zwangsläufig sowohl in den Medien als auch auf den Drucksachen erwähnt werden. Sollte lediglich das Logo der Stadt nicht abgedruckt werden, wenn man sich nicht als Sponsor anbiedert, entsteht der Stadt hierdurch keinerlei Nachteil.

Sie als Ratsmitglieder sollten sich auch nicht verpflichtet fühlen, aus “Dank für die Beehrung” durch die Zahlung den guten Willen der Stadt zum Ausdruck bringen zu müssen: Erst die Investitionen der Stadt in die Infrastruktur und die planerische Unterstützung ermöglichen überhaupt so ein Großereignis. Hiervon profitieren alle Veranstalter und Besucher, nicht nur der Katholikentag. Eine weitere Unterstützung dieses Einzelereignisses ist unangebracht und macht die Stadt letzten Endes auch gegenüber anderen Veranstaltern erpressbar: Es genügt dann nicht mehr, die geschaffenen Standortvorteile hervorzuheben, sondern künftig könnten auch andere Veranstalter eine Prämie für ihr Kommen verlangen.

Schließlich sei auch an dieser Stelle noch einmal an die Folgekosten erinnert, die sich aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben: Will die Stadt gegen diesen nicht verstoßen, muss sie künftig auch weniger lukrative Veranstaltungen anderer Konfessionen mit entsprechenden Geldern fördern. Diese Kosten sind vermutlich deshalb nicht in die Gesamtbilanz aufgenommen worden, weil sie kaum abzuschätzen sind. Da eine vernünftige Kalkulation so nicht möglich ist, sollten Sie eher Abstand nehmen von einer Förderung in jeglicher Höhe.

Weitere kuriose Argumente

Neben diesen wirtschaftlichen Erwägungen führt die Begründung des Kulturdezernats auch einige “weiche” Faktoren an, die einem aber nicht weniger die Haare zu Berge stehen lassen sollten: Falsch ist schon die Annahme, dass die Veranstaltungen ein “niveauvolles” (Seit wann entscheidet der Staat, welche Konfession niveauvoll ist?!) und “meist kostenfreies” Angebot für die Bürger schaffen würden. Fakt ist hingegen, dass man als Besucher des Katholikentages ein Ticket erwerben muss! Für die Dauerkarte beim letzten Katholikentag in Regensburg zahlte man zum Beispiel 79,00 Euro!

“Das konsequente Bemühen um ökologische Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit setzt Maßstäbe, die als Vorbild und zur Impulssetzung dienen dürfen.” - Diese beiden Aspekte ließen sich viel effektiver fördern, indem man einen Teil der Subvention direkt in den Abbau entsprechender Barrieren und in Umweltverbände investiert. Letztere stehen Angehörigen aller Konfessionen offen und weisen hinsichtlich ökologischer Nachhaltigkeit eine eindeutig höhere Fachkompetenz auf als die katholische Kirche.

Als weiteres Pro-Argument wird angeführt, Katholikentage seien dafür bekannt, auch durchaus kirchenkritische Meinungen zu liefern. Sollte die Kritik am eigenen Co-Veranstalter nicht gerade gegen die finanzielle Unterstützung sprechen? Nach dieser Logik müssten auch Veranstaltungen von Atomstrom-Erzeugern gesponsert werden, da sie kritische Gegenkampagnen provozieren.

Des Weiteren wird betont, dass “für die höchste Staatsrepräsentanz” ein Abstecher zum Katholikentag zum Pflichtprogramm gehöre. Unabhängig davon, wie man dies im Hinblick auf die gebotene Trennung von Staat und Kirche interpretiert – wenn die Stadt ein konkretes Anliegen hat, müssen dem die (zuständigen!) öffentlich finanzierten Politiker im Rahmen der verfassungsrechtlich vorgesehenen demokratischen Prozesse ihr Gehör schenken. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Leipziger für einen solchen Unterhaltungsbesuch zusätzlich bezahlen sollten. Vor allem aber gilt auch hier erneut: Die Entscheidung für Leipzig ist bereits gefallen.

“Der Katholikentag wird Gelegenheit bieten, typische Veranstaltungsformate zu entwickeln und zu erproben, die dann weiter genutzt werden können.” - Sind die Formate nun “typisch” (und damit bereits vorhanden) oder müssen sie erst “entwickelt” werden? Wie will man sie “weiter nutzen”? Indem man in 30 Jahren den Katholikentag mit Geld wieder nach Leipzig lockt?

Fazit und Appell

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Begründungstext weder in die eine noch die andere Richtung konsequent ist: Einerseits liegen der Begründung wirtschaftliche Erwägungen zu Grunde. Dabei wird jedoch durchgängig der bedeutsame Aspekt der Investitionsnachhaltigkeit vernachlässigt, der bei kommerziellen Veranstaltern von großer Relevanz wäre. Andererseits wird mit “weichen Faktoren” argumentiert (Image, Polit-Besuche, inhaltlicher Höhepunkt für die Leipziger), die weder in der Sache überzeugen, noch eine Subvention in dieser Höhe rechtfertigen.

Wenn Sie wirklich Leipzigs Image des “selbstbewussten Bürgertums” stärken möchten, so bietet der 100. Katholikentag hierzu tatsächlich die passende Gelegenheit - allerdings nicht durch die Zahlung einer Millionenförderung, sondern indem endlich Ernst gemacht wird mit der strikten Trennung von Staat und Kirche, wie sie unsere Verfassung gebietet. Selbstbewusst und selbstbestimmt ist nur, wer sich nicht erpressbar macht: Wenn einem Veranstalter die örtlichen Gegebenheiten nicht genügen und er die Austragung von einer Subvention abhängig macht, sollte die Stadt ihn ziehen lassen. Anderenfalls treten die Städte unnötig zusätzlich in Konkurrenz zueinander, obwohl sie bereits durch teure (aber nachhaltigere!) Infrastrukturmaßnahmen versuchen, sich Vorteile zu verschaffen.

Leipzig könnte die erste Stadt sein, die hier mit positivem Beispiel vorangeht und die Religion als das behandelt, was sie ist: eine reine Privatangelegenheit. Sie möchten Leipzig als “weltoffene” Stadt präsentieren? Dann zeigen Sie, dass Leipzig nicht einzelne Veranstalter bevorzugt, sondern die vorhandenen Mittel gerecht in die Infrastruktur investiert, um somit allen Besuchern bestmögliche Bedingungen zu bieten.

Sie schätzen die Selbstbestimmtheit der Leipziger Bürger? Dann respektieren Sie die Entscheidung von über 95 Prozent der Leipziger, nicht dem katholischen Glauben angehören zu wollen. Sie möchten Leipzig als “barrierefrei und ökologisch nachhaltig” zeigen? Dann nehmen Sie die Million selbst in die Hand und tun etwas dafür!

Sie wollen den öffentlichen Meinungsbildungsprozess anregen? Dann sollten Sie erstens entsprechende Veranstaltungen fördern, die konfessionsunabhängig sind. Zweitens würden Sie damit auch die Organisationshoheit behalten (anstatt sie an eine Glaubensgemeinschaft abzutreten) und könnten selbst Themenschwerpunkte setzen. Drittens könnten Sie somit auch darauf hinwirken, dass entsprechende Veranstaltungen tatsächlich kostenfrei sind. Viertens sollten Sie zur Aufklärung und Diskussionsanregung lieber auf Strukturen zurückgreifen, die zum einen vor Ort vorhanden sind und die zum anderen den Fortschritt unserer Gesellschaft in den letzten 200 Jahren erst ermöglichten: die zahlreichen wissenschaftlichen Einrichtungen.

Sie möchten, dass über Leipzig in den Medien berichtet wird? Dann treffen Sie die Grundlage für positive Schlagzeilen und stimmen Sie gegen den städtischen Zuschuss. Zeigen Sie, dass Leipzig Prioritäten setzt: Schulen, Kitas, Kultur, Umwelt & Soziales für alle Konfessionen statt Privilegierung der zwei Großkirchen! Nach 1989 könnte sich Leipzig damit wieder einmal als progressive Kraft in Deutschland hervortun. DAS würde tatsächlich zu Leipzigs Image passen.

 


Seit gestern ist auch die Kunstaktion "das elfte Gebot" in Leipzig. Der Moses steht auch heute vor dem Leipziger Rathaus.