Donald R. Prothero: Flock of Dodos

Ein Schwarm Dodos: was steht hinter Kreationismus, Intelligent Design und dem Osterhasen? Wenn man über die bizarre Geistlosigkeit und den Irrsinn

der amerikanischen Kreationistenbewegung schreibt, hat man als Autor zwei Möglichkeiten: Entweder man schlägt einen wissenschaftlichen Ton an und nimmt das ganze Thema ernst, oder man macht sich darüber lustig und behandelt es sarkastisch von oben herab. In den Regalen der Buchhandlungen reihen sich neu erschienene Titel von Naturwissenschaftlern, Philosophen und Skeptikern aneinander, und fast alle gehen ernsthaft-wissenschaftlich oder philosophisch an die Sache heran und behandeln das Thema wie eine Angelegenheit von großem Gewicht. Viele umfangreichere Bücher verwenden ganze Kapitel darauf, die oberflächlichen Argumente der Fundamentalisten über Themen wie die Arche Noah zu entlarven. Dabei gehen die Autoren davon aus, dass jeder, der das Buch liest, ihrer Argumentation auch folgen kann. Aber damit predigen sie letztlich nur ihren eigenen Anhängern.

Die Autoren von Flock of Dodos: Behind Modern Creationism, Intelligent Design, and the Easter Bunny ("Ein Schwarm Dodos: was steht hinter Kreationismus, Intelligent Design und dem Osterhasen?") haben die Methode von Satire und Sarkasmus gewählt. Das Buch trägt zwar den gleichen Titel wie der Dokumentarfilm von Randy Olson aus dem Jahr 2006 (der nicht nur die Intelligent-Design-Bewegung aufs Korn nahm, sondern auch Wissenschaftler, die sich nicht entschieden genug für die Evolution einsetzen), aber ich finde keine Anhaltspunkte, dass beide etwas miteinander zu tun haben. Da Titel nicht dem Copyright unterliegen, könnten die Autoren unabhängig voneinander auf die Idee gekommen sei, oder der eine hat sie vom anderen übernommen. Wie dem auch sei: das Buch von Brown und Alson ist eine viel stärkere Satire als der relativ ausgewogene Dokumentarfilm. Barrett Brown hat sich als Autor von National Lampoon, Cracked, Jest, Wired, Playboy und www.nerve.com einen Namen gemacht; was er schreibt, hat die Schärfe und den Biss dieser Zeitschriften und passt in die Welt der Weblogs und der scharfen politischen Satire. Jon Alston ist Professor für Soziologie an der Texas A&M University. Sein Forschungsgebiet ist die Soziologie der Religion, er muss also dort im Herzen des Bush-Landes jede Menge hautnahe Erfahrung mit diesem Thema haben. Gemeinsam haben die beiden eine vergnügliche, kompromisslose Satire über die moderne Kreationisten- und "Intelligent-Design"-Bewegung verfasst, über die man herzhaft lachen kann. Das Buch von Brown und Alston ist keine ausgewogene Dokumentation, sondern das gedruckte Pendant zu der Fernsehshow "Bullshit!" von Penn und Teller.

 

Brown und Alston machen vom ersten Kapitel an keinen Hehl aus ihren Absichten: Sie warnen den Leser, sie würden ihm nicht nur auf die Füße treten, sondern diese Füße gleich abschneiden. "Dies ist kein höfliches Buch. Höflichkeit ist fehl am Platz gegenüber den Unehrlichen, die stets jedes gut gemeinte Zugeständnis ausnutzen, und wie wir noch sehen werden, sind die Anführer der so genannten ‘Intelligent-Design'-Bewegung so unglaublich unehrlich, dass noch ein alt gedienter Heroinsüchtiger erröten würde - nicht weil der Heroinsüchtige irgendwelche moralischen Bedenken hätte, sondern weil es ihm peinlich wäre, so verdammt schlecht zu lügen. Und wie wir noch genauer erfahren werden, sind die Intelligent-Design-Typen tatsächlich schlechte Lügner." Der Rest des ersten Kapitels ist einem ausführlichen Bericht über den Intelligent-Design (ID)-Prozess in Dover (Pennsylvania) gewidmet und legt mithilfe der Gerichtsprotokolle und der eigenen Aussagen der Kreationisten deren Lügen und Unehrlichkeit offen. Brown und Alston zitieren ausführlich aus der verworrenen, verwickelten Aussage von William Buckingham, der als kreationistischer Vorsitzender des Schulausschusses vor dem Prozess offen seine religiösen Beweggründe vertrat und dann - offenbar auf Anweisung seiner Anwälte - unter Eid mehrfach log, um seine Spuren zu verwischen. Brown und Alston fassen es so zusammen: "William Buckingham zu kennen, heißt die Millionen amerikanischen Mitbürger zu kennen, die nicht nur nichts über die Theorie wissen, die sie in Misskredit bringen wollen, sondern auch nichts über die Pseudotheorie, die an ihre Stelle treten soll. Es sind jene, die genau wissen, dass ihnen die grundlegenden Kenntnisse für eine Entscheidung zwischen beiden fehlen, und sich dennoch entscheiden, und das auch noch sehr lautstark; und die auf die Frage nach dem Motiv, so etwas zu tun, dann noch lügen, dass sich die Balken biegen. William Buckingham log, weil er glaubte, er müsse es tun, um seine Version der Wahrheit zu schützen - dass das wörtlich genommene Christentum die einzig wahre Religion ist und dass der Darwinismus seine größte Bedrohung darstellt."

Das zweite Kapitel berichtet über die Bemühungen der Fundamentalisten, staatliche Stellen und das Schulsystem unter ihre Kontrolle zu bringen oder die Zehn Gebote in die Verfassung aufnehmen zu lassen; gleichzeitig werden die Heuchelei und Ignoranz derer entlarvt, die diese Kreuzzüge anführten. Der Richter John Roberts, Terry Schiavo, Phyllis Schlafly, Senator Tom Coburn aus Oklahoma, William Jennings Bryan und der Scopes-Prozess haben in diesem Kapitel ihren großen Auftritt. Im dritten Kapitel nehmen Brown und Alston einige besonders bizarre Vorstellungen der Kreationistenbewegung aufs Korn, so die "Sintflutgeologie" von George Macready Price und die ausgebliebenen Prophezeiungen der Milleritenbewegung (aus der die Siebten-Tags-Adventisten wurden); sie zielen auf Henry und John Morris, Ken Ham, den Dinosaurier vom Paluxy River und seine "menschlichen" Fußspuren, und den absichtlichen Missbrauch des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik; den Schluss bildet unter der Überschrift "Profiles in Stupidity" ("Profile der Dummheit") eine bissige Satire auf die kreationistischen Bestrebungen, die Arche-Noah-Geschichte zu rationalisieren. Sie schließt mit den Worten: "Jahwe hat tatsächlich eine vielfach bewiesene Neigung, den Glauben seiner Anhänger auf die Probe zu stellen, und Zweifel an den heiligen Versuchen seiner frömmsten Anhänger, die junge Erde zu beweisen, sind sicher die größte Prüfung von allen. Solche Tricksereien wären eine Erklärung dafür, warum Henry Morris und sein Sohn John so fantasielose, dumme Puddinggehirne sind. Um die Kreationistenbewegung in Misskredit zu bringen, konnte Jahwe nichts Besseres tun, als ihre bekanntesten Vertreter zu erschaffen, wenn schon nicht nach seinem Ebenbilde, dann nach dem Bild eines leicht geistig behinderten konservativen Möchtegernkünstlers. Aber verdammt noch mal, das traue ich ihm glatt zu!"

Im vierten Kapitel spießen sie die verworrene Denkweise und die unehrliche Taktik der Intelligent-Design-Kreationisten auf, insbesondere William Dembski und Michael Behe. Brown und Alston zeigen, in welch großem Umfang die theologischen Vorstellungen der ID-Kreationisten das Motiv ihrer angeblich "naturwissenschaftlichen" Forschung darstellen, und dabei weisen sie die Verrücktheit und Heuchelei der Kreationisten mit deren eigenen Worten nach. Auch Hexen, der Senator Bill Frist und lesbische Bonoboschimpansen haben hier ihren Auftritt. Das fünfte Kapitel behandelt die deistische Philosophie der Gründerväter, die der Religion eine zu große Bedeutung in der Verfassung der Vereinigten Staaten verweigerten, und dann wird deutlich, wie die Fundamentalisten Worte und Absichten dieser großen Patrioten verraten, indem sie behaupten, die Vereinigten Staaten seien als "christliche Nation" gegründet worden. Am Ende steht der vollständige Wortlaut den berüchtigten "Keil-Dokuments" der ID-Kreationisten, das genau darlegt, mit welcher politischen und publizistischen Strategie sie der amerikanischen Wissenschaftlergemeinde und dem Bildungssystem ihre Ansichten aufzwingen wollen. Zusammenfassend stellen Brown und Alston fest, das Discovery Institute sei "willens, die Befunde richtiger Wissenschaftler falsch darzustellen, um so kurzfristige Siege im Propagandakrieg zu erringen, und es ist bereit, dies auch weiterhin zu tun, obwohl die betroffenen Wissenschaftler widersprechen, und obwohl es sich entschuldigt und Unterlassung zugesichert hat. Vor allem aber ist es gewillt, seine wahren gesellschaftlich-politischen Ziele hinter einem bewusst geknüpften Schleier der leidenschaftslosen wissenschaftlichen Untersuchungen zu verbergen, während es gleichzeitig die Wissenschaft verunglimpft. Wenn das Discovery Institute eine Lüge erzählt, tut es das, um der Wahrheit zu dienen. Da das Discovery für die Moral kämpft, steht es über der Moral. In Wirklichkeit sind die Absichten des Discovery Institute ganz einfach. Konservative sind in den seltensten Fällen kompliziert."

Im letzten Kapitel mit der Überschrift "So you've decided to take a stand for science" ("Sie haben sich also entschlossen, für die Wissenschaft einzutreten") fassen Brown und Alston die Situation zusammen; am Ende stehen Porträts der wichtigsten Beteiligten, die mit ihren eigenen Worten aufs Korn genommen werden, damit sich ihre Unehrlichkeit und Heuchelei offenbaren. Phillip Johnson, William Dembski, Stephen Meyer und dem ehemaligen Senator Rick Santorum wird die gleiche königliche Behandlung zuteil. Ken Ham von Answers in Genesis wird im Aussehen wie auch in seinem bizarren Verhalten mit einem Werwolf verglichen. Ausführlich beschreiben Brown und Alston Hams Bestrebungen, Schulkinder zu indoktrinieren, damit sie Lehrer ärgern, sich respektlos verhalten und den Unterricht stören.

Kurz gesagt, nimmt Flock of Dodos kein Blatt vor den Mund, und die Autoren unternehmen keinen Versuch, Freunde zu gewinnen oder Fundamentalisten zu beeinflussen. Es ist kein Buch für religös-empfindsame Leser, sondern für jene, die mit dem kreationistischen Unsinn zu tun haben und sehen wollen, wie er das verdiente Fett wegbekommt. Evangelikale werden darüber sicher nicht glücklich sein, aber nach meiner Vermutung rechnen die Autoren nicht damit, dass auch nur einer von denen es lesen wird. Reizvoll ist es aber für die vielen intelligenten, neugierigen Menschen (insbesondere solche im zynischen Collegealter), die sich Jon Stewart und Stephen Colbert auf dem Fernsehkanal Comedy Central und die Serie Bullshit! von Penn und Teller auf Showtime ansehen, die Spaß an schräger Satire haben und allen törichten Dingen respektlos gegenübertreten.

(Anm.: Die Wirtschaftswoche kürt den Dodo der Woche, also jemanden der besonders althergebrachte Ansichten vertritt.)

Autor des Buches ist Donald R. Prothero. Es erschien bislang nicht in einer deutschen Übersetzung.

Der HPD bedankt sich bei:

Sebastian Vogel: Für die Übersetzung dieser Rezension. Richard Dawkins "Der Gotteswahn" ist seine neueste Buchübersetzung.

Michael Shermer (Gründer der Skeptics Society), sowie eSkeptic und Brights Deutschland für die Veröffentlichungsrechte