Das menschliche Gehirn brauchte wohl keine erhöhte Zufuhr von Fleisch, um zu seiner heutigen Größe heranzuwachsen. Zu diesem Schluss kommt nun eine Studie aus den USA, in der die Forscher um Briana Pobiner vom Smithsonian National Museum of Natural History die Abschliff-Spuren von Jagdwerkzeugen an Fossilfunden der damaligen Jagdbeute untersuchten.
Viele Ernährungsratgeber schwören nicht nur für die Gewichtsabnahme, sondern auch generell für einen gesunden Lebensstil auf die sogenannte "Paläodiät". Dabei versucht man sich möglichst so zu ernähren, wie es unsere frühesten Vorfahren vor der Sesshaftwerdung und dem Betrieb von Ackerbau und Viehzucht taten. Der Gedanke dahinter: Unser Verdauungssystem habe sich an die ursprüngliche Nahrung, die uns als Jäger und Sammler zur Verfügung stand, angepasst. In unserer heutigen Welt mit Fertigprodukten in jedem Supermarkt und Tonnen von Zucker und Fett in unserer Nahrung leiden wir unter den Folgen einer falschen Ernährung. Die Paläodiät hingegen setzt auf naturbelassene Produkte wie Gemüse, Nüsse, Samen, Fleisch und Fisch.
Eine neue Studie aus den USA könnte nun aber die genaue Zusammensetzung einer solchen Ernährungsweise in ein neues Licht rücken. Die gängige These der Wissenschaft lautete bisher oft, dass das menschliche Gehirn durch die gesteigerte Zufuhr von tierischer Nahrung erst die heutige Größe und Leistungskapazität erreichen konnte. Diese Annahme ist seit den 90er Jahren als "Teure Gewebehypothese" weit verbreitet. Dabei kam man zu dem Schluss, dass ein derartig energiehungriges Organ wie unser Gehirn sich nur aufgrund der Zufuhr energiereicher tierischer Nahrung entwickeln konnte. Laut einer neuen Studie von Forschern um Briana Pobiner vom Smithsonian National Museum of Natural History scheint es jedoch für einen besonders erhöhten Fleischverzehr keine Belege zu geben.
Das Team um Pobiner untersuchte die Schleifspuren an Knochenüberresten fossiler Beutetiere, die augenscheinlich von den Werkzeugen der urzeitlichen Menschen herrührten. Gerade in den 80er Jahren wurden im Osten Afrikas besonders viele solcher Funde verzeichnet. Aus diesen geht hervor, dass unsere frühesten Vorfahren bereits vor zwei Millionen Jahren gejagt haben oder zumindest gezielt Kadaver zerlegt haben müssen, um sie zu verspeisen. Die gewonnenen Daten von prähistorischen Stätten in Kenia, Tansania und Äthiopien erstrecken sich über eine Zeitspanne von 2,6 bis 1,2 Millionen Jahren und zeigen zu dieser Zeit im Vergleich zur Population der frühen Hominiden keine Steigerung der Abriebspuren von Jagdwerkzeugen. Statistisch lässt sich dadurch kein erhöhter Konsum von tierischer Nahrung erkennen, während das Gehirnvolumen über die Zeitspanne der Fossilienfunde eindeutig zugenommen hat. Generell nehmen die Funde von Werkzeugspuren an fossilen Knochenresten zwar zu, jedoch wachsen sie genau in dem Rahmen parallel zur generellen Zunahme der Population der frühen Menschen.
Damit würden diese neusten Daten die Hypothese des Gehirnwachstums explizit durch Fleischverzehr nicht untermauern. Als Homo erectus vor über zwei Millionen Jahren mit der Jagd begann, steigerte dies wohl sein Hirnwachstum nicht maßgeblich. Andere Theorien besagen, dass es auch am Erhitzen der Speisen gelegen haben könnte. Durch das Kochen und Garen mit der Hilfe von Feuer wurde unserem Verdauungssystem viel Arbeit abgenommen und ermöglicht, auf mehr Nahrungsquellen effektiver zuzugreifen. Auch wenn diese Hypothese schlüssig klingt, sind die Belege dafür, etwa in Form von benutzten Feuersteinen, nur schwer nachzuprüfen.
Was heißt dies aber nun für die Paläodiät in der heutigen Zeit? Während der letzten Eiszeit bis vor etwa 10.000 Jahren muss der Fleischanteil in der Nahrung der frühen Europäer aufgrund des Mangels an Alternativen gerade im Winter extrem hoch gewesen sein. Ein besonders gutes Argument für eine Steinzeitdiät ist dies jedoch nicht unbedingt, da ein Mangel an Alternativen keinen Rückschluss auf die perfekte Ernährungsweise für uns Menschen liefert. Heute wird gerade der vermehrte Verzehr von Fleischwaren mit Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. Da aber die Menschen zur damaligen Zeit einer rauen Umwelt ausgesetzt waren, erreichten vermutlich nur die allerwenigsten überhaupt ein Alter jenseits der 50 Jahre. Eine Altersstufe, bei der in den meisten Fällen Symptome einer schlechten Ernährung gerade erst richtig zum Vorschein gekommen wären.
Ganz über Bord werfen sollte man die anderen Ratschläge der Paläodiät jedoch nicht. Unverarbeitete Lebensmittel ohne Zucker, vollwertige Pflanzenkost, Nüsse und Gemüse gelten schließlich auch heute noch als gesund. Die Frage nach den Gründen für das Gehirnwachstum des Menschen lässt sich damit allerdings nun nicht mehr so einfach beantworten wie bisher.
3 Kommentare
Kommentare
Stefan H. am Permanenter Link
Die Textüberschrift paßt nicht so recht zum Text. Mit Verlaub: Der Titel hätte umsichtiger formuliert werden müssen.
Überhaupt: Mit einer derartigen Studie, komme sie auch von "Smithsonian", läßt sich jene Frage gewißlich nicht endgültig klären. Ebenso wenig wie eine Schwalbe einen Sommer macht.
Ich selbst - als Pescetarier gewissermaßen unverdächtig - gehe aufgrund der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur weiterhin davon aus, daß der erhöhte Fleischkonsum (ob gekocht oder ungekocht) über jene Zeitspanne mit dem Gehirnwachstum jener Zeit ursächlich zusammenhängt.
Aber wie dem auch sei:
Zum einen ist darüber noch lange nicht das letzte Wort gesprochen worden, zum anderen gilt: Selbst wenn diese Frage ein für allemal geklärt sein sollte, wenn es sich als völlig unzweifelhaft herausstellte, daß der Verzehr von Fleisch zu einem größeren (= komplexeren) Gehirn führte: Der heutige Mensch muß mitnichten Fleisch essen, damit sein Denkapparat nicht verkümmert; um sein intellektuelles Potential zu wahren, seine Intelligenz aufrechtzuerhalten. (Denn darauf läuft es doch letztlich hinaus, nicht wahr?) Man hüte sich vor Fehlschlüssen!
Im Übrigen ist eine gesunde Lebensweise selbst dann gewährleistet, wenn man sich ausschließlich vegan ernährt, sofern man hierbei dieses oder jenes sorgfältig beachtet. (Zum Beispiel die ausreichende Zufuhr von Vitamin B12.) Dies gilt erst recht für Vegetarier, im besonderen Maße für Pescetarier; der vielleicht gesündesten Ernährungsweise überhaupt.
Es braucht kein Fleisch, um sich hinreichend zuträglich (und schmackhaft) zu ernähren. Nicht im 21. Jh. u. Z. Nicht in der Europäischen Union. Wer etwas anderes behauptet, hat entweder keine Ahnung von der Materie oder widerspricht bewußt der Ernährungswissenschaft. Sei es aus geschäftlichen Interessen, sei es, um den Fleischverzehr (der regelmäßig mit enormem Leid verbunden ist) sich selbst gegenüber rechtfertigen zu können.
Die pervertierte Ausbeutung der Tiere - für einen Bissen Fleisch -, das ungeheuerliche Tierleid - wegen des fleischlichen Gaumenkitzels - sind durch nichts zu rechtfertigen! Nicht durch eine Religion (= polit-theologische Ideologie). Nicht durch das Recht des Stärkeren, welches das Recht des Barbaren ist. Nicht durch Empfindungslosigkeit, Roheit, verkümmerte Empathie; Unverstand.
A.S. am Permanenter Link
Vielleicht hat ja der Vorgang der Jagd die Menschen schlauer gemacht, nicht der Fleischverzehr. Jagen und Waffen bauen ist intellektuell anspruchsvoller als Nüsse und Beeren sammeln.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Definitiv! Wobei das Hand in Hand ging.
Hätten wir kein Fleisch - wegen der Kaltzeiten - verzehren müssen, hätte man auch keine Jagdstrategien und keine komplexe Kommunikation (z. B. durch Bildung sichtbaren Augenweißes) entwickeln müssen. Doch da es so war wie es war, hat sich das immer mehr hochgeschaukelt. Mehr Intelligenz, mehr Fleisch, mehr Überleben, vergrößerte Sippen, mehr Fleischbedarf, bessere Jagdstrategien, mehr Fleisch... etc. pp.
Der seit 800.000 Jahren belegte Gebrauch von Feuer - und dessen regelmäßige Nutzung seit 400.000 Jahren - legt nahe, dass auch Nahrung damit erhitzt wurde, was Fleisch leichter verdaubar machte. Dem haben wir es letztlich zu verdanken, dass wir uns heute ethische Gedanken dazu machen...